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Aufseher mit Digitalkompetenz

Von Margret Suckale,
Welchen Stellenwert hat die digitale Transformation für die Aufsichtsräte? Und welche Bedeutung hat etwa KI für die Kontrolltätigkeit? Fragen an die Juristin und Multiaufsichtsrätin Margret Suckale.

RDi: Welche Rolle spielen digitale  Technologien in Ihrer  Aufsichtsratstätigkeit?

Suckale: Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind die beiden  wichtigsten Megatrends. Unternehmen und Märkte  verändern sich so rasant wie nie zuvor. Daher spielen digitale  Technologien einschließlich Cloudservices, Big Data,  Virtual Reality und künstliche Intelligenz auch in der Aufsichtsratsarbeit  eine große Rolle. Das beginnt bei der Erarbeitung  einer Digitalstrategie als Teil der Unternehmensstrategie  und reicht bis zur Frage, welche Re-Skilling Programme  ein Unternehmen nutzen kann, um Mitarbeiter  für die neuen Anforderungen fit zu machen.

RDi: Spielen digitale Technologien lediglich als Gegenstand  Ihrer Überwachungsaufgabe eine  Rolle oder werden sie auch als Instrument der  Überwachung genutzt?

Suckale: Die Digitalisierung hilft uns in vielen Bereichen.  Nehmen Sie als Beispiel das interne Kontrollsystem oder  das Risikomanagement. Die Überwachung der Wirksamkeit  dieser Systeme gehört zu den Pflichten des Aufsichtsrats  bzw. des Prüfungsausschusses. Mit Hilfe von Datenanalyse-  Tools können Risiken heute viel früher identifiziert  und überwacht werden.  Ein weiteres Beispiel ist die Nachverfolgung von Lieferketten,  die jetzt im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes  eine besondere Bedeutung bekommt.  Viele Firmen haben tausende von Zulieferern und können  die Lieferwege nur mit entsprechender maschineller Intelligenz  nachverfolgen.  Aber es geht ja nicht nur um Überwachung, sondern  genauso darum, die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen  zu sichern. Gerade beim wichtigen Thema der Nachhaltigkeit  können Einsparungen bei Energie, Wasser und Rohstoffen  durch eine dynamische KI-Steuerung erreicht werden.

RDi: Sehen Sie Bedarf für Organmitglieder mit spezifischen Digitalkompetenzen und entsprechendem  Ressortzuschnitt, sei es auf Ebene des Vorstands  („Chief Digital Officer“) oder auf Ebene des Aufsichtsrats?

Suckale: Ein eigenes Vorstandsressort für Digitalisierung  ist oft sinnvoll, hängt aber vom jeweiligen Unternehmen,  dem Geschäftsmodell und der Branche ab. Auf jeden Fall  müssen die Verantwortlichkeiten klar geregelt sein. In den  Unternehmen, die ich im Aufsichtsrat begleite, gibt es entsprechende  Zuständigkeiten auf Vorstandsebene. Das hat  sich sehr bewährt. Der CDO ist damit natürlich nicht der  alleinige Wegbereiter der Digitalisierung, da alle Unternehmensbereiche  von dieser rasanten Transformation betroffen  sind. Je mehr digitales Know-how daher auch bei den  Vorstandskolleginnen und -kollegen vorhanden ist bzw.  erworben wird, umso besser.  Dasselbe gilt auch für die Mitglieder des Aufsichtsrates.  Auch hier reicht es nicht, den einen Digitalexperten in  den Aufsichtsrat zu holen. Vielmehr ist es wichtig, dass  möglichst viele Aufsichtsräte ihre digital literacy, also die  Fähigkeit, Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung  zu erkennen, erweitern. Die Unternehmen, die ich näher  kenne, bieten dem Aufsichtsrat zu diesem Thema regelmäßig  Fortbildungen mit Experten an und geben dem  Thema genügend Raum in den Diskussionen.  Bei der Telekom haben wir einen Technologie- und Innovationsausschuss,  in dem wir regelmäßig mit der zuständigen  Vorständin, Claudia Nemat, und ihrem Team  neue Entwicklungen in der KI und der Digitalisierung diskutieren.

RDi: In der Deutschen Telekom AG gelten seit April 2018 Leitlinien für den Umgang mit KI. Ist es sinnvoll,  dass einzelne Unternehmen solche selbstbindenden  Leitlinien entwickeln, oder sollte nicht der  Deutsche Corporate Governance Kodex um Regeln  zur unternehmerischen Digitalverantwortung ergänzt  werden?

Suckale: Leider sehen wir in Deutschland vor allem die Risiken der KI, die Verdrängung des Menschen durch die  Maschine und den damit möglicherweise verbundenen Arbeitsplatzverlust.  Eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe  ist es daher, Vertrauen in die KI aufzubauen und die Chancen  aufzuzeigen. Sorgen kann man nur mit Ehrlichkeit und  Transparenz begegnen, daher ist eine dokumentierte Entscheidung  für ein ethisch nachhaltiges und verantwortliches  Handeln im Rahmen der digitalen Transformation  nicht nur ein starkes Zeichen, sondern auch eine Verpflichtung,  an der sich ein Unternehmen messen lassen will. Der  Grundgedanke ist dabei, dass die Digitalisierung dem  Menschen dienen muss, nicht umgekehrt. Die Telekom  spricht hier von einer „Human-Centered Technology“.

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