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Im Metaversum

Von Dr. Jonas Jacobsen, Rechtsanwalt bei HK2 Rechtsanwälte, Berlin
Die Verschmelzung von realer und digitaler Welt ist eine große Vision. Wie genau die virtuelle Parallelwelt aussehen wird, ist zwar noch nicht ausgemacht. Aber eines scheint klar zu sein: Dass sie eine Vielzahl von rechtlichen Fragen aufwerfen wird. Dementsprechend hat die juristische Diskussion bereits begonnen. Wir haben mit Rechtsanwalt Dr. Jonas Jacobsen über das Metaversum gesprochen.
Foto_Interview_RDi_06_2022_Jonas_Jacobsen_WEBRDi: Welches Recht gilt im Metaversum?

Jacobsen: Das ist natürlich eine der entscheidenden Fragen, die man sich stellen muss. Sie lässt sich abstrakt aber sicherlich nicht zufriedenstellend und seriös beantworten. Am Ende des Tages muss man hier mit ganz normalen, althergebrachten Methoden rangehen. Im Datenschutzrecht würde man etwa mit dem Niederlassungsprinzip den jeweils verantwortlichen Akteur anschauen. Hat der seinen Sitz in der EU, dann wären wir im Rechtsregime der DS-GVO, die aber genauso Anwendung findet auf Akteure, die außerhalb der EU ihren Sitz haben und ihre Dienstleistung Personen anbieten, die regelmäßig ihren Aufenthalt in der EU haben. Ähnlich etwa im gewerblichen Rechtsschutz mit dem Marktortprinzip. Also: Die Frage ist für jedes Rechtsgebiet einzeln zu erörtern und vor allem auch unabhängig vom Metaversum selbst. Die Antwort richtet sich letztlich nach dem Handelnden, also etwa dem Unternehmen. Das ist ein großes Problemfeld, weil das Metaversum sicherlich ein kollaboratives Projekt von vielen verschiedenen international agierenden Unternehmen ist.

RDi: Was müssen Unternehmen beim Handel mit virtuellen Gütern und Dienstleistungen beachten?

Jacobsen: Grundsätzlich ist es wichtig zu sagen, dass das Metaversum selbst kein völlig neuer Raum ist. Sondern die wahrscheinlichste These derzeit ist sicherlich, dass das Metaversum ein nächster Evolutionsschritt des Internets, wie wir es jetzt kennen, sein wird. Nehmen wir etwa das Internet of Things. Hier wird die Verknüpfung von Online- und Offline-Welten höchstwahrscheinlich noch viel weiter voranschreiten als jetzt schon, zum Beispiel über Augmented- Reality- oder komplette VR-Brillen als weitere Schnittstellen. Hält man das für realistisch, dann wird jede Form von digitalen Produkten eine höhere Relevanz bekommen, sei es so etwas wie ein E-Book, das Sie sich auf Ihrem Schreibtisch anzeigen lassen können. Aber grundsätzlich funktioniert der Kauf solcher digitalen Güter nach ganz normalen zivilrechtlichen Normen. Da gibt es auf rechtlicher Seite per se keine Besonderheit.

RDi: Aber was bzw. welche Rechte erwerben Nutzer beim Kauf digitaler Gegenstände?

Jacobsen: Es ist ja jetzt erst einmal nichts Neues, dass man immaterielle Werte erwerben kann. Das ist so, wie wenn Sie ein Videospiel kaufen oder eine MP3-Datei. Speziell hinsichtlich Non-Fungible Token (NFT) gilt aber: NFTs sind nicht austauschbar, weil der Token quasi ein bestimmtes Bild ist oder ein anderes immaterielles Gut. Anders der Krypto-Coin, der ist immer einen Euro oder einen Bitcoin wert, ganz gleich wo er auf der Blockchain liegt. Hinsichtlich der NFTs wird zivilrechtlich heiß die Frage der Eigentumsübertragung diskutiert, also was Sie verfügen. Ist das der Token und dann das etwa auf dem Token gespeicherte Bild? Hierfür gibt es bislang keine Lösung, weil der Gesetzgeber diese Zuordnung nicht vorsieht. Das Problem gilt es aber definitiv zu lösen, wenn Sie unter Zugrundelegung dieser Technik etwa verlässlich Grundstücke mit hohem Wert verkaufen wollen.

RDi: Neben dem Datenschutz ist IT-Sicherheit ein großes Thema. Was sind hier die wichtigsten Felder?

Jacobsen: Sie brauchen im Metaversum eine verlässliche IT-Infrastruktur, die die Integrität der Daten, die etwa während eines Aufenthalts dort entstehen, gewährleistet. Das ist meines Erachtens vor dem Hintergrund zunehmender Cyberangriffe ein wesentliches Element, um Vertrauen zu schaffen, vor allem auch seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Und das geht letztlich fließend über in den Bereich des Datenschutzrechts, wo Sie regulatorisch angeordnet angemessene technische und organisatorische Maßnahmen treffen müssen, wenn Sie personenbezogene Daten verarbeiten, was fast nicht anders denkbar ist. Eine andere spannende Frage etwa ist – wenn man davon ausgeht, dass die Blockchain-Technologie eine prägende Rolle spielen wird – die nach dem Recht auf Löschung. Die Blockchain zeichnet sich ja dadurch aus, dass sie unveränderbar ist. Das führt zu einer hohen Verlässlichkeit, steht aber im völligen Widerspruch zu dem Anspruch von betroffenen Personen auf Löschung. Ein Ansatz kommt zum Beispiel von der französischen Aufsichtsbehörde CNIL. Danach sollen nur verschlüsselte Daten in der Blockchain abgelegt und im Fall eines Löschungsanspruchs soll der Schlüssel, der sie entschlüsseln könnte, gelöscht werden – und ist nicht quasi die Verunmöglichung des Zugangs gleichzusetzen mit der Löschung? Das ist beispielsweise ein Lösungsansatz für eine entscheidende Frage.

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