Von Prof. Dr. Marcus Schladebach,
Der Tech-Unternehmer Elon Musk verfügt über eine immense digitale Marktmacht. Er kontrolliert die Plattform X und mit seinem Unternehmen SpaceX die
Satellitenkonstellation „Starlink“. Das ist auch eine Herausforderung für die Regulierung, wie Prof. Dr. Marcus Schladebach erläutert.
RDi: Über welche Größenordnung reden wir bei „Starlink“?
Schladebach: Derzeit umfasst die Satelliten-Megakonstellation „Starlink“ knapp 7.000 hintereinander gereihte Satelliten auf einer unteren Erdumlaufbahn von ca. 500 km Höhe. Insgesamt soll diese Konstellation am Ende ca. 40.000 Satelliten besitzen.
RDi: Wie konnte es dazu kommen, dass eine Person in diesem sensiblen Bereich über so viel „Marktmacht“ verfügt?
Schladebach: Elon Musk will Internetdienstleistungen für die ganze Welt anbieten. Die Raumfahrt ist für ihn eher ein Hilfsmittel zur „Möblierung des Weltraums“, insbesondere zum Aufbau einer besseren Internet-Infrastruktur. Dieses Ziel verfolgt er kontinuierlich. Ohne seine Ideen und immensen Investitionen wäre die Raumfahrt nicht auf dem heutigen Stand. Hiervon profitieren viele Staaten, indem sie die Transportkapazitäten der SpaceX-Raketen nutzen können.
RDi: Gibt es für den Betrieb von Satellitensystemen nicht spezielle Regeln, die so viel privaten Einfluss verhindern?
Schladebach: Regeln gibt es nur für die erstmalige Positionierung von Satelliten auf Erdumlaufbahnen. Da die Nutzung des Weltraums auch für Privatunternehmen nach Art. I des Weltraumvertrags grundsätzlich frei ist, können Unternehmen über die zuständigen nationalen Behörden (in Deutschland die BNetzA) bei der International Telecommunication Union (ITU) in Genf Frequenzpositionen beantragen, denen dann konkrete Satellitenpositionen im Weltraum entsprechen. Die Position des Satelliten folgt der zugeteilten Frequenz. Das auffallend anspruchslose Vergabeverfahren basiert lediglich auf dem Grundsatz des „First come, first served“ und wird von der US-amerikanischen Federal Communications Commission (FCC) im Sinne der Anträge von Musk kräftig genutzt. Um allen Staaten den Zugang zu allen Erdumlaufbahnen auch in der Zukunft offen zu halten, muss für jeden ITU-Vertragsstaat auf jeder Umlaufbahn zumindest eine Position (Frequenz) freigehalten werden. Das ist Folge des im Weltraumrecht geltenden Gemeinschaftsgedankens. Diese kleinere quantitative Begrenzung ist jedoch die einzige relevante Einschränkung bei der Satellitenpositionierung.
RDi: Ansonsten erfolgt die Begrenzung von Marktmacht durch das Kartellrecht. Hier nicht?
Schladebach: Der auch für die untere Erdumlaufbahn geltende Weltraumvertrag von 1967 sieht kein Kartellrecht vor. Auch gelten insoweit die Regelungen des europäischen (Art. 101 ff. AEUV, DMA) oder des nationalen Kartellrechts nicht. Im Übrigen dürfte ohnehin fraglich sein, wie ein sachlich, räumlich und zeitlich relevanter Markt sowie eine marktbeherrschende Stellung auf Erdumlaufbahnen rechtssicher zu bestimmen wären.
RDi: Könnte Musk etwa Wettbewerbern das Internet abschalten?
Schladebach: Da Musk seine Internetdienstleistungen über privatrechtliche Verträge anbietet, steht es ihm unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfristen jederzeit frei, die Versorgung mit Internet zu beenden.
RDi: Welche Relevanz haben Satelliten und deren Regulierung für die (Digital-)Wirtschaft?
Schladebach: Leider wird diese hochwichtige Frage viel zu selten gestellt: Weite Bereiche der digitalen Welt auf der Erde laufen über Satellitentechnik. Ob Navigationsdienste im Auto, ob Google-Maps, ob TV- und Rundfunkübertragungen. Die hierfür erforderlichen Kommunikationssatelliten sind technisch hochentwickelte Weltraumgegenstände, operieren aber in einer vollkommen lebensfeindlichen Umwelt und sind daher sehr vulnerabel. Um sie funktionstüchtig zu halten, bedürfen sie auch rechtlich eines viel besseren Schutzes. Das betrifft zudem deren Lebensdauer. Verlieren sie nach einigen Jahren ihre Funktion, gelten sie als Weltraumschrott. Ungeachtet der Tatsache, dass sich kaum ein Staat um die Rückholung von Weltraumschrott kümmern möchte, ist der Verbleib funktionsloser Satelliten im Weltraum eine große Gefahr für die funktionierende Kommunikationsinfrastruktur. Erst wenn Kollisionen von Satelliten zu einem digitalen Blackout auf der Erde führen, wird sich die Menschheit dieses Problems bewusst werden. Wer stabile digitale Kommunikation über Satelliten will, muss rechtliche Vorkehrungen zu ihrem Schutz treffen.
Prof. Dr. Marcus Schladebach leitet die Forschungsstelle für Öffentliches Recht, Medienrecht sowie Luft- und Weltraumrecht an der Universität Potsdam