An inhaltlichen Vorschlägen, wie die Ausbildung reformiert werden sollte, mangelt es nicht. In Anbetracht zurückgehender Zahlen von Studierenden und Absolventinnen sowie Absolventen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel sollte es auch nicht am politischen Willen mangeln. Wie konnte es dann zu der kuriosen Fehleinschätzung kommen, es bestünde kein Reformbedarf? Ohne roten Faden und Vision, wohin sich die juristische Ausbildung auf längere Sicht entwickeln soll, verstricken sich politische Entscheidungsträgerinnen und -träger auf hochschul-, landes- und bundespolitischer Ebene zwischen bundesweiten Harmonisierungsbestrebungen und ländereigenen Prioritätensetzungen. Im Folgenden sollen drei Lösungsansätze aufgezeigt werden, wie der Weg zu einer nachhaltigen Reform erleichtert werden könnte: die Einführung von Mehrheitsentscheidungen, tiefergreifende Regelungstechniken und diversere Beratungsgremien.
Einführung von Mehrheitsentscheidungen
In einer bundesrechtlich geprägten Ausbildung mit einheitlichem Abschluss (§ 5 I DRiG) sind Harmonisierungsbestrebungen der Länder notwendig und gar gesetzlich vorgeschrieben (§ 5d I 2 DRiG), um eine Vergleichbarkeit der Ausbildung sicherzustellen. Die vor diesem Hintergrund sinnvollerweise im Einstimmigkeitsprinzip getroffenen Entscheidungen der JuMiKo machen diese jedoch zu einem unflexiblen Gremium, das sich auf Minimalkonsense beschränken muss. Notwendige tiefgreifende Reformen sind in diesem Rahmen schwer realisierbar – wie der jetzige Beschluss gezeigt hat. Ein Blick auf die älteste Fachministerkonferenz – die Kultusministerkonferenz (KMK), die auch zu Bildungsfragen arbeitet – könnte Lösungen für das Spannungsfeld von unitarischen Tendenzen in föderalen Strukturen bieten. So arbeitet sie derzeit an Möglichkeiten, Beschlüsse in Form von Mehrheitsentscheidungen zu treffen. Nicht nur würden Entscheidungen auf diese Weise deutlich effizienter getroffen werden, vielmehr könnten diese auch nicht – wie etwa im Fall einer AfD-Regierung – blockiert werden. Noch sind nicht alle – insbesondere verfassungsrechtlichen – Fragen geklärt. Doch schon jetzt sollte sich die JuMiKo an den Entwicklungen der KMK orientieren und diese gegebenenfalls selbst umsetzen.
Intensivere Zusammenarbeit wagen
Aber auch bei der Umsetzung dieser Beschlüsse zeigen sich Probleme. Wenn etwa getroffene Entscheidungen gerade von den Ministerien, die dem Beschluss einstimmig zustimmten, nicht umgesetzt werden, kommt die Sinnhaftigkeit der Koordinationsabsprachen auf der JuMiKo schnell an ihre Grenzen (so unter anderem beim einheitlichen Pflichtfachstoffkatalog 2017). Sie sollte vor diesem Hintergrund tiefergreifendere, self-executing Möglichkeiten föderaler Kooperation ausschöpfen – namentlich Staatsverträge und Verwaltungsabkommen –, um ein bundeseinheitliches Fundament der juristischen Ausbildung zu schaffen. Dazu müssten derzeitige Abläufe zwar angepasst werden (beispielsweise eine frühere Öffentlichkeitsbeteiligung), grundsätzlich bedienen sich aber auch andere Fachministerkonferenzen schon lange und erfolgreich dieser Regelungstechniken.
Neben effizienteren Entscheidungsstrukturen sind auch Veränderungen der Beratungsgremien notwendig. Erster Schritt muss sein, alle Stakeholdergruppen in einem institutionalisierten und gleichberechtigten Rahmen zusammenbringen. Wie erfolgreich ein solches Konzept sein kann, zeigt die grundlegende Reform des „Loccumer Arbeitskreises zur Reform der Juristenausbildung“. Es bleibt zu hoffen, dass die Justizministerinnen und -minister die Defizite ihrer eigenen Beratungs- und Entscheidungsstrukturen erkennen und die notwendigen Maßnahmen – von Mehrheitsentscheidungen bis zu diverseren Beratungsgremien – durchführen. Es wäre das erste einer Reihe wichtiger Signale, das die Politik setzen sollte, um kommenden personellen Mangelerscheinungen des Rechtsstaats entgegenzuwirken.
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