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Vom Datenschutz zum Datenschatz?

Von Prof. Dr. Steffen Augsberg, Leiter der Professur für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig Universität Gießen und Mitglied des Deutschen Ethikrates
Steht auch für den Bereich Datennutzung/Datenökonomie eine „Zeitenwende“ an? Manches spricht dafür. Mit der Datenschutzgrundverordnung war es gelungen, dem gerade in Deutschland wichtigen und stark emotional besetzten – und bisweilen, etwa im Kontext der Corona-Pandemie, als sakrosankt behandelten – Thema Datenschutz auch auf der europäischen Ebene noch größere Relevanz zu verschaffen. In der Folge mussten insbesondere Unternehmen und Behörden zahlreiche kostenintensive Anpassungen vornehmen – ob und inwieweit das am Gesamtaufwand gemessen sinnvolle Maßnahmen waren, ist angesichts weiterhin bestehender bedenklicher Geschäftspraktiken zumindest zweifelhaft.
Foto_Editorial_RDi_10_2022_Augsberg_mit_BildnachweisVon Anfang an wurde zudem kritisiert, die DS-GVO perpetuiere herkömmliche datenschutzrechtliche Prinzipien, namentlich den Grundsatz der engen Zweckbindung und der Datensparsamkeit, obwohl es angesichts der veränderten Bedingungen einer „Big-Data-Welt“ nicht nur ineffektiv, sondern potenziell paralysierend und kontraproduktiv sei, diese weiterhin und weitgehend unverändert heranzuziehen. Im Nachhinein könnte die DS-GVO indes als eine Art letztes Aufbäumen einer traditionellen Datenschutzperspektive erscheinen. Denn zumal auf der unionalen Ebene sind nachfolgend Rechtsakte und Initiativen zu beobachten, deren Fokus nicht so sehr auf den von Datennutzung ausgehenden Gefahren, sondern auf ihrem ökonomischen und sozialen Potenzial liegt. Sowohl die neuen Regelungen zur KI als auch und insbesondere der Data Governance Act betonen mehr die Möglichkeiten als die Herausforderungen einer neuen Datenwirtschaft. Ähnliches gilt bereichsbezogen für ambitionierte Projekte wie den einheitlichen European Health Data Space.

In diese stärker chancenorientierte Richtung lässt sich auch die kürzlich vorgestellte „Digitalstrategie Deutschland“ einordnen. Sie liest sich in weiten Teilen wie ein digitales Wünsch-Dir-was und muss selbstredend als politisches Statement und nicht als konkretes Rechtsdokument verstanden werden. Gleichwohl fällt auf, wie sehr gerade im Bereich der Daten deren produktives Integrations- und Innovationspotenzial in den Vordergrund gerückt wird. So werden beispielsweise die bei Behörden vorhandenen Daten – über die bestehenden informations(weiterverwendungs)rechtlichen Vorgaben hinausgehend – im Sinne eines umfassenden, als Rechtsanspruch verstandenen Open-Data-Konzepts imaginiert. Daten sollen zudem nicht länger auf „einzelnen einsamen Dateninseln“ verbleiben, sondern auf Basis einer entsprechenden Nutzungsstrategie standardisiert und miteinander verbunden werden. Praktisch bedeutsam dürfte dabei insbesondere die Weiterentwicklung von Gaia-X werden, aber auch die rechtliche Ausgestaltung im unionalen Data Act und einem angekündigten nationalen „Datengesetz“. Inwieweit sich diese hehren Absichten praktisch umsetzen lassen, bleibt abzuwarten. Manches stimmt skeptisch, etwa der optimistische Verweis auf Projekte wie die elektronische Patientenakte. Jedenfalls aber dürften die anstehenden Veränderungen – gerade auch in ihrem Verhältnis zum klassischen Datenschutz – noch zahlreiche spannende juristische Fragen aufwerfen.

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