Urteilsanalyse
(Un-)Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung
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Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung - so das BAG - als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, sobald die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.

23. Sep 2022

Anmerkung von
RA Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 37/2022 vom 22.09.2022

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Sachverhalt

Der Beklagte betreibt eine Gaststätte. Er zahlte an seine Beschäftigte (i.F. Schuldnerin), die als Küchenhilfe eingestellt war, aber auch als Thekenkraft eingesetzt wurde, im September 2020 neben dem Monatslohn i.H.v. 1.350 EUR brutto und Sonntagszuschlägen i.H.v. 66,80 EUR brutto eine Corona-Prämie i.H.v. 400 EUR. Über das Vermögen der Schuldnerin war im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Für den Monat September errechnete die Klägerin aus dem Monatslohn sowie der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag i.H.v. 1.440,47 EUR und forderte den Beklagten erfolglos zur Zahlung eines aus ihrer Sicht pfändbaren Betrags i.H.v. 182,99 EUR netto auf.

Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Corona-Prämie pfändbar sei. Anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a VIII.4 SGB XI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe, bestehe für die Sonderzahlung wie hier keine Unpfändbarkeitsregelung

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 97 I ZPO zugelassene Revision der Klägerin hatte vor dem 8. Senat des BAG keinen Erfolg. In der Pressemitteilung (FD-ArbR 2022, 451056) heißt es, die Klägerin habe – wie das LAG zutreffend angenommen habe – keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des von ihr geforderten Betrags. Die Corona-Prämie gehöre nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin. Der Beklagte hätte mit der Leistung eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren wollen. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie übersteige auch nicht den Rahmen des Üblichen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO.

Praxishinweis

Der Entscheidung kann nur zugestimmt werden.

Nach § 850a ZPO Nr. 3 sind „Aufwandsentschädigungen, Auflösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbst gestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen“, unpfändbar. Damit ist nicht nur der der Schuldnerin gewährte Sonntagszuschlag dem Zugriff der Klägerin als unpfändbarer Gehaltsbestandteil nach § 850a Nr. 3 ZPO entzogen, sondern auch die Corona-Prämie. Bei letzterer handelt es sich um eine Erschwerniszulage.

Dem Rückgriff auf § 850a Nr. 3 ZPO steht die Bestimmung in § 150a VIII 4 SGB XI nicht entgegen. Danach ist allein die obligatorische Corona-Prämie für bestimmte Pflegekräfte unpfändbar. Eine freiwillige Corona-Prämie in anderen Berufsbereichen wird von dieser Vorschrift nicht erfasst und ist damit als Arbeitsentgelt den allgemeinen Bestimmungen zum Pfändungsschutz für das Arbeitseinkommen gemäß § 850 ff. ZPO zuzuordnen. Im Übrigen umfasst der Begriff der Erschwernis in § 850a Nr. 3 ZPO im Rahmen der gebotenen Auslegung auch eine besondere Belastung bei der Arbeitsleistung. Dazu gehören u.a. die Umstände, die für die Gesundheit des Arbeitsnehmers nachteilig sind und Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit des Arbeitnehmers erfordern. Die Tätigkeit der Schuldnerin im gastronomischen Betrieb der Beklagten im September 2020 war für diese mit besonderen Belastungen und gesundheitlichen Risiken verbunden.

Warum bei dieser Sach- und Rechtslage die Arbeitsgerichtsbarkeit bis zum BAG „beschäftigt“ werden musste, erschließt sich mir nicht.


BAG, Urteil vom 25.08.2022 - 8 AZR 14/22 (LAG Niedersachsen)