Von Prof. Dr. Florian Möslein, LL.M. (London), Dipl.-Kfm., und Prof. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur., Direktoren des Instituts für das Recht der Digitalisierung (IRDi) an der Universität Marburg sowie Mitherausgeber der RDi
Der Referentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG), der seit dem 12. April 2023 vorliegt, will die Digitalisierung am Kapitalmarkt vorantreiben, indem das bestehende eWpG um Aktien erweitert wird. Bis Jahresende soll die elektronische Aktie im Bundesgesetzblatt stehen. Eine Eintragung in ein Kryptowertpapierregister soll allerdings Namensaktien vorbehalten bleiben; entmaterialisierte Inhaberaktien wären nur als Zentralregisterwertpapier zulässig. Der Entwurf stützt diese Abstufung primär auf geldwäscherechtliche Bedenken, die technisch jedoch überwindbar sind und daher vielfach kritisiert werden. Diese praxisrelevante Einschränkung sollte im Gesetzgebungsverfahren noch beseitigt werden.
Dass die (dingliche) Tokenisierung einer gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft durch das ZuFinG erstmals ermöglicht wird, ist ohne Zweifel ein wegweisender, gewichtiger Schritt für den Innovations-, Finanz- und Rechtsstandort: Aktien können künftig in Blockchain-Token wertpapierrechtlich verbrieft werden. Der Fokus des RefE liegt eindeutig auf dem Wertpapier-, nicht auf dem Gesellschaftsrecht (und auch nicht auf dem – unionsrechtlich geprägten – Kapitalmarktrecht). Das Aktienrecht soll nur punktuelle Anpassungen in §§ 10, 13, 67 AktG erfahren. Ganz im Vordergrund steht die Kodifizierung im eWpG: Auch die elektronische Aktie wird als Wertpapier ohne Papier konzipiert.
In die Freude über den Verzicht auf die körperliche Aktienurkunde, die gerade in Form der Sammelurkunde in der Rechtswirklichkeit ungeachtet der sachenrechtlichen Dogmatik nahezu funktionslos und zur sprichwörtlichen „gedankliche[n] Krücke“ verkommen ist, mischen sich ernüchternde Aspekte. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive erscheint einerseits die Beschränkung auf Aktien zumindest mittelfristig fragwürdig, da sich insbesondere auch die GmbH trotz geschlossenen Gesellschafterkreises und geringerer Verkehrsfähigkeit ihrer Geschäftsanteile für eine Tokenisierung eignet. Ein wertpapierrechtlicher Regelungsansatz droht vergleichbare, nicht verbriefte Anteile aus dem Blick zu verlieren. Angesichts seiner gesellschaftsrechtlichen Minimalität verzichtet der Entwurf andererseits auf die vollständige Tokenisierung selbst der aktienrechtlichen Mitgliedschaft. Dabei stünden sowohl Vermögensrechte (Gewinnbezugsrecht, Bezugsrecht auf junge Aktien) als auch Verwaltungsrechte (Stimmrecht, Auskunftsrecht) für die Einbeziehung in ein umfassendes Ökosystem der tokenisierten Mitgliedschaft offen. „Komplexe gesellschaftsrechtliche Fragen“ sollten für den Gesetzgeber Ansporn, nicht Hinderungsgrund sein, passgenaue Lösungsangebote zu machen (idS jedoch RefE, S. 92). Muss das Effizienzsteigerungspotenzial der Blockchain-Technologie ansonsten teils ungenutzt bleiben, drohen unregulierte Governance-Token der elektronischen Aktie perspektivisch den Rang abzulaufen.