Von Ministerialrat Dr. Philip Scholz, Leiter des Referats Legal Tech und Zugang zum Recht im Bundesministerium der Justiz
Die Ziele sind klar: Der Zugang zur Ziviljustiz soll einfacher, nutzerfreundlicher und digitaler werden. Durch eine Strukturierung des Prozessstoffs, eine durchgängige Digitalisierung der Verfahrensabläufe und eine stärker datenbasierte Kommunikation soll die Arbeit an den Gerichten effizienter werden, insbesondere in Massenverfahren.
Das Bundesjustizministerium hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem diese Ziele schrittweise erreicht werden
sollen. Er soll den notwendigen rechtlichen Rahmen für die Erprobung eines Online-Verfahrens als neue Verfahrensart in der Zivilgerichtsbarkeit schaffen. Bürgerinnen und Bürgern soll es ermöglicht werden, Zahlungsansprüche in bürgerlichen Streitigkeiten vor ausgewählten Amtsgerichten in einem digital geführten Gerichtsverfahren geltend zu machen. Mit der Senkung der Gerichtsgebühren wird ein wirtschaftlich attraktiver Zugang geschaffen.
Das Online-Verfahren wird durch eine digitale Klageerhebung über bundeseinheitlich bereitgestellte Eingabesysteme eröffnet. Diese unterstützen die Rechtsuchenden bei der Klageerstellung durch nutzerfreundlich und barrierefrei gestaltete Abfragedialoge. Für die Klageeinreichung wird zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt und die Anwaltschaft über die bestehende Infrastruktur des besonderen elektronischen elektronischen Anwaltspostfachs in die Erprobung einbezogen.
Im Online-Verfahren greifen prozessuale Regelungen für eine verstärkte Nutzung digitaler Kommunikationstechnik,
insbesondere erweiterte Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung, eine Ausweitung von Videoverhandlungen und Erleichterungen im Beweisverfahren. Zudem soll der Streitstoff durch elektronische Dokumente, Datensätze und Eingabesysteme digital strukturiert werden können. Vorgesehen ist auch die Festlegung technischer Standards und Dateiformate für die Datenübermittlung, was insbesondere die Bearbeitung von Massenverfahren wie Fluggastrechte erleichtern soll. Die Verkündung eines Urteils kann durch dessen Zustellung ersetzt
werden.
Neue Wege geht der Gesetzentwurf auch mit Öffnungsklauseln für eine Kommunikationsplattform: Damit soll eine neue Form der verfahrensbezogenen Kommunikation zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten ermöglicht werden, die sich von der bloßen Abbildung analoger Abläufe löst. Die Regelungen erlauben dabei eine modulare Entwicklung und Bereitstellung, um agilen und iterativen Pilotierungsprozessen Rechnung zu tragen. Dies umfasst etwa die Identifizierung und Zustellung, die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten sowie den plattformbasierten Austausch und Abruf von Daten.
Der Gesetzentwurf greift das Instrument der Reallabore auf. Für zeitlich befristete Erprobungen neuer digitaler Technologien, Kommunikationsformen und Verfahrensabläufe in der Zivilgerichtsbarkeit wird ein neues Buch 12 in der Zivilprozessordnung geschaffen. Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf zehn Jahre angelegt und soll vier und acht Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes evaluiert werden, um Erkenntnisse für eine dauerhafte Regulierung zu gewinnen.