Ausbildung & Karriere

Reformbündnis für die Ausbildung
Ausbildung & Karriere
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In einer ungewöhnlichen Gemeinschaftsaktion haben führende Organisationen aus dem Rechtsbereich eine Reform der Juristenausbildung gefordert. „Die aktuelle Konzeption (bedarf) einer Umgestaltung, um zukunftsfähig zu werden“, schreiben sie. Ihr Appell richtet sich an die „kommende Bundesregierung“ – so kommt er jedenfalls nicht zu spät für die Aushandlung des Koalitionsvertrags.

18. Mrz 2025

Hinter der Initiative stecken die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), der Deutsche Anwaltverein (DAV), der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF), der Deutsche Juristinnenbund (djb) und die Neue Richtervereinigung (NRV). Der deutlich größere Justizverband, der Deutsche Richterbund (DRB), ist allerdings nicht mit an Bord. Die Verfasser holen zunächst weit aus: „Das 21. Jahrhundert birgt viele Herausforderungen, denen sich unser Rechtsstaat resilient und selbstbewusst stellen wird“, schreiben sie optimistisch. Hierzu müsse die juristische Ausbildung ihren Beitrag leisten. Der Nachholbedarf mache ein zügiges und konsequentes Handeln der Politik erforderlich.

Demografie

Um dann ins Detail zu gehen: Immer mehr Berufsträger und -trägerinnen schieden aus, immer weniger Nachwuchs komme nach. Dies führe sowohl aufseiten der Anwaltschaft als auch bei der Justiz zu erheblichen Nachwuchsproblemen. Außerdem: „Im Ergebnis führt ein Mangel an Volljuristen und -innen zu einem erschwerten Rechtszugang der Gesamtbevölkerung.“ Die Ursache sehen die Verbände auch in der abnehmenden Attraktivität und Bindungsfähigkeit der juristischen Ausbildung – immer mehr Studienanfänger entschieden sich von vornherein für einen Bachelor-Studiengang mit juristischen Bezügen, statt eine volljuristische Laufbahn einzuschlagen. Und von jenen, die eine Ausbildung zum Juristen mit zwei Examina beginnen, brächen diese zu viele vor dem Abschluss ab.

Digitalisierung

Ein weiteres Bein, auf das die Reformer ihr Anliegen stützen, ist die „digitale Transformation“. Insbesondere die Ausweitung von Legal-Tech-Anwendungen werde die Arbeit von Anwaltschaft und Justiz umfänglich beeinflussen und unter Umständen grundlegend verändern. Die Schlussfolgerung: „Die neuen Bedingungen einer Informationsgesellschaft, der flächendeckende Einzug von Künstlicher Intelligenz, intelligente Datenbanken sowie die allgegenwärtige Datafizierung erfordern eine gründliche Revision der juristischen Ausbildung im Hinblick auf einschlägige Schlüsselkompetenzen.“ Sichergestellt werden müsse der kritische Umgang mit Daten, (Des-)Information und Künstlicher Intelligenz. Hierzu gehörten auch das Verständnis von Qualitätsstandards, das Wissen um „biasfreie und geschlechtergerechte Datenerhebung“ sowie das Erkennen und Bewerten von Diskriminierungsrisiken durch algorithmische Entscheidungssysteme. Neben diesen gesellschaftspolitischen Aspekten argumentiert das Bündnis ökonomisch: Nach seiner Ansicht müssen auch solche Kompetenzen in den Blick genommen werden, die die Potenziale der digitalen Transformation nachhaltig erschließen. Denn das solle den deutschen Rechtsstandort wettbewerbsfähig halten.

Diversität

Die dritte Säule aus dem Strauß von Begründungen zielt auf Vielfalt und den Abbau von Benachteiligungen. „In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise aus der Wissenschaft, dass die juristische Ausbildung im Allgemeinen und die juristischen Staatsprüfungen im Besonderen Diskriminierungseffekte zeitigen“, heißt es in dem Aufruf. Dies trage dazu bei, dass verschiedene Gruppen und Diversitätsmerkmale in Anwaltschaft und Justiz unterrepräsentiert seien. In einer immer vielfältigeren Gesellschaft stelle die mangelnde Diversität unter Volljuristen nicht nur für die unmittelbar Betroffenen ein ernstzunehmendes Risiko dar: „Neben dem Fehlen vielfältiger Perspektiven könnten mittelfristig auch die gesellschaftliche Akzeptanz sowie das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat leiden, wenn verschiedene Gruppen in der personellen Zusammensetzung von Anwaltschaft und Justiz nicht ausreichend repräsentiert sind.“ Daher solle die Ausbildung Ungleichheiten und strukturelle Diskriminierung in der Gesellschaft thematisieren sowie eigene „Exklusionsmechanismen“ erkennen und abbauen. Zum Schluss stellen die Organisationen klar, dass sie mit ihren Wünschen nicht nur das Studium, sondern auch das Referendariat meinen: Gemeinsam mit Ländern und Verbänden solle die Bundespolitik in beiden Phasen wirksame Lösungen umsetzen.

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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.