Urteilsanalyse
Kürzung der Mindestvergütung in Verbraucherinsolvenzverfahren nur ausnahmsweise zulässig
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Die Kürzung der Mindestvergütung in Verbraucherinsolvenzverfahren ist nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12.03.2020 nur ausnahmsweise zulässig. Nur wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens nochmals beträchtlich unterschritten werde, komme ein Abschlag von der Mindestvergütung in Betracht.

26. Mai 2020

Anmerkung von

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 10/2020 vom 20.05.2020

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Im Verbraucherinsolvenzverfahren kann die Mindestvergütung des § 13 InsVV ausnahmsweise um einen Abschlag nach § 3 II e InsVV gekürzt werden, wenn wegen der Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse und der geringen Anzahl der Gläubiger oder der geringen Höhe der Verbindlichkeiten der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens beträchtlich unterschritten wird, die Arbeitserleichterung nicht bereits darauf zurückzuführen ist, dass die Unterlagen nach § 305 I Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt worden sind, und sich ohne die zusätzliche Kürzung eine unangemessene hohe Vergütung ergäbe. (Leitsatz des Gerichts)

Sachverhalt

Der Kläger war Verwalter in dem am 6.4.2016 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner hatte über seinen Verfahrensbevollmächtigten die Eröffnung des Verfahrens und Restschuldbefreiung beantragt und dem Antrag die in § 305 I Nr. 3 InsO genannten Verzeichnisse beigefügt, die von dem Verfahrensbevollmächtigten erstellt worden waren. Dem Schuldner wurden die Verfahrenskosten gestundet. In dem schriftlich durchgeführten Verfahren meldeten drei Gläubiger Forderungen im Gesamtbetrag von 34.572 EUR zur Insolvenztabelle an. Da lediglich unpfändbare Vermögenswerte vorhanden waren und der Schuldner Einkommen nur in unpfändbarer Höhe erzielte, konnte der Verwalter keine Vermögenswerte zur Masse ziehen. Mit Beschluss vom 17.11.2017 wurde das Insolvenzverfahren ohne Verteilung nach § 200 InsO aufgehoben.

Mit Schreiben vom 12.9.2017 hat der Verwalter beantragt, seine Vergütung unter Zugrundelegung der nach § 13 InsVV auf 800 EUR gekürzten Mindestvergütung einschließlich Auslagen, Zustellkosten und Umsatzsteuer auf 1.220 EUR festzusetzen. Das Insolvenzgericht hat einen Abschlag nach § 3 II e InsVV in Höhe von 200 EUR vorgenommen und die Vergütung auf insgesamt 982 EUR festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verwalters hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Verwalter den abgewiesenen Teil seines Vergütungsantrags weiter. Im Ergebnis ohne Erfolg.

Entscheidung: Kürzung der Mindestvergütung in Verbraucherinsolvenzverfahren nur ausnahmsweise zulässig

Maßgeblich für die Bemessung der Vergütung seien im vorliegenden Fall die Regelungen der InsVV in der ab dem 1.7.2014 geltenden Fassung, weil das Insolvenzverfahren nach dem 30.6.2014 beantragt worden sei (§ 19 IV InsVV).

Der BGH wies des Weiteren darauf hin, dass die Bemessung von Zu- und Abschlägen zum Regelsatz der Vergütung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters sei. Sie sei in der Rechtsbeschwerde nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringe (BGH WM 2017 825).

Der Senat habe bereits entschieden, dass die in massearmen Verfahren zu gewährende Mindestvergütung des § 2 II InsVV auch in Verbraucherinsolvenzverfahren um einen Abschlag nach § 3 II e InsVV gekürzt werden könne, wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens erheblich unterschritten werde. Voraussetzung sei, dass der qualitative und quantitative Zuschnitt des Verfahrens so weit hinter den Kriterien eines durchschnittlichen massearmen Verfahrens, das schon seiner Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden sei, zurückbleibe, dass der Regelsatz der Mindestvergütung zu einer unangemessen hohen Vergütung führen würde (BGH WM 2018, 242).

Ein Abschlag nach § 3 II e InsVV könne auch von der nach § 13 InsVV gekürzten Mindestvergütung vorgenommen werden. Nach dieser Vorschrift ermäßige sich die Mindestvergütung des § 2 II 1 InsVV auf 800 EUR, wenn in einem Verbraucherinsolvenzverfahren die Unterlagen nach § 305 I Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt worden seien. Die Vorschrift zeige, dass der Gesetzgeber die Mindestvergütung des § 2 II InsVV in Fällen verminderten Aufwands für unterschreitbar halte. Es sei auch nicht anzunehmen, dass § 13 InsVV solche Fälle abschließend regeln wolle (vgl. BGH a.a.O.). Entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht (vgl. z.B. Gortan, NZI 2016, 339) seien Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Abschlagstatbestand des § 3 II e InsVV in die Regelung des § 13 InsVV habe einbeziehen wollen, nicht erkennbar. Der Sache nach gleiche § 13 InsVV einem weiteren Regelbeispiel zu § 3 II InsVV (Zimmer, InsVV, § 13 Rn. 2). Auch dies spreche dafür, dass auf der Grundlage der geltenden Regelung ein Abschlag nach § 3 II e InsVV von der Mindestvergütung des § 13 InsVV möglich sei.

Praxishinweis

Eine Kürzung der Mindestvergütung des § 2 II InsVV in Verbraucherinsolvenzverfahren sowohl nach § 13 InsVV als auch nach § 3 II e InsVV ist allerdings auf Ausnahmefälle zu beschränken. Massearme Verfahren, in denen die Mindestvergütung zum Tragen kommt, sind schon ihrer Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden. Nur wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens nochmals beträchtlich unterschritten wird, kommt ein Abschlag von der Mindestvergütung in Betracht. Zu beachten ist ferner, dass Umstände, auf denen die Ermäßigung der Mindestvergütung nach § 13 InsVV beruhen, nicht erneut bei der Prüfung eines Abschlags nach § 3 II e InsVV berücksichtigt werden dürfen. Die Mindestvergütung von 600 EUR, die nach § 13 I 3 InsVV a.F. einem Treuhänder zu gewähren war, darf jedoch nicht unterschritten werden. Hierauf wies der BGH nochmals ausdrücklich hin.

BGH, Beschluss vom 12.03.2020 - IX ZB 33/18 (LG Krefeld), BeckRS 2020, 8212