Von Prof. Dr. Matthias Lehmann, Universität Wien/University Nijmegen
Derzeit findet ein Wettbewerb der Staaten um das kryptofreundlichste Privatrecht statt. Liechtenstein liegt weit vorn, dicht auf den Fersen folgt die Schweiz; auch Common-Law-Jurisdiktionen wie Singapur oder das Vereinigte Königreich belegen vordere Plätze. Nun hat sich UNIDROIT, das Institut zur Vereinheitlichung des Privatrechts mit Sitz in Rom, zu Wort gemeldet. Im Mai dieses Jahres hat es die „Principles on Digital Assets and Private Law“ verabschiedet. Darin empfiehlt es den Staaten die Übernahme bestimmter Grundsätze für digitale Werte in ihr nationales Privatrecht.
Dazu gehören: die Anerkennung von Eigentumsrechten an digitalen Werten, der Schutz des gutgläubigen Erwerbs, einheitliche Kollisionsnormen sowie Regelungen über die Verwahrung und die Bestellung von Sicherheiten an digitalen Werten. Dabei gehen die UNIDROIT Principles zum Teil neue Wege; zB räumen sie der „Kontrolle“ (control) über den digitalen Wert eine dem Besitz an körperlichen Gegenständen vergleichbare Rolle ein.
Gemessen daran besteht im deutschen Privatrecht Reformbedarf. Bekanntlich hat das BGB ein Problem mit Eigentumsrechten an unkörperlichen Gegenständen. Das eWpG hat diese Situation nur für einige wenige Finanzprodukte (Schuldverschreibungen, Pfandbriefe und Investmentanteile) verbessert. Das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz soll dessen Anwendungsbereich auch auf Aktien erstrecken. Dennoch bleiben die Regeln des eWpG hinter den Empfehlungen von UNIDROIT zurück; sie regeln etwa die Bestellung von Sicherheiten nicht.
Noch düsterer sieht es bei den anderen Kryptowerten aus, die keine elektronischen Wertpapiere im Sinne des eWpG sind, zB Bitcoin und andere Kryptowährungen. Bislang fehlen privatrechtliche Vorschriften, die Berechtigungen an diesen schützen. Die zahlreichen Personen, die in solche Werte investiert haben, wären daher rechtlos gestellt, soweit deutsches Recht Anwendung findet.
Dies soll das Zukunftsfinanzierungsgesetz ändern. Dieses wird eine Vorschrift in das KWG einführen, nach der verwahrte Kryptowerte im Fall der Insolvenz des Verwahrers „als dem Kunden gehörig“ gelten (§ 46i I KWG-E). Damit soll die Verwahrung rechtssicher werden.
Das allein kann allerdings nur ein erster Schritt sein, denn der bisherige Gesetzentwurf lässt noch viele Fragen offen. So ist die Rechtsnatur der Position des Kunden sehr unklar beschrieben – welches Recht erlangt er? Außerdem fehlt es an einer Regelung darüber, wie der Verwahrer die Krpyptowerte für den Kunden erwirbt, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen – ob zB ein gutgläubiger Erwerb möglich ist oder nicht – , in welchem Zeitpunkt der Erwerb vollendet ist und wie beschränkt dingliche Rechte an den Werten bestellt werden können.
Hier sind kreative Lösungen gefragt. Das bürgerliche Recht muss an die neue Realität digitaler Vermögenswerte angepasst werden. Dazu bedarf es der Anstrengung der gesamten deutschen Privatrechtswissenschaft.