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Mehrwerte durch Legal Tech

Von Alisha Andert,
Legal Tech ist heute keine Innovation mehr, sondern als Thema allgemein bekannt und in der Praxis etabliert. Aus Anlass des Legal Tech Day, den der Legal Tech Verband heuer zum zweiten Mal veranstaltet, haben wir dessen Vorstandsvorsitzende Alisha Andert nach dem aktuellen Stand der Dinge gefragt.

RDi: Wie etabliert ist Legal Tech inzwischen in der juristischen Praxis?

Andert: Da gibt es tatsächlich große Unterschiede: Es gibt sowohl Rechtsabteilungen als auch Kanzleien, die da schon sehr weit sind, zum Beispiel weil sie mit Massenverfahren zu tun haben. Gleichzeitig gibt es aber auch viele, gerade kleinere Kanzleien, die vielleicht bisher allenfalls eine digitale Akte eingeführt haben. Was wir aber in den letzten Jahren gerade auf dem Kanzleimarkt gesehen haben ist, dass Legal Tech immer wichtiger und von den Mandanten auch eingefordert wird. Spiegelbildlich interessieren sich die Rechtsabteilungen sehr für dieses Thema, weil sie nicht auf billables basiert arbeiten und daher tendenziell Interesse daran haben, effizienter zu arbeiten und dabei spielen digitale Lösungen eine ganz wesentliche Rolle. Das heißt, gerade die Rechtsabteilungen sind bei dem Thema sehr stark auf dem Vormarsch und nutzen digitale Lösungen schon, etwa um Anfragen besser strukturieren können, Rechnungen – auch von Kanzleien – zu überprüfen und Verträge digital zu signieren.

RDi: Wo liegen die Schwerpunkte beim Einsatz von Legal Tech? 

Andert: Wenn wir über Software-Lösungen sprechen, liegt ein Schwerpunkt nach wie vor auf der Automatisierung von Dokumenten, denn typische juristische Arbeit besteht ja nun mal darin, Schriftsätze, Verträge oder andere Formen von Dokumenten aufzusetzen. Kanzleien können dadurch die Produkte gegenüber den Mandanten effizienter gestalten und eine gleichbleibende Qualität sichern. Bei den Rechtsabteilungen ist das Contracting ein großer Schwerpunkt, man spricht dort von Contract Lifecycle Management, wenn es darum geht, einen Unternehmens-Standard zu haben und Verträge effizienter zu erstellen. Neben der Erstellung werden mittlerweile auch bei der Verwaltung von Verträgen große Vertragsmanagement-Tools eingesetzt. Ein weiterer großer, für alle Rechtsabteilungen relevanter Bereich ist die digitale Signatur. Sie gehört zu den Tools, an die man bei Legal Tech am wenigsten denkt, die aber vielleicht mit am weitesten verbreitet ist. Und gerade bei Rechtsabteilungen ist Matter Management ein großes Thema, also Anfragen aus dem Unternehmen strukturierter abbilden zu können. Bei Kanzleien ist das spiegelbildlich so etwas wie die digitale Akte und dort das auch am weitesten verbreitete Legal-Tech-Tool.

RDi: Welche Anwendungen haben aus Ihrer Sicht besonders viel Potenzial?

Andert: Das kommt darauf an, wo der eigene Schwerpunkt liegt. Generell ist die digitale Aktenverwaltung fast ein no brainer, sowohl in Kanzleien als auch in Rechtsabteilungen. Sie sollte heutzutage die Baseline sein. Ansonsten haben digitale Signaturen mit den größten Impact, auch weil sie so eine low hanging fruit sind. Aber noch spannender ist, wenn Wissen von Anwälten in Tools hineinwandert. Das ist der Fall, wenn juristische Arbeitsprodukte von Tech-Lösungen mitgestaltet werden. Hier geht es nicht mehr nur um Prozesseffizienzen, sondern zum Beispiel darum, dass neues Wissen etwa in die Vertragsgestaltung einfließt. Dass man, wenn der BGH eine neue Entscheidung fällt, auf Knopfdruck sagen kann, welche Implikationen sie für bestimmte Fälle hat, die Vertragstemplates anpasst und die Mandanten davon profitieren, dass man an einer Stelle neues Wissen eingetragen hat. Das sind Mehrwerte, die man nur über Automations- und Knowledge-Management-Tools erreichen kann. Deswegen seheich da perspektivisch die größere Innovationskraft.

RDi: Wie beurteilt der Verband den Hype um KI und die weitere Entwicklung im Rechtsmarkt?

Andert: Wir sehen gerade, dass KI und alles das, was da in einem rasanten Tempo entsteht, einen riesigen Einfluss haben und vor allem schon existierende Legal-Tech-Produkte noch einmal wesentlich besser machen kann. Jetzt kommt es vor allem darauf an, nicht den Anschluss zu verlieren, sondern es als Chance zu betrachten, dass mit KI perspektivisch Dinge möglich sein werden, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Damit wir davon zukünftig profitieren können, sollten wir heute unsere Hausaufgaben machen. Dazu gehört, Prozesse digital zu denken oder zu digitalisieren. Hierfür ist es wichtig, Daten strukturiert zu sammeln, so dass man mit ihnen perspektivisch KI-Tools füttern kann. Wir empfehlen auch jedem, schon bekannte Themen, zum Beispiel die rechtlichen Implikationen von bereits genutzten KI-Anwendungen wie ChatGPT oder DeepL, im Blick zu haben, aber auch sich mit den Möglichkeiten, etwa was das Prompting angeht, vertraut zu machen, damit man nicht in ein paar Jahren dasteht und nicht weiß, wo man anfangen soll.

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