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KI-Regulierung in China – mehr traditionelles „fair use“

Von Prof. Dr. Ge Jiang, Associate Professorin, Tsinghua Universität, Beijing
Chinesische Behörden haben großes Interesse an der Regulierung von Künstlicher Intelligenz („KI“). Insbesondere mit generativer KI haben sie sich bereits intensiv beschäftigt. Im Juli 2023 haben sieben Ministerien vorläufige Verwaltungsvorschriften über Dienstleistungen generativer KI veröffentlicht. Schaut man auf die Überschriften der Vorschriften, hat man das Gefühl, dass umfangreiche neue Regelungen für die Regulierung generativer KI in Gang gesetzt worden sind.

Ist dies wirklich so? Mindestens aus einer für generative KI bedeutsamen Perspektive lautet die Antwort: „Nein“. Diese Perspektive ist die urheberrechtliche Verletzung bei der Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials während der Trainings. § 7 der Verwaltungsvorschriften regelt, dass „der generative KI-Dienstleister die Data-Training-Tätigkeiten wie z.B. Pre- Training oder Optimazation-Training rechtsgemäß durchführen muss und (…) die geistigen Eigentumsrechte Anderer nicht verletzen darf“. Offensichtlich steht die urheberrechtliche Frage im Fokus dieser Vorschrift. Sie ist aber so vage formuliert, dass sie nicht einmal in der Lage ist, als Basis für weitere Gesetzgebung oder gerichtliche Entwicklung zu dienen.

Man muss wieder an traditionelle urheberrechtliche „fair use“-Regelungen anknüpfen. Nach dem chinesischen Urheberrechtsgesetz ist eine Nutzung wie etwa die Vervielfältigung zwar prima facie nicht erlaubt, mit der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen wird die Nutzung aber als „fair use“ behandelt und führt weder zu Unterlassung noch Schadensersatz. Um als „fair use“ behandelt zu werden, muss die Nutzung entweder zu den zwölf aufgelisteten „fair use“-Nutzungsarten zählen oder „von sonstigen Gesetzen oder verwaltungsrechtlichen Vorschriften“ als „fair use“ festgelegt werden. Die zwölf Nutzungsarten werden so genau formuliert, dass keine Flexibilität besteht, die Nutzung von einer Rechtsverletzungshaftung zu befreien. Außerdem gibt es momentan keine „sonstigen Gesetze oder verwaltungsrechtlichen Vorschriften“, die weitere „fair use“-Nutzungsarten vorschreiben. Daher ist es es zurzeit nicht möglich, „data mining“ oder „machine learning“ als „fair use“ zu einzuordnen, wenn der Richter sich an den Gesetzestext hält. Ausnahmen könnte es indes geben, einzelne Urteile haben bereits nicht aufgelistete Nutzungsarten als „fair use“ akzeptiert, etwa die sogenannten Google-Books- Urteile.

Sich auf Ausnahmen zu verlassen, ist aber keine optimale Lösung für eine boomende Industrie. Für die Entwicklung der KI-Branche, auf der in China viel Hoffnung ruht, werden gerichtliche Ausnahmen nicht ausreichen. Es wird ständig empfohlen, neue „fair use“-Regelung auf der gesetzgeberischen Ebene einzuführen. KI mag bahnbrechend sein. Die Grundsätze ihrer Interesseabwägung aber nicht. Egal wie viele Behörden Interesse an ihre Regulierung zeigen, die vielversprechendsten Lösungen findet man meistens doch in den traditionellen Regelungen.

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