Urteilsanalyse
Voraussetzungen der Kontrollbetreuung bei einer Vorsorgevollmacht mit Ermächtigung zu Schenkungen
Urteilsanalyse
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Notwendige Voraussetzung der Einrichtung einer Kontrollbetreuung ist der konkrete, durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird. Dies kann nach Ansicht des BGH der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle geboten ist.

3. Jun 2020

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 5/2020 vom 28.05.2020

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Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens ist die Bestellung eines Kontrollbetreuers.

Die Betroffene, die an einer mittelschweren Demenz mit erheblichen mnestischen Einbußen leidet, erteilte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 3 (nachfolgend: Bevollmächtigte), 2013 eine umfassende Vorsorgevollmacht, die auch die Berechtigung des Bevollmächtigten umfasst, Schenkungen in dem Rahmen vorzunehmen, die auch einem Betreuer gestattet sind.

Auf Antrag der Beteiligten zu 4, einer weiteren Tochter der Betroffenen, hat das Amtsgericht ein Verfahren zur Prüfung der Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung eingeleitet. Mit Beschluss vom 13.06.2018 hat das Amtsgericht die Bestellung eines Kontrollbetreuers mit dem Aufgabenbereich „Vermögensangelegenheiten“ abgelehnt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 4 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen und der weiteren Beteiligten die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Beteiligte zu 1 zur Kontrollbetreuerin mit dem Aufgabenkreis Überwachung der Bevollmächtigten, Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrer Bevollmächtigten und ggfs. Widerruf der erteilten Vollmacht, jeweils bezogen auf den Aufgabenkreis der Vermögenssorge, bestellt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung begehrt.

Entscheidung: Die Anordnung der Kontrollbetreuung wird aufgehoben und die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Eine Kontrollbetreuung darf nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (Senatsbeschlüsse, FamRZ 2018, 1188 und FamRZ 2015, 2163 jew. m.w.Nw.).

Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen.

Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschluss, FamRZ 2018, 1188 m.w.Nw.).

Das Landgericht hat deshalb zu Unrecht die Voraussetzungen für die Errichtung einer Kontrollbetreuung bejaht. In der von der Betroffenen erstellten Vorsorgevollmacht ist geregelt, dass die Bevollmächtigten Schenkungen vornehmen kann, soweit sie auch einem Betreuer rechtlich gestattet sind. Nach § 1908i Abs. 2 Satz 1 BGB kann ein Betreuer neben Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird (vgl. § 1804 Satz 2 BGB), in Vertretung des Betreuten Gelegenheitsgeschenke machen, wenn dies dem Wunsch des Betreuten entspricht und nach seinen Lebensverhältnissen üblich ist.

Diese Voraussetzungen sind bei den von der Bevollmächtigten getätigten Schenkungen erfüllt. Die vom Landgericht beanstandeten Schenkungen nach den getroffenen Feststellungen auch im Umfang den Schenkungen, die die Betroffene und ihr verstorbener Ehemann bereits früher in gleicher Weise durchgeführt haben. Im Übrigen bewegt sich die Höhe der Zuwendungen im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Hat sich die Bevollmächtigte aber mit den Zuwendungen im Rahmen der ihr erteilten Vollmacht gehalten, sind diese Zuwendungen keine taugliche Grundlage für die Annahme, die Bevollmächtigte über die Vollmacht nicht im Interesse der Betroffenen aus. Eine Vorsorgevollmacht ist deshalb nicht schon dann zweckwidrig verwendet, wenn ein Bevollmächtigter Maßnahmen ergreift, die auch ihm selbst oder seinen Angehörigen einen Vorteil verschaffen. Beurteilungsmaßstab für das Vertreterhandeln ist vielmehr stets, ob es sich im Rahmen dessen hält, was sein Auftrag ist (vgl. Senatsbeschluss, FamRZ 2018, 1188).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich die Bestellung eines Kontrollbetreuers auch nicht damit rechtfertigen, dass die von der Betroffenen erstellte Vorsorgevollmacht keine Befreiung von dem Verbot des Insichgeschäfts (§ 181 BGB) enthält. Das Fehlen einer Befreiung von dem Verbot des Insichgeschäfts in einer Vorsorgevollmacht für sich genommen kann die Notwendigkeit einer Kontrollbetreuung nicht begründen.

Auch ein monatliches Taschengeld i.H.v. 500 EUR steht auch nicht außer Verhältnis zu den festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen.

