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Sind Poolliegen in einem Hotel faktisch nicht nutzbar, weil andere Gäste sie mit Handtüchern reservieren, kann das einen Reisemangel begründen. Das entschied kürzlich das AG Hannover – und hatte selbst seine helle Freude an dem Urteil, wie an der Pressemitteilung von Anfang Januar abzulesen war. 

2. Feb 2024

Sie trug die Überschrift: „Nur der frühe Vogel fängt den Wurm?“ Außerdem nannte das Gericht den Richter namentlich, was sonst eher unüblich ist. Aber Richter Sommer passte hier einfach zu gut, als dass man auf diesen kleinen Gag hätte verzichten wollen. Auch das Zitat aus dem Beklagtenvortrag, wonach es sich doch nur um ein „friedliches Wettrennen um die begehrten Plätze am Pool“ gehandelt habe, nahm man genüsslich in die Presseinformationen auf.

Eigentlich ist der Sachverhalt, über den hier entschieden wurde, aber eine bitterernste Sache. Davon zeugen zahlreiche Einträge in Reiseforen und Medienberichte über auch handgreiflich ausgetragene Handtuch-Battles. Bei Wikipedia gibt es sogar einen Eintrag, der hierzu die Rechtslage erläutert. Ein abgelegtes Handtuch auf einem Liegestuhl, heißt es da, rechtfertige keinen Besitzanspruch. Eine solche Markierung begründe lediglich einen Kurzbesitz, ergo keine schützenswerte Rechtsposition. Es ist einfach alles ganz wunderbar klischeehaft.

Die Pressemitteilung des AG Hannover endet ganz nüchtern mit einem Hinweis auf die angewendete Vorschrift: § 651m BGB. Wir befinden uns hier an einer schönen Stelle im Bürgerlichen Gesetzbuch; denn § 651 BGB beinhaltet gleichsam das gesamte Pauschalreiserecht von a bis y. Wobei es § 651 BGB gar nicht gibt, sondern nur die §§ 651a bis 651y BGB. Das macht einen Makel der Regelungen offenkundig: sie sind unvollendet. Der Gesetzgeber sollte schnell tätig werden, wir brauchen noch einen § 651z BGB. Bei der Gelegenheit könnte dann auch gleich die Lücke im Bauvertragsrecht geschlossen werden. Trotz Vereinnahmung des Architekten- und Ingenieurvertrags sowie des Bauträgervertrags endet es hier schon bei § 650v BGB. Die bisher einzige Normenfolge mit dem kompletten Alphabet findet sich in §§ 675 ff. BGB. Gäbe es dort künftig neue Regelungsbedarfe, müsste man noch Umlaute ergänzen. Ein § 675ö BGB hätte einen gewissen Charme. Oder man begründet mit § 675aa BGB eine neue Vorschriftenebene. Allein das Normzitat §§ 675ff ff. BGB wäre es wert.

Die Durchbuchstabisierung des BGB (es gibt inzwischen über 350 litera-Paragraphen) ist vor allem eine Folge europäischer Rechtsetzung. Man findet sie an vielen Stellen, wo EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt wurden. Diese Europäisierung des Privatrechts gefällt nicht allen. Manch einer meint, damit werde das bewährte Regelungskonzept des BGB zerschossen. Es werde mit kleinteiligen Regelungen zulasten von abstrahierend-generalisierender Systematik überfrachtet. Andererseits gab es auch immer Stimmen, die in der Verallgemeinerung einen Verlust an Einzelfallgerechtigkeit sahen. Wie auch immer, die Redewendung „nach den Buchstaben des Gesetzes“ kann man im BGB jedenfalls vielerorts wörtlich nehmen.

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Rechtsanwalt Tobias Freudenberg ist Schriftleiter der NJW, Frankfurt a.M.