„Kritisches Denken“ und die „Menschlichkeit des Lernprozesses“ dürfen nicht verloren gehen – da waren sich die hochmotivierten Workshop-Teilnehmerinnen und -teilnehmer schnell einig. Konsens unter den 40 Studierenden bestand allerdings auch darin, dass die rechtswissenschaftliche Ausbildung ein praxisnahes Studium sein sollte, bei dem insbesondere methodische Fähigkeiten mehr gefördert werden sollten (zu den Details: https://buceri.us/lt-workshop).
Das betreffe nicht nur Kommunikations- oder Rhetorikkurse bzw. Moot Courts, sondern explizit auch die Vermittlung von Grundkenntnissen zu den Möglichkeiten und Grenzen relevanter Technologien im Rechtsbereich. Fakt ist: Unabhängig von den Notenanforderungen werden heutige Studienanfängerinnen und -anfänger nach ihrer juristischen Ausbildung künftig auf weitere (technische) Berufsanforderungen treffen, auf die sie während ihrer juristischen Ausbildung idealerweise vorbereitet werden sollten.
Anforderungen an Anwaltschaft und Justiz
Dies gilt über die verschiedenen juristischen Professionen hinweg: Rechtsanwältinnen und -anwälte werden marktgetrieben einem Anpassungsdruck unterliegen, weil Mandantinnen und Mandanten eine (kosten-)effiziente Erstellung von Standarddokumenten fernab der „billable hours“ erwarten werden. In der Justiz wiederum stellen sich beispielsweise Fragen der Erkennung von Deepfake-Beweismitteln und der praktisch-effizienten Handhabung von Massen- bzw. Umfangsverfahren.
Ein Vorschlag der Studierenden ist die Integration von „Digital Literacy“ in die Ausbildung. Gemeint ist die Vermittlung grundlegender technologischer Kenntnisse und Terminologie, um die Schnittstelle zwischen Recht und Digitalisierung besser abbilden zu können. So sollten bereits während des Studiums Kompetenzen in der Anwendung praktisch relevanter Technologien im Kontext der Rechtswissenschaft gelehrt werden. Konkret fassten die Studierenden hierbei die Themenbereiche „Prompting“, „Datenanalyse“ und das „Erstellen von Entscheidungsbäumen“ ins Auge. Aber wie kann eine praktische Integration entsprechender (Zusatz-)Inhalte in die Ausbildung gelingen, wenn die Justizministerkonferenz an sich keinen grundlegenden Reformbedarf der volljuristischen Ausbildung sieht?
Für die Studierenden ist der Schlüssel zum Erfolg eine stärkere Vernetzung zwischen Lehre und Praxis: So könne ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, welche Legal-Tech-Kompetenzen in der Praxis gefordert werden. Zudem sollten – und das zahlt auf den Bereich der Methodenkompetenz ein – in der juristischen Ausbildung sowohl der Einsatz digitaler Tools für das eigene Lernen als auch die Bandbreite bzw. der Umgang mit solchen aus der Praxis vermittelt werden, um Synergieeffekte zwischen Lehre und Praxis zu maximieren. Moderne Formen juristischer Haus- oder Seminararbeiten – etwa in Kooperation mit der Praxis – werden als bereichernde Ergänzung vorgeschlagen. Hier ist es an den Lehrenden, sich innovative Aufgabenstellungen auszudenken, in deren Rahmen ChatGPT & Co bewusst in den Bearbeitungsprozess integriert werden. Für Universitäten stellt sich die Frage, welche externen (sprich prüfungsrechtlichen) Anreize für eine Beschäftigung mit entsprechenden Inhalten bei einem bereits zu vollen Curriculum gesetzt werden könnten. Denkbar ist etwa die Schaffung eines fakultativen Legal-Tech-Grundlagenfachs für die Zwischenprüfung oder einer Zertifikats-Veranstaltung, die – siehe das Bayreuther Modell – als Schlüsselqualifikation angerechnet werden kann.
Chancengleichheit und Herausforderungen
Bei aller Legal-Tech-Euphorie wird bei den Vorschlägen auch die Bedeutung digitalisierter Chancengleichheit beim Lernen und eines Bewusstseins für ethische und rechtliche Herausforderungen von Legal Tech deutlich – etwa wenn angeregt wird, den interdisziplinären Austausch und die Sensibilisierung über die allgemeinen, ethischen sowie rechtlichen Risiken von Legal Tech zu fördern. Denn: Die finale Rechtsanwendung – und damit schließt sich der Kreis zum eingangs erwähnten kritischen Denken – bleibt fernab technischer Möglichkeiten eine menschliche.
Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt.