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Mehr Digitalisierung wagen?

Von Prof. Dr. Florian Möslein, Prof. Dr. Thomas Riehm, Dr. Markus Kaulartz,
Fortschritt und Digitalisierung gelten als Synonyme unserer Zeit. Schon der Titel des Koalitionsvertrags verspricht daher, dass die Ampel-Parteien viel Gedankenfutter für die nächsten vier Jahrgänge der RDi liefern. Die digitalpolitische Agenda ihrer Vereinbarung erstreckt sich auf jede einzelne Rubrik dieser Zeitschrift.
RDi_01_22_Editorial_WEBIm Bereich digitale Rechtsdienstleistungen will die neue Koalition den Rechtsrahmen für Legal-Tech-Unternehmen erweitern und hierfür klare Qualitäts- und Transparenzanforderungen festlegen (S. 112) – wobei unklar bleibt, in welcher Hinsicht das über die erst kürzlich verabschiedeten Transparenzanforderungen (dazu Stadler RDi 2021, 513) hinausgehen soll. Den digitalen Finanzdienstleistungen ist ein eigener Abschnitt gewidmet (S. 174 f.), der den ambitionierten Anspruch formuliert, dass Deutschland zu einem der führenden europäischen Standorte für FinTechs, InsurTechs, Plattformen, NeoBroker und alle weiteren Ideengeber werden soll. Neben effektiven Genehmigungsverfahren werden eine eigenständige europäische Zahlungsinfrastruktur und ein digitaler Euro in Aussicht gestellt. Der Kryptobereich soll eine gemeinsame europäische Aufsicht bekommen. Zwischen traditionellen und innovativen Geschäftsmodellen und gegenüber großen Digitalunternehmen soll innerhalb der EU ein Level-Playing-Field mit gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen. Ein klares Bekenntnis zur Tokenisierung und zur Schaffung eines Tokenprivatrechts fehlt zwar, aber immerhin soll die Blockchain-Technologie selbst im Grundbuch Anwendung finden. In Künstliche Intelligenz und andere Zukunftstechnologien soll stärker und fokussierter investiert werden. Dem Datenrecht widmet sich ebenfalls ein eigener Abschnitt (S. 19), der unter anderem Datentreuhