Von Prof. Dr. Dominik Skauradszun,
Die Tokenisierung von Vermögenswerten schreitet voran. Geeignete Blockchains erlauben es, auch Zertifikate im Distributed Ledger abzubilden, sodann über die Blockchain zu handeln und zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder vom Markt zu nehmen. Besonders spannend ist dies bei frei gehandelten CO2-Zertifikaten, die ein Klimaschutzprojekt dokumentieren, mit dem beispielsweise CO2 aus der Atmosphäre entzogen wird, etwa durch eine Aufforstung („Voluntary Carbon Credit Token“ bzw. „VCC Token“). Solche VCC Token werden beispielsweise von deutschen Unternehmen erworben, die damit ihr Engagement betreffend den Klimaschutz unterstreichen bzw. perspektivisch im EU-Emissionshandelssystem nutzen wollen.
Klimaschutz und Distributed-Ledger-Technologie sind zwar globale Themen, ein weltweit harmonisierter Rechtsrahmen für VCC Token ist jedoch noch nicht in Sicht. Mut
macht allerdings, dass ein Bremsklotz der Voluntary Carbon
Markets – fehlende Regulierung – in der EU zunehmend weniger besteht. Aufgrund der weiten Definition der Kryptowerte in Art. 3 I Nr. 5 MiCAR fallen typische VCC Token in Titel II der MiCAR.
Damit wird der Wunsch nach Transparenz in der EU beispielsweise durch die Whitepaper-Pflicht erfüllt (Art. 6 MiCAR). Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen, die eine
Handelsplattform für VCC Token betreiben oder deren Verwahrung und Verwaltung für
die Kunden übernehmen (Art. 3 I Nr. 15 und 16 MiCAR), werden bestimmten Zulassungsvoraussetzungen unterworfen (Art. 59 MiCAR). Sogar der Kundenschutz in der Insolvenz ist stark ausgeprägt (Art. 70, 75 MiCAR). In Deutschland steht mit dem Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KMAG) schließlich und endlich ein umfassendes Durchführungsgesetz
zur Verfügung, welches auch VCC Token zugutekommen könnte. Sollten VCC Token aufgrund
besonderer Eigenschaften im Einzelfall als Finanzinstrument zu bewerten sein, würde die MiFID II
seit dem DLT-Pilotregime mit ihren nationalen Umsetzungsgesetzen einen Rechtsrahmen bilden.
Ende gut, alles gut?
Noch nicht ganz. Unternehmen, die freiwillig in den Klimaschutz investieren, möchten berechtigterweise wissen, was für eine zivilrechtlich wirksame Übertragung von VCC Token erforderlich ist,
ob sie an diesen Eigentum oder ein sonstiges absolutes Recht erlangen können und ob diese
Vermögenswerte in ihrer Handels- und Steuerbilanz aktiviert werden können. Nur, das deutsche
Privatrecht hält seit langem mit dem unionalen und deutschen Regulierungsrecht nicht Schritt, obwohl von akademischer und praktischer Seite schon längere Zeit ein Privatrecht für Digital Assets
gefordert wird (vgl. nur Omlor NJW 2024, 335 mwN). Mittlerweile ist das International Institute
for the Unification of Private Law (UNIDROIT) mit seiner Working Group zu (tokenisierten) VCC
weit vorangeschritten. Es könnte daher sein, dass das deutsche Privatrecht zu tokenisierten Vermögenswerten wie VCC Token bald neue Impulse erhalten wird – dies dürfte für beides förderlich
sein: für die Blockchain-Technologie und den Klimaschutz.
RiOLG Prof. Hon.-Prof. Dr. Dominik Skauradszun, LL.M., Fulda/Frankfurt/Nottingham,
Sprecher der ZEVEDI-Projektgruppe TOSCA zu VCC Token