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Der Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckter Ermittler ist ein bedeutsames Instrument in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Das BVerfG hat Anforderungen etwa an den Kernbereichsschutz formuliert. Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) sieht entsprechende Anpassungen der StPO vor.

5. Feb 2024

Zur Aufklärung von Straftaten ist es häufig unverzichtbar, Ermittler unter einer Legende in Organisationen bzw. kriminelle Milieus einzuschleusen (verdeckter Ermittler) oder kooperationsbereite Insider für die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden zu rekrutieren (Vertrauensperson). Beide werden über einen längeren Zeitraum eingesetzt und erheben vielfältige Informationen. Dass mit der verdeckten Datengewinnung (und der Weitergabe an die Behörde) Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden sind, liegt ebenso auf der Hand wie die Tatsache, dass die erlangten Informationen den besonders schutzbedürftigen Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung betreffen können. Das BVerfG hat mehrfach dargelegt, dass darüber hinaus schon die Täuschung über die Identität bzw. hinsichtlich der Kooperation mit den Behörden sowie das inszenierte Eingehen enger persönlicher Bindungen eine Verletzung des Kernbereichs darstellen (können). Das Ausnutzen eines gezielt aufgebauten Vertrauens kann mithin schwerwiegende Grundrechtseingriffe mit sich bringen. Dazu kommen weitere Risiken: Neben die Informationsgewinnung können Tatprovokationen treten, deren strafrechtliche Bewertung im Einzelfall schwierig sein kann. Schließlich ist bislang nur der Einsatz verdeckter Ermittler explizit in der StPO geregelt (§§ 110a–110d). Die Zusammenarbeit mit Vertrauenspersonen wird überwiegend auf die Generalklausel in § 163 I 2 StPO gestützt. Diese Praxis war seit jeher eine rechtsstaatlich problematische Notlösung und ist angesichts der Rechtsprechung des BVerfG nicht länger tragbar. Ein aktueller Referentenentwurf des BMJ soll beide Instrumente endlich auf ein rechtlich sicheres Fundament stellen. Den Schwerpunkt bildet eine Neuregelung der §§ 110a110c StPO. § 110a StPO soll Bestimmungen zum verdeckten Ermittler enthalten. Neben einer übersichtlicheren Normgestaltung sind differenzierte Vorschriften zum Kernbereichsschutz vorgesehen, die den Vorgaben des BVerfG Rechnung tragen, deren praktische Handhabbarkeit sich aber erst noch wird erweisen müssen.

Mit dem neuen § 110b StPO soll eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von Vertrauenspersonen geschaffen werden. Dessen Voraussetzungen werden konturiert, und die Maßnahme wird unter Richtervorbehalt gestellt. Umsichtig gestaltet sind die Ausschlussgründe für bestimmte Personengruppen: So darf etwa nicht als Vertrauensperson eingesetzt werden, wer mit Kenntnis der Strafverfolgungsbehörde an einem Aussteigerprogramm teilnimmt; dessen Erfolg soll nicht gefährdet werden. Zugleich wird auf die Bestimmungen zum Kernbereichsschutz bei verdeckten Ermittlern verwiesen. Sachgerecht sind ferner die Vorschriften über die Zuverlässigkeitsbewertung potenzieller Vertrauenspersonen, die Beendigung der Zusammenarbeit und die Geheimhaltungspflichten bezüglich ihrer Identität.

Tatprovokation künftig ausnahmsweise zulässig

Der vorgeschlagene § 110c StPO erlaubt unter engen Voraussetzungen die Verleitung eines Beschuldigten zu einer (weiteren) Straftat. So müssen hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er generell zur Begehung von Taten dieser Art bereit ist, und dass das Verleiten ohne erhebliches Einwirken auf ihn erfolgt. Zudem muss die Tat, zu der verleitet werden soll, nach Art und Schwere in einem angemessenen Verhältnis zur Tat stehen, derer der Beschuldigte verdächtigt wird, und sie darf Leben, körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit einer Person nicht gefährden. Ferner finden sich Bestimmungen zu den Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation, die nach der Rechtsprechung des EGMR und des BGH ein Verfahrenshindernis zur Folge hat; diese Einordnung setzt der Entwurf um. Werden die Vorschläge Gesetz, dürfte vor allem das Merkmal des unterbliebenen „erheblichen Einwirkens“ Anwendungsprobleme aufwerfen.

Verdeckte Ermittler und Vertrauenspersonen sind unverzichtbare Instrumente der Sicherheitsbehörden. Dass mit der überfälligen Schaffung sachgerechter Rechtsgrundlagen wie den nunmehr vorgeschlagenen Verfassungskonformität hergestellt wird und die Maßnahmen öfter zum Einsatz kommen dürften, kann nicht als „Vernachrichtendienstlichung“ beanstandet werden. Eine Durchsetzung der Zivilgesellschaft mit Kohorten von „Lockspitzeln“ ist ein unrealistisches Schreckensszenario. 

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Prof. Dr. Dr. Markus Thiel ist Leiter des Fachgebiets Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Polizeirecht an der Deutschen Hochschule der Polizei, Münster.