Schließlich trägt auch die vom Landgericht getroffene Feststellung, wonach sich das Barvermögen der Betroffenen im Zeitraum von Januar 2017 bis September 2018 von ca. 92.620 EUR auf 45.533 EUR verringert habe, bislang die Anordnung einer Kontrollbetreuung nicht, weil eine Auseinandersetzung mit der detaillierten Darlegung der Beteiligten zu 1 im Beschluss fehlt. Es fehlt bislang an tragfähigen Feststellungen dazu, aus welchen Gründen sich das Vermögen der Betroffenen verringert hat und ob hierfür ein Verhalten der Bevollmächtigten ursächlich war, das die Vermögensinteressen der Betroffenen nicht gewahrt hat.

Praxishinweis

Interessant an dieser höchstrichterlichen Entscheidung ist die Befassung mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Vorsorgebevollmächtigten Schenkungen erlaubt sind. Dabei weist der zugrundeliegende Vollmachtstext die Besonderheit auf, dass dem Vorsorgebevollmächtigten zwar Schenkungen, die auch einem Betreuer erlaubt sind, ausdrücklich gestattet sind, doch keine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt wurde.

In entsprechender Anwendung des § 1804 BGB sind dem Betreuer zwar grundsätzlich Schenkungen verboten, doch darf er nach dieser Vorschrift aus dem Vermögen des Betroffenen Schenkungen tätigen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. § 1908i Abs. 2 Satz 1 erweitert die Befugnisse des Betreuers um solche Schenkungen, die dem Wunsch des Betreuten entsprechen und nach seinen Lebensverhältnissen üblich sind. Der Senat musste also klären, ob sich die Bevollmächtigte mit den vorgenommenen Schenkungen in diesem Rahmen gehalten hatte. Nur im Falle der Überschreitung der ihr durch die Vorsorgevollmacht gezogenen Grenzen wäre – so der Senat – eine Kontrollbetreuung in Betracht gekommen. Nach Auffassung des Senats bewegen sich die Zuwendungen allerdings sowohl im bisherigen Umfang als auch im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Sie wären also auch einem bestellten Betreuer erlaubt gewesen.

Diese Entscheidung gibt Anlass, sich mit der Ausgestaltung von Vorsorgevollmachten in Bezug auf Schenkungen zu beschäftigen. In der kautelarjuristischen Praxis wird mitunter zum Schutze vor Vermögensverlust geraten, in der Vollmachtsurkunde dem Bevollmächtigten Schenkungen zu verbieten, mit Ausnahme von „Anstandsschenkungen in kleinem Umfang zu den üblichen Anlässen wie Geburtstagen, Weihnachten, Verheiratung, Geburt eines Kindes, Trinkgelder an das Pflegepersonal“ und keine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu erteilen (Zimmermann, NJW 2014, 1573, 1574). Richtig an derartigen Empfehlungen ist, dass eine Generalvollmacht ohne Schenkungseinschränkung für das Vermögen des Vollmachtgebers erhebliche Gefahren mit sich bringt. Diese höchstrichterliche Entscheidung zeigt aber auf der anderen Seite, dass die dennoch zugelassenen Ausnahmen zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen können. Die Einrichtung einer Kontrollbetreuung ist dabei noch das geringste Folgeproblem. Auch Auseinandersetzungen mit den Erben über die Wirksamkeit der aufgrund einer solchen Vorsorgevollmacht vorgenommenen Zuwendungen sind vorprogrammiert.

Deshalb muss die Frage erlaubt sein, ob eine klare Entscheidung zwischen einer auch Schenkungen jeder Art sowie Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB umfassenden Generalvollmacht einerseits oder einem vollständigen Schenkungsverbot im Interesse der Rechtssicherheit andererseits nicht vorzugswürdig ist. Bei einer zweifelsfreien Entscheidung in dem einen oder anderen Sinne wäre dieser Rechtsstreit sehr wahrscheinlich nicht entstanden.

Darüber hinaus sollte nach meiner Erfahrung einem Bevollmächtigten eine Vorsorgevollmacht in Gestalt einer Generalvollmacht ohnehin nur erteilt werden, wenn diese Person das „uneingeschränkte Vertrauen“ des Vollmachtgebers genießt. Wer aus Sorge vor einem Missbrauch der Generalvollmacht Einschränkungen erwägt, hat vermutlich die falsche Person ausgewählt. Mit Recht weist der Senat nämlich in seiner Entscheidung darauf hin, dass der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht - um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden - gerade für den Fall erteilt, seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln zu können. Der Vollmachtgeber weiß also begriffsnotwendig, dass er aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage sein wird, den Bevollmächtigten zu überwachen und damit Missbrauch auszuschließen. Wichtiger als inhaltliche Einschränkungen der Vorsorgevollmacht ist folglich die Auswahl des bzw. der richtigen Bevollmächtigten.

BGH, Beschluss vom 08.01.2020 - XII ZB 368/19, BeckRS 2020, 1776