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Bayerische Digitalinitiativen

Von Georg Eisenreich, Bayerischer Staatsminister der Justiz
Mitte Mai fand in Nürnberg die Legal Revolution statt, nach eigenen Angaben die führende Kongressmesse für Legal Tech und Compliance in Europa. Dass sie in Bayern veranstaltet wurde, ist kein Zufall. Der Freistaat möchte der deutsche Legal-Tech-Standort Nr. 1 sein. Die RDi hat den Bayerischen Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich (CSU) in Nürnberg zu aktuellen Initiativen seiner vor fünf Jahren gestarteten Digitaloffensive befragt.

RDi: Im Mittelpunkt der Legal Revolution 2024 standen die erheblichen Veränderungen des Rechtsmarkts durch generative Sprachmodelle und KI-Anwendungen. Wie beurteilen Sie die aktuellen Entwicklungen?  

Eisenreich: Wir stehen am Beginn eines neuen Zeitalters. Juristinnen und Juristen arbeiten viel mit Sprache,  deshalb berührt generative KI die juristische Welt in besonderer Weise. Das führt zu großen Chancen, aber auch zu großen Herausforderungen.

RDi: Wie sollten wir darauf reagieren?

Eisenreich: Meine Überzeugung: Wir müssen KI verstehen, nutzen, aber auch regulieren.

RDi: Sie haben vor fünf Jahren eine Digitaloffensive gestartet. Was können Sie uns über aktuelle Initiativen in diesem Rahmen berichten?

Eisenreich: Die Projekte und Maßnahmen betreffen ganz unterschiedliche Bereiche. Beispielsweise habe ich 2022 gemeinsam mit dem Innovations- und Gründerzentrum UnternehmerTUM das „Legal Tech Colab“ ins Leben gerufen – einen Inkubator und Accelerator für Legal Tech-Start-ups. Im Bereich Ausbildung können Referendarinnen und Referendare in Bayern seit Juli 2023 das neue Berufsfeld „IT-Recht und Legal Tech“ wählen. Zur Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden haben wir folgende Projekte: Die bayerische Justiz hat sich gemeinsam mit Spitzenforschern aus den Niederlanden an der Fortentwicklung des „Dark-Web-Monitor“ beteiligt – eine Art Suchmaschine für das Darknet. Inzwischen sind auch Wiener Blockchain-Spezialisten in das Projekt eingestiegen. Mit dem Analysetool GraphSense können die Ermittler besser der Spur des Geldes folgen, wenn zum Beispiel für Kinderpornographie mit Bitcoins bezahlt wird. Die Zentralstelle Cybercrime Bayern bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg führt bereits einige Strafverfahren, in denen diese Tools zum Einsatz kamen. Zudem sind wir mit österreichischen Wissenschaftlern dabei, den Fake-Shop Detector auf die besonderen Anforderungen der Strafverfolgungsbehörden zuzuschneiden und weiterzuentwickeln. 

RDi: Und im Bereich des Zivilprozesses?

Eisenreich: Das bayerische Justizministerium hat unter anderem die Entwicklung eines Projekts für eine Software zur juristischen Aktenstrukturierung initiiert und diese erfolgreich ausgeschrieben. Die Software wird Entscheiderinnen und Entscheidern als Hilfsmittel bei der juristischen Fallbearbeitung dienen. Sie wird voraussichtlich noch in diesem Jahr zur Verfügung stehen. Außerdem haben wir gemeinsam mit Niedersachsen und der Universität Regensburg einen Prototyp zur digitalen Aufbereitung des Parteivortrags entwickelt, der derzeit an mehreren Landgerichten erprobt wird. In dem Basisdokument wird der gesamte Streitstoff übersichtlich und stets aktuell abgebildet.

RDi: Widmen Sie sich auch dem wichtigen Thema Urteilsanonymisierung?

Eisenreich: Wir unterstützen ein Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, in dem ein Verfahren zur automatisierten Anonymisierung von Urteilen entwickelt wird. Ziel ist es, in geeigneten Fachbereichen eine größere Anzahl von Urteilen veröffentlichen zu können. Wir brauchen für Legal Tech- und KI-Anwendungen ausreichend Daten. Wir werden dazu einen Beitrag leisten und in den nächsten drei Jahren mindestens 50.000 Entscheidungen aus der bayerischen Justiz anonymisieren und veröffentlichen.

RDi: Nochmals zum Thema KI. Welche Projekte laufen dazu in Bayern?

Eisenreich: Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung von KI-Anwendungen für Richterinnen und Richter im Rahmen von Massenverfahren. In Dieselverfahren testen das LG München I und das LG Ingolstadt bereits KI-Anwendungen, ebenso das AG Erding – zuständig für den Flughafen München – in Fluggastrechteverfahren. Außerdem begleiten wir Grundlagenforschung im Bereich Large Language Models (LLMs): In Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalen sollen in einem Projekt Erfahrungen mit generativen Sprachmodellen für die Justiz gesammelt werden – wissenschaftlich betreut von der TU München und der Universität zu Köln.

RDi: Was ist, neben den genannten Initiativen, das Rezept für den Erfolg der Digitalisierung der Justiz?

Eisenreich: Notwendig sind hohe Investitionen. Wichtig ist zudem eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern, da die Länder für die Justiz zuständig sind und der Bund für die Gesetzgebung. Es ist aber auch eine Frage der  Haltung. Entscheidend ist, für Innovationen offen zu sein und die Digitalisierung mit Tempo voranzutreiben.

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