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Abschied vom Wilden Westen

Von Daniel Kremerov, Product Manager und Co-Founder der Softwareentwicklungsfirma Sidestream GmbH, Köln
Decentralized Autonomous Organizations (DAOs) sind Organisationen, die auf Blockchains basieren. Sie werden durch Smart Contracts ausgestaltet, also Computerprogramme, die festlegen, was DAOs können, wie sie Entscheidungen treffen und wie ihr Vermögen verwaltet wird. Die Entscheidungen treffen die Mitglieder der DAOs. Sie leiten ihre Mitgliedschaft von Tokens ab, die sie besitzen. Ein prominentes Beispiel für eine DAO ist MakerDAO. Sie wird durch Inhaber der sogenannten MKR-Token gesteuert. Der Software-Entrepeneur Daniel Kremerov arbeitet mit MakerDAO.
Foto_Interview_RDi_05_2022_Daniel_Kemerov_WEBRDi: Wie entscheidet und handelt eine DAO?

Kremerov: Um das am Beispiel MakerDAO zu veranschaulichen: Im Maker Forum kann jeder einen Antrag stellen, beispielsweise um eine neue Abteilung (Core-Unit genannt) ins Leben zu rufen oder eine neue Wachstumsstrategie zu verfolgen. Diese Anträge nennen sich Maker Improvement Proposals (MIP) und folgen einem bestimmten Format. Anschließend kann im Forum ganz öffentlich über den Vorschlag diskutiert werden. Am Ende können alle Besitzer von MKR-Token über den Antrag abstimmen und dieser wird im Anschluss umgesetzt.

RDi: Klingt wie eine Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft?

Kremerov: Ja, aber mit einigen Vorteilen. Die Abstimmungen finden viel häufiger statt. Jeder kann selbst abstimmen oder an einen Abgeordneten delegieren. Auf der Ethereum Blockchain ist vollständig transparent und fälschungssicher zu sehen, wer für welche Position gestimmt hat. Wenn der Abgeordnete nicht so abstimmt, wie man gehofft hat, kann man seine Stimmen für die nächste Abstimmung an einen anderen Abgeordneten delegieren. Man nennt das auch „Liquid Democracy“.

RDi: Im Gegensatz zu einer AG oder einer GmbH versteht sich eine DAO nicht als Gesellschaft mit Klingelschild, Büro und Chef.

Kremerov: DAOs sind in der Tat anders organisiert. Der Zusammenschluss, die Willensbildung und die Durchführung von Entscheidungen laufen ganz anders ab. Letztlich ist eine DAO eine Software, die ein Stück weit ein Eigenleben hat und teilweise auch von außen gesteuert wird.

RDi: Viele DAOs versuchen gerade, eine rechtliche Organisation zu bauen, die sie nach außen hin vertritt und die Haftung abschirmt. Die Rede ist von einem „Legal Wrapper“. So handelt rechtlich gesehen etwa eine Stiftung. Gibt es also schon einen guten Rechtsrahmen für DAOs?

Kremerov: Nachdem ein paar Jahre lang eine Art Wilder Westen herrschte, ist rechtliche Compliance für viele Projekte sehr wichtig geworden. Das löst ganz banale Probleme, etwa, wie eine DAO ein Büro anmietet. Problematisch ist allerdings, dass die gesetzlich normierten Gesellschaftsformen häufig nicht passen. Ich bin ziemlich frustriert von der aktuellen Situation. Ich würde mir wünschen, dass es eine klare und für Praktiker verständliche Regulierung gibt. Der Gesetzgeber muss definitiv handeln und die derzeitigen Regelungen fit für das Web3 machen. Alleine schon der Gedanke, dass jedes Land nun wieder seine eigene Suppe kocht, kann nur ein Hemmschuh werden. Wir brauchen klare, international anerkannte Regeln.

RDi: Klingt plausibel, vor allem wenn man sich überlegt, welche finanziellen Mittel manche DAOs kontrollieren. MakerDAO etwa verfügt über Kryptowährungen im Gegenwert von rund 13 Milliarden Euro. Gibt es keine Sorge, dass das Vermögen entwendet wird?

Kremerov: Zunächst einmal muss man verstehen, dass niemand eine DAO direkt kontrolliert – anders als etwa der Vorstand einer AG oder der Geschäftsführer einer GmbH. Eine DAO existiert in Form von Smart Contracts, also Software. Nur, was die Software ermöglicht, kann auch passieren. Menschliches Ermessen, Fehlverhalten oder Betrug gibt es nicht, wenn es die Software nicht zulässt. MakerDAO versteht sich als der sichere Hafen im Kryptobereich und entwickelt die notwendige Software entsprechend sehr bedacht mit großem Fokus auf Qualität. Neben den extrem hohen internen Standards für Softwareentwicklung wird der gesamte Code auch von externen Audit-Unternehmen geprüft. Der Code ist Open Source, das heißt Tausende von Softwareentwicklern können Fehler im Code aufspüren und melden. Das wird durch ein sehr großes Bug-Bounty-Programm belohnt. Entsprechend bin ich zuversichtlich, dass die Software eine wesentlich höhere Qualität hat als konventionelle Finanzsoftware.

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