Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 11/2020 vom 28.05.2020
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Sachverhalt
Das Arbeitsgericht hatte dem Kläger mit Beschluss vom 06.09.2019 für eine Klage zum Teil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des hier beschwerdeführenden Rechtsanwalts bewilligt. Den anberaumten Gütetermin nahm der Kläger allein wahr und gab an, das Mandat seines Prozessvertreters gekündigt zu haben. Er beantragte den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die säumige Beklagte, das antragsgemäß erlassen wurde. Am selben Tag teilte der Kläger dem ArbG mit, dass er die dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht widerrufen habe. Zugleich bat er darum, keine Auszahlungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu veranlassen, da der Rechtsanwalt seine Rechtsanwaltsverpflichtungen nicht eingehalten habe. Der Rechtsanwalt bestätigte gegenüber dem ArbG, dass der Kläger das Mandat gekündigt habe. In dem auf den Einspruch der Beklagten anberaumten Kammertermin schlossen die Parteien einen Vergleich.
Im Februar 2020 legte der Kläger gegen den Beschluss vom 06.09.2019 Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe wegen angeblicher Schlechtberatung durch den Rechtsanwalt. Das ArbG legte die Beschwerde des Klägers als Antrag auf Aufhebung der Beiordnung aus und hob die Beiordnung des Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte in der ersten Instanz auf. Zur Begründung führte es aus, dass der Partei im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes das Recht zustehe, aus eigenem Recht die Aufhebung der Beiordnung eines ihr nicht genehmen Rechtsanwalts zu erreichen. Gegen diesen Beschluss legte der Rechtsanwalt erfolgreich sofortige Beschwerde ein. Der Antrag des Klägers auf Aufhebung der Prozesskostenhilfe wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Entscheidung: Kein Antragsrecht der Partei, Mandatsverhältnis kann durch Widerruf der Prozessvollmacht und Kündigung des Anwaltsvertrags beendet werden
Nach zutreffender Auffassung könne eine Partei selbst nicht die Aufhebung einer Anwaltsbeiordnung verlangen. § 127 ZPO, der die Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe regele, sehe ein entsprechendes Antragsrecht der Partei nicht vor. Die Auffassung des ArbG, dass keiner Partei gegen ihren Willen ein Rechtsanwalt aufgezwungen werden dürfe, lasse sich aus § 121 ZPO nicht ableiten und stehe nicht in Einklang mit § 48 Abs. 2 BRAO, wonach nur der Rechtsanwalt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine Aufhebung seiner Beiordnung beantragen könne. Zwar befasse sich § 48 BRAO mit der Beiordnung und ihrer Aufhebung aus der Sicht des Anwalts, sodass sich dieser Vorschrift keine zwingenden Rückschlüsse auf das Antragsrecht der Partei entnehmen ließen. Jedoch habe sich der Gesetzgeber eben nicht veranlasst gesehen, auch ein Recht der Partei auf Aufhebung einer Beiordnung zu verankern und die Voraussetzungen dafür festzulegen.
Dazu bestehe auch keine Veranlassung. Denn zum einen wäre ein solches Antragsrecht wegen der gesetzlichen Unterscheidung zwischen der öffentlich-rechtlich ausgestalteten Beiordnung und dem zivilrechtlichen Mandatsverhältnis systemfremd. Zum anderen gebe es dafür auch kein praktisches Bedürfnis. Denn der Rechtsanwalt werde für die Partei nicht auf Grund der gerichtlichen Beiordnung, sondern allein auf der Grundlage des ihm von der Partei übertragenen Mandats tätig. Weder begründe die Beiordnung ein Mandatsverhältnis noch führe ihre Aufhebung zur Beendigung des Anwaltsvertrages. Die Beiordnung habe zur Folge, dass der Rechtsanwalt gemäß den §§ 45 ff. RVG Zahlungen aus der Staatskasse erhalte und Vergütungsansprüche gegen die Partei gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend machen könne. Zum Schutz des Mandanten sei der Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 2 BRAO nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes berechtigt, sich seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Vertretung der Partei zu entledigen. Die Partei könne, wie der Kläger es auch getan habe, ihr Ziel einer Beendigung des Mandatsverhältnisses hingegen problemlos durch Widerruf der Prozessvollmacht und Kündigung des Anwaltsvertrags erreichen, ohne dabei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen zu unterliegen.
Die von dem ArbG vorgenommene Auslegung der Beschwerde des Klägers in einen Antrag auf Aufhebung der Beiordnung widerspreche im Übrigen dem vom Kläger mit seiner Beschwerde verfolgten Ziel, dass der Rechtsanwalt keine Vergütung aus der Staatskasse erhalte. Dieses Ziel könne mit der Aufhebung einer Beiordnung nicht erzielt werden. Die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe könne der Kläger nicht erreichen. Sein entsprechender Antrag sei mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.
Praxishinweis
Im Rahmen der Prozesskostenhilfe bedarf der Rechtsanwalt eines Auftrags durch die Partei, der er beigeordnet wurde. Anders als beim gerichtlich bestellten Pflichtverteidiger setzt bei dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt die Entstehung eines Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse voraus, dass dem Rechtsanwalt gegen den Bedürftigen, dem er beigeordnet ist, nach bürgerlichem Recht ein privatrechtlicher Vergütungsanspruch erwachsen ist. Die Beiordnung ersetzt weder den Auftrag der Partei noch die Vollmacht (siehe hierzu näher Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 45 RVG Rn. 29). Bei einer Aufhebung der Beiordnung ist der Anwalt insoweit geschützt, dass durch die Aufhebung die bis dahin entstandenen Gebührenansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts nicht verkürzt werden dürfen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.01.2003 - 15 WF 361/02, BeckRS 2003, 2772).