An einem Grundprinzip der juristischen Ausbildung wollen die Autoren – darunter der frühere Bundesverfassungsrichter und jetzige Göttinger Hochschullehrer Andreas L. Paulus, Emilia De Rosa vom Bundesfachverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF) und Sophie Dahmen von iur.reform – durchaus festhalten: Die Staatsprüfung sei ein "im Ansatz egalitäres Instrument" und sichere eine einheitlich hohe Qualität. Doch hat die Runde einige Kernforderungen aufgestellt. Die erste lautet: Reduktion des Pflichtfachstoffs. Denn die entsprechenden Kataloge der Bundesländer für die erste Prüfung seien zu umfangreich: Diese Stofffülle führe zu unnötigen Belastungen der Studierenden sowie Lehrenden und verleite zum Auswendiglernen oder zum Lernen auf Lücke. Der Gegenvorschlag: Stattdessen sollte anhand ausgewählter Gebiete Strukturwissen abgeprüft werden. Wichtiger seien schließlich "Systemverständnis und Methodik".
Das Zauberwort heißt Verlagerung
Auf die vermeintlich einfachste Lösung konnten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht verständigen – nämlich einzelne Rechtsgebiete zu streichen. Die betroffenen Fachvertreter aus Lehre und Praxis lehnen dies dem Forderungskatalog zufolge in aller Regel ab, wenn es ihren eigenen Bereich betrifft. "Dahinter steht nicht zuletzt die Sorge, dass mit dem Verlust der Verankerung im Staatsteil der ersten Prüfung das eigene Fach einen weit darüber hinausgehenden Bedeutungsverlust erleidet – und womöglich Ressourcenkürzungen ausgesetzt wird." Ziel müsse deshalb sein, den Umfang des Pflichtstoffs "tatsächlich und nicht nur symbolisch" zu reduzieren – ohne dass der Eindruck entstehe, einzelne Fächer würden an Relevanz verlieren.
Das Zauberwort lautet Verlagerung: Ausgewählte Stoffgebiete sollen ausschließlich in studienbegleitenden Klausuren abgeprüft werden. "Diese Bereiche werden nicht erneut in der staatlichen Pflichtfachprüfung (weder schriftlich noch mündlich) abgeprüft." Dafür kämen drei verschiedene Wege in Betracht: Entweder studienbegleitende Prüfungen in den verlagerten Bereichen oder Fächern als Zulassungsvoraussetzung für die staatliche Pflichtfachprüfung; eine Verlagerung in einen (integrierten) Bachelor of Laws (LL. B.); oder eine Verlagerung und Anrechnung auf die staatliche Pflichtfachprüfung. Die Sympathie der Verfasser scheint mehrheitlich bei der ersten Variante zu liegen.
"Hürden für LL. B. sind zu hoch"
Zudem plädieren die Reformer für die Einführung eines integrierten Bachelors of Laws (LL. B.), der ohnehin bundesweit auf dem Vormarsch ist (NJW-aktuell H. 3/2024,19). "So können die im Studium erbrachten Leistungen ihren Wert behalten – auch, aber längst nicht nur – als Auffangnetz im Falle des endgültigen Nichtbestehens der ersten Prüfung." Dieser Abschluss sei außerdem nicht zuletzt mit Blick auf die Vielfalt juristischer Berufsbilder jenseits der traditionellen Tätigkeiten eine wichtige Ergänzung zum Staatsexamen, keineswegs aber dessen Ersetzung. Das "Hamburger Protokoll" warnt allerdings vor zu hohen Hürden: Den LL. B. erst zu verleihen, wenn mit Ausnahme der staatlichen Pflichtfachprüfung alle Anforderungen der ersten Prüfung erfüllt sind, sei "hochschulrechtlich inkonsistent und damit gleichheitswidrig": Die dann bereits erbrachten Leistungen lägen deutlich über den Anforderungen in anderen Fächern. Der Schwerpunktbereich solle daher ausgeklammert werden.
Natürlich ist der Reformrunde noch deutlich mehr eingefallen. So wünscht sie sich die "Einrichtung barrierefreier Ansprechstellen zur Vermeidung von Konflikten in Prüfungssituationen", die präventiv wie repressiv wirken sollen. Gesetzt wird ferner auf ein im DRiG verankertes dauerhaftes Monitoring von Studium und Prüfung auch durch Nichtjuristen. Grundlagen- und Methodenkompetenz möchte man stärken. Erwogen wird, dem Zweitkorrektor die Bewertung des Vorgängers vorzuenthalten, die Prüfungskommissionen diverser zusammenzusetzen, Handkommentare und die Nutzung von Online-Datenbanken zuzulassen sowie die Rahmenbedingungen wie Räume, Lautstärke und Umgangsformen zu verbessern.
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