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Colab für den Rechtsmarkt

Von Dr. Stefan Blenk,

Kürzlich wurde in München das Legal Tech Colab gegründet, ein Inkubator für Legal-Tech-Start-ups von UnternehmerTUM und TUM Venture Labs. Die Initiative stammt vom bayerischen Justizministerium, das das Colab auch finanziell unterstützt. Fragen an den Managing Director Rechtsanwalt Dr. Stefan Blenk.

Foto_Interview_RDi_09_2022_Stefan_Blenk_WEBRDi: Warum braucht es das Legal Tech Colab? Oder anders gefragt: Welche Idee steckt hinter der Gründung?

Blenk: Der Rechtsmarkt kämpft weltweit mit wachsender Komplexität und steigendem Kostendruck. Für die künftige Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit ist die Digitalisierung des Rechtssystems deshalb entscheidend. Trotzdem ist „Legal Tech“ für viele in Deutschland noch ausschließlich Synonym für Inkasso-Unternehmen, die dank digitaler interner Prozesse erstmals betriebswirtschaftlich tragfähig niedrige Forderungen für Verbraucher durchsetzen. Im Vergleich zu anderen Branchen wie Healthcare oder Automotive gibt es bislang zu wenige international skalierbare, technologieorientierte und kommerziell erfolgreiche Legal-Tech-Start-ups aus Deutschland. Ein Grund für die bisher nur mäßige digitale Durchdringung der Juristerei liegt an der juristischen Arbeit. Sie folgt zwar einer logischen Methodik, die eine maschinelle Übersetzung erlauben würde. Diese wird aber in natürlicher Sprache abgebildet, die eine breitflächige Digitalisierung sowohl durch Expertensysteme als auch durch KI komplex macht. Mit den neuerlichen Technologiesprüngen in den Bereichen Data Science und Natural Language Processing steigen allerdings die Chancen für skalierbare technologiebasierte Innovationen auch in diesem Kernbereich der juristischen Domäne drastisch. Ein weiteres Problem speziell für deutsche Legal-Tech-Start-ups ist der fehlende Zugang zu grundlegenden Ressourcen für eine erfolgreiche Gründung. Dazu gehört der Austausch mit anderen Start-ups, Know-how über unternehmerisches Handeln, Kontakte zu Venture Capital und auch der Zugang zu ausreichend Daten (vor allem Urteilen). Wir sind überzeugt, dass wir als Legal Tech Colab den Entrepreneuren diesen Zugang verschaffen und ihnen ein optimales Umfeld bieten können, um ihre innovativen Ideen in skalierbare Geschäftssysteme umzusetzen und damit Europa auf der Landkarte der Legal-Tech-Start-ups auf eine Stufe mit den USA zu heben.

RDi: Wie genau unterstützt das Legal Tech Colab die Start-ups?

Blenk: Das Programm ist ganzheitlich und auf die jeweiligen Bedürfnisse der Gründungsteams angelegt. Von der Entwicklung eines Prototypen, Matching mit passenden Co-Gründerinnen und -Gründern, bis hin zur Skalierung des Start-ups mit Venture Capital – die Gründenden profitieren von dem Know-how aus 20 Jahren Entrepreneurship- und Tech-Förderung von UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung der Technischen Universität München. Zudem erhalten die geförderten Start-ups ein Stipendium, Arbeitsplätze im Gründungszentrum Munich Urban Colab im Herzen von München sowie Zugriff auf eine NLP-basierte Legal Tech Computing Plattform. In Netzwerkveranstaltungen bringen wir die Legal-Techs mit Start-ups verschiedener Branchen aus dem Ökosystem von UnternehmerTUM und TUM Venture Labs zusammen und stellen ihnen Mentorinnen und Mentoren aus Großkanzleien oder Unternehmen an die Seite. Ergänzend bauen wir für die Start-ups ein Ökosystem auf, in dem sich die unterschiedlichen Akteure aus Legal-Tech-Expertinnen und Experten, Großkanzleien, Justiz, Behörden, Unternehmen und Wissenschaft mit ihren Stärken ergänzen.

RDi: Ihr Angebot wendet sich an „Deep-Tech-Start-ups“ also disruptive Angebote. Was verstehen Sie im Zusammenhang mit Legal Tech darunter? Und: Dürfen wir erwarten, dass aus Bayern zukünftig Umstürze im Rechtsmarkt kommen?

Blenk: Unsere Start-ups möchten den Rechtsmarkt gar nicht umstürzen, sondern wie in anderen Branchen auch mit modernster Technologie auf eine neue Stufe heben. Im Kern geht es darum, ineffiziente, fehleranfällige oder repetitive Abläufe digital abzubilden und sinnvoll zu automatisieren. Deshalb fördern wir Start-ups, die für die Rechtsbranche geeignete Deep-Tech-Lösungen wie die neuesten Entwicklungsstufen im Natural Language Processing (GPT-3), die Blockchain oder etwa aktuelle Erkenntnisse der Data Science nicht nur als Buzzword sehen, sondern als Kern ihres Geschäftsmodells nutzen.

RDi: Ist das Colab denn nur etwas für „Deep-Techies“ oder auch etwa für Anwälte, Unternehmensjuristen, Richter, also den klassischen Rechtsdienstleistungssektor?

Blenk: Das Legal Tech Colab ist für jede und jeden mit Interesse an Digitalisierung und Technologie im Rechtswesen. Dazu gehören neben den Techies und Entrepreneuren gerade „klassische“ Juristinnen und Juristen, die ihr Praxiswissen einbringen können. Die besten Ideen entstehen ohnehin meist dann, wenn Teams mit unterschiedlichen Skills zusammenkommen.

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