Haftungsseite
Vorsicht auf der Zielgeraden
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Mit Beendigung des Mandats entfallen die Aufgaben des Anwalts nicht unbedingt vollständig. Es kann daher Haftungsfolgen auslösen, wenn nachwirkende Hinweispflichten außer Acht gelassen werden. Vor diesem Hintergrund liegt die Sorgfalt beim Endspurt der Auftragserledigung gleichermaßen im Interesse des Mandanten und dessen Beraters.

30. Jan 2024

Eigentlich erlischt der Anspruch auf eine umfassende Aufklärung über die Sach- und Rechtslage mit der Auftragsbeendigung (BGH NJW 1997, 1302). Dennoch gehen Anwälte ein Risiko ein, wenn sie sich in dieser Lage von dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ leiten lassen. Grund hierfür ist, dass die Rechtsprechung durchaus Ausnahmen von der Regel zulässt. Weniger die nachträgliche Verletzung gesetzlicher Pflichten, etwa im Zusammenhang mit dem Berufsgeheimnis oder der Herausgabe von Handakten, sind Auslöser von Regressen. Häufiger spielen fehlende Hinweise auf drohende Rechtsnachteile durch eintretende Fristabläufe nach Vertragsende eine Rolle.

Belehrung über materiell-rechtliche Aspekte

Zwar muss der Anwalt ab dem Zeitpunkt der Mandatsbeendigung grundsätzlich nicht mehr über den sachgemäßen Umgang mit der Rechtsangelegenheit beraten (vgl. BGH NJW 1997, 254), geschweige denn diese zu einem provisorischen Ende bringen (BGH NJW 1997, 1302; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2017, 1338). Allerdings kann es geboten sein, dass der Berater auf erkennbare Risiken infolge der Vertragsbeendigung hinweist, weil sich der Mandant selbst der drohenden Rechtsnachteile nicht bewusst ist, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Lauf von Verjährungsfristen (vgl. BGH NJW 1997, 1302). Eine entsprechende Aufklärungspflicht bei vorzeitiger Mandatsniederlegung wurde etwa in dem Fall angenommen, in dem aus prozesstaktischen Gründen bislang nur ein Teil der Ansprüche eingeklagt und bezüglich der restlichen Forderungen keine vorbeugenden Vorkehrungen zur Vermeidung der Verjährung getroffen wurden (BGH NJW 1993, 1779, zum „Musterverfahren“ bei mehreren Anspruchsgegnern). Kommt es bereits während der aktiven Bearbeitungsphase zur Unterlassung notwendiger Handlungsempfehlungen, indem trotz eines entsprechenden Anlasses nicht zur Einholung eines Verjährungsverzichts oder zu einer Streitverkündung geraten wurde, so ist der Umstand, dass sich das Risiko des Mandanten erst nach Vertragsende verwirklicht, haftungsrechtlich kaum von Bedeutung (vgl. BGH NJW 2002, 1117). Hat ein Berater mithin während des laufenden Mandats einen eigenen Ursachenbeitrag für die sich erst nachträglich realisierende Gefahr gesetzt, muss er jedenfalls bei Auftragsniederlegung auf die Problemlage und die damit verbundenen „To-dos“ hinweisen. Gleiches gilt, wenn erforderliche Maßnahmen noch nicht eingeleitet worden sind, der Mandant aber auf deren Umsetzung vertrauen durfte (BGH NJW 2001, 1644). Hat sich der Nachfolgeberater ebenfalls einen kausalen Fehler zuschulden kommen lassen und dadurch die Chance vertan, den Schadeneintritt noch zu verhindern, unterbricht dies übrigens den Zurechnungszusammenhang hinsichtlich der Haftung des ursprünglich Beauftragten grundsätzlich nicht (BGH 26.1.2012 – IX ZR 54/09, BeckRS 2013, 3923; NJW-RR 2017, 566).

Prozessuale Nachwirkungen

Auch nach Niederlegung eines Prozessmandats können weiterhin Informationspflichten bestehen, vor allem bezüglich laufender Fristen. In diesem Zusammenhang kommt der Vorschrift des § 87 I ZPO besondere Bedeutung zu. Danach bleibt die Vollmacht im Anwaltsprozess gegenüber Gegner und Gericht und somit die Zustellungsbevollmächtigung wirksam, bis die Bestellung eines neuen Rechtsbeistands angezeigt wird (so auch BGH NJW 2007, 2124). So lange hat der frühere Prozessbevollmächtigte also noch Sorge dafür zu tragen, dass ihm zugestellte Urteile, Schriftsätze, Verfügungen etc. unverzüglich an den ehemaligen Auftraggeber weitergeleitet werden. Nicht ausreichend ist es zum Beispiel, ein Versäumnisurteil mit Verzögerung ohne Angaben oder Nachweise zum Datum der Zustellung an den früheren Mandanten zu übersenden und so eine konkrete Berechnung der Frist und die rechtzeitige Einspruchseinlegung zu vereiteln (BGH 6.10.2011 – IX ZR 21/09, BeckRS 2011, 24368).

Vorstehende Ausführungen unterstreichen, wie wichtig eine Reflexion über vorhandenes Gefahrenpotenzial im Zuge der Mandatsbeendigung ist. Anwälte sollten „auf Nummer sicher“ gehen und sich grundsätzlich die Zeit für die Frage nehmen, ob der scheidende Auftraggeber mit notwendigen Risikohinweisen sowie damit etwaig einhergehenden Handlungsempfehlungen zu versorgen ist. Gründe der Beweissicherung legen eine schriftliche Dokumentation der Belehrung nahe.

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Inga Willems ist Rechtsanwältin bei der HDI Gerling AG, Köln.