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Elektronische Präsenzbeurkundung – Fortschritt mit Schwächen

Von Prof. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur. ist Direktor des Instituts für das Recht der Digitalisierung (IRDi) an der Philipps-Universität Marburg und Mitherausgeber der RDi
Die Pläne zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung reihen sich in zahlreiche Bemühungen ein, die deutsche Justiz, das deutsche Rechtswesen und Rechtssystem im Hinblick auf die digitale Transformation zu modernisieren. Dabei sollte die Digitalisierung nicht als Gefahr oder Gegenspieler, sondern als Chance gerade auch für das deutsche Notarwesen wahrgenommen werden: Tradition und Innovation können ein harmonisches Tandem bilden. Anschaulich zeigt sich dieses fruchtbare Miteinander etwa bei der Online-Beurkundung, beim elektronischen Urkundenarchiv, beim Einsatz von moderner Notariatssoftware und bei der digitalen Kommunikation zwischen Notariat und öffentlichen Stellen – Stichwort: eNoVA. Notarinnen und Notare werden durch die Digitalisierung nicht überflüssig, ganz im Gegenteil: Sie vermitteln zwischen den Rechtsuchenden und den (Register-)Gerichten und entlasten dabei die staatliche Gerichtsbarkeit in erheblichem Umfang (z.B. bei der Stellung von Erbscheinsanträgen, im Verbraucherschutz und bei der vorsorgenden Konfliktvermeidung im Vertrags-, Familien- und Erbrecht).
Die Grundrichtung des aktuellen Gesetzentwurfs (BT-Drs. 20/11849), die Erstellung formgebundener, beglaubigter 

Erklärungen vollständig in die Realität des elektronischen Rechtsverkehrs zu überführen, ist zu begrüßen. Unabhängig davon, was aus dem Vorhaben angesichts der aktuellen politischen Lage wird, sind für die weitere Diskussion aber zwei besonders gewichtige Punkte hervorzuheben, die im Entwurf zu kurz greifen: 

Erstens. Die umfassend verfügbare elektronische Niederschrift ist zu begrüßen, sollte allerdings nicht nur den empirischen, sondern auch den normativen Regelfall bilden. Der Fokus normativer Anpassungen liegt auf der Erstellung elektronischer Niederschriften gem. § 8 II BeurkG-E im Präsenzverfahren über die bestehende Möglichkeit des Online-Verfahrens hinaus. Der bis dato bestehende Medienbruch durch die elektronische Erstellung des Urkundenentwurfs und des anschließenden Ausdrucks zur Beurkundung ist in keiner Weise zeitgemäß und sollte zukünftig weitestmöglich vermieden werden. Dazu sollte im Wortlaut von § 8 II 1 BeurkG-E nach einer kurzen Übergangszeit „kann“ durch „soll“ ersetzt werden. Danach „kann“ die elektronische Niederschrift nicht nur gewählt werden, sie „soll“ es auch im Regelfall.

Zweitens: Der Entwurf will für sämtliche Verfügungen von Todes wegen keine elektronische Niederschrift zulassen. Als maßgeblicher Grund der derzeitigen Ausnahmeformulierung des § 31 BeurkG-E werden die mangelnde technische Übertragbarkeit der elektronischen Niederschrift auf die Verwahrung der papiergebundenen Urschrift und die Gefahr beliebiger Vervielfältigung angeführt; im argumentativen Zentrum stehen „technische(n) Gründe(n)“ (BT-Drs. 20/11849, S. 43). Angesichts der konzeptionellen Abkehr von der Papierform nicht nur bei Beurkundungsvorgängen, sondern in nahezu sämtlichen Lebensbereichen ist diese Lösung nicht zeitgemäß. Zwischen den Zeilen dürfte es vor allem um Umsetzungsprobleme an den Nachlassgerichten im föderalen System gehen. Aber die damit notwendige Umstellung der amtlichen Verwahrung bei den Nachlassgerichten auf ein elektronisches Dokumentenregister sollte kein entscheidendes Hindernis darstellen. Mit dem durch die Bundesnotarkammer geführten Zentralen Testamentsregister existiert bereits ein organisatorischer Rahmen, der funktionell erweitert werden könnte.

Prof. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur. ist Direktor des Instituts für das Recht der Digitalisierung (IRDi) an der Philipps-Universität Marburg und Mitherausgeber der RDi

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