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„Reguliert sachte und überlegt – und im Zweifel nicht“

Von Tobias Haar, LL.M., MBA,
Derzeit laufen die Trilog-Verhandlungen über die KI-Verordnung (AI Act). Durch den Hype um ChatGPT ist zuletzt noch einige Bewegung in das Gesetzgebungsverfahren gekommen. Wie blicken diejenigen auf die ambitionierten Neuregelungen, die Künstliche Intelligenz entwickeln und anbieten? Dies haben wir den General Counsel der Aleph Alpha GmbH in Heidelberg gefragt.

RDi: Wie bewerten Sie den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens?

Haar: Es ist Druck auf dem Kessel. So könnte man bildlich die Situation dieses Trilogs zum AI Act dieser Tage umschreiben. Rechtsgeschichte schreiben soll eine wegweisende und zukunftsfeste, an EU-Werten und -Grundfreiheiten orientierte Regulierung „der“ Künstlichen Intelligenz. Gleichzeitig soll der Wirtschaftsstandort EU gestärkt werden und KI-Wertschöpfung beginnend mit KI-Basismodellen auch hierzulande „stattfinden“. Es möge sich auch der sogenannte Brussels Effect einstellen – EU-Regulierung als globaler Exportschlager. Und das alles noch vor der für Juni 2024 anzusetzenden Europawahl, aber gerne noch unter der spanischen Ratspräsidentschaft, die an Silvester 2023 endet.

RDi: Wie sehr hat aus Ihrer Sicht der Hype um ChatGPT die Verhandlungen beeinflusst?

Haar: Die KI-Verordnung dümpelte seit ihrer Vorstellung durch die EU-Kommission im April 2021 ein wenig vor sich hin. Seit das „Phänomen“ namens ChatGPT im November 2022 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, ist nichts mehr, wie es war. Schnell mussten in den Augen Einiger die antizipierten Gefahren dieser generativen KI vorsorglich in den Verordnungsentwurf eingebaut werden. Was mit heißer Nadel gestrickt wurde, fand seinen Eingang in die Parlamentsfassung vom 14.6. 2023, mit der der Trilog endgültig starten konnte.

RDi: Das Vorhaben ist sehr ambitioniert. Kann das, was die EU erreichen will, überhaupt gelingen?

Haar: Es ist wahrhaftig nicht einfach, eine gesetzliche Regelung zu erlassen, wenn einerseits generative KI (ChatGPT & Co.) für jedermann erlebbar ist, andererseits die Diskontinuität dräut. So wird intensiv über Definitionen gestritten, beginnend beim Begriff „Künstliche Intelligenz“. Man hadert also immer noch damit, was man eigentlich regulieren möchte.

RDi: Das ist in Gesetzgebungsverfahren nicht selten.

Haar: Ja, es ist zwar nicht unüblich, dass man sich oftmals zuerst auf Vorgaben und Rechtsfolgen ihrer Missachtung einigt, bevor man den Anwendungsbereich einer Regelung oder dafür relevante Definitionen festlegt. Andererseits ist dieses Vorgehen gerade im Kontext des AI Act bezeichnend. Die Trilogpartner sind sich eben auch kurz vor dem erhofften Abschluss auf sehr vielen Ebenen der Regulierung uneinig.

RDi: Was bedeutet die Neuregelung für Entwickler und Anbieter dieser Technologie?

Haar: Der Feind von Innovation und neuen Geschäftsmodellen ist die Überregulierung. Ziel aller Beteiligten am Trilog ist eine „gute Regulierung“ – im Detail heftig umstritten. Angst müssen (KI-)Unternehmen vor zu unbestimmten Rechtsbegriffen haben, die voraussichtlich an (zu) vielen Stellen im AI Act stehen werden. Neben Überregulierung ist diese drohende Rechtsunsicherheit ein erhebliches Problem, gerade für die nicht mit Milliarden ausgestatteten europäischen KI-Unternehmen.

RDi: Daraus folgen welche Forderungen an den EU-Gesetzgeber?

Haar: Das Petitum an den EU-Gesetzgeber lautet daher: Reguliert sachte und überlegt, reguliert im Zweifel nicht, bevor ihr überreguliert und reguliert dynamisch, um die rasanten Entwicklungen im KI-Bereich zunächst zu ermöglichen und bei späterem Bedarf angemessen reagieren zu können. Technischer und auch gesellschaftlicher Fortschritt ist ohne Mut schwer möglich – nicht nur unternehmerischen Mut. Und ein „Level-Playing Field“ der KI-Industrie mit der Konkurrenz aus in erster Linie den USA schaffen wir nicht, wenn regulatorische Auflagen zuviel Geld und Zeit kosten. Beides haben viele KI-Unternehmen diesseits des Atlantik nicht.

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