NJW-Editorial

60 Jahre AktG 1965

Dass Juristen ein inniges Verhältnis zu ihren legislatorischen Geschöpfen pflegen, lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass sie die Wiederkehr bedeutender, insbesondere „runder“ Jahrestage eines Gesetzes als dessen Geburtstag begehen.

11. Sep 2025

Dieses Jahr dürfen für das Aktiengesetz vom 6.9.1965, das am 11.9. desselben Jahres im Bundesgesetzblatt verkündet wurde (BGBl. I 1089), 60 Kerzen ausgeblasen werden (was unter anderem durch namhafte Aktienrechtler in Ausgabe 25 der NZG geschieht, die sich als Schwerpunktheft dem Jubiläum widmet).

In einem solch reifen Alter – immerhin hat das AktG 1965 seinen Vorgänger aus dem Jahr 1937 inzwischen um mehr als das Doppelte überlebt – steht üblicherweise zunächst ein Resümee des Erreichten im Vordergrund. Dazu muss man sich freilich zuvor die damaligen Reformanliegen vor Augen führen. Nach einem aus berufenem Mund stammenden Rückblick anlässlich des 50. Jahrestags des Gesetzes (Kropff in Fleischer/Koch/Kropff/Lutter, 50 Jahre AktG, S. 1, 2 ff.) lauteten diese auf Reinigung des Aktienrechts von nationalsozialistischem Gedankengut (dessen Einfluss auf das AktG 1937 allerdings anfangs überschätzt wurde) und auf Steigerung der Attraktivität der Aktie als Anlageform für breite Bevölkerungskreise, und zwar insbesondere durch die Stärkung von Aktionärsrechten und die Gewährleistung von Minderheitenschutz mittels eines kodifizierten Konzernrechts.

Vor allem die gesetzliche Regelung des Rechts der verbundenen Unternehmen gilt bis heute (trotz anhaltend geringer Neigung zur Nachahmung in anderen Jurisdiktionen) als eine zentrale Errungenschaft des AktG 1965. Das (in einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaftsordnung naheliegende) Ziel einer Stärkung der Rechte der Anteilsinhaber wurde in der Folgezeit unter dem Eindruck eines seit Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts zunehmenden Missbrauchs des wohl wirksamsten dieser Rechte, nämlich desjenigen zur Anfechtung mangelhafter Hauptversammlungsbeschlüsse, bald von einer bis heute anhaltenden Diskussion über die Notwendigkeit und Ausgestaltung einer Reform des Beschlussmängelrechts in der AG überschattet, die im Lauf der Zeit bereits zu mehreren gesetzgeberischen Eingriffen (Stichworte UMAG und ARUG) geführt hat.

Neben dieser „Dauerbaustelle“ werden – um den Blick in die Zukunft zu wenden – als mögliche Elemente eines „Facelifting“ für das AktG 1965 u.a. eine Lockerung des Prinzips der Satzungsstrenge (§ 23 V AktG), eine Flexibilisierung der Organisationsverfassung (Stichwort monistisches Leitungssystem, wie es aus der SE bereits geläufig ist), eine Modernisierung des Rechts des Aufsichtsrats und ein zukunftsfähiges Kapitalregime genannt; in der zuletzt genannten Hinsicht hat das ZuFinG erste Fortschritte erbracht, und mit dem zum StoFöG mutierten ZuFinG II steht die Fortsetzung bereits (allerdings noch etwas quer) in den Startlöchern. In diesem Sinne: Ad multos annos, AktG 1965! 

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Dr. Cornelius Götze, LL.M. (Cornell), ist Rechtsanwalt und Notar a. D. in Frankfurt a. M. sowie Schriftleiter der NZG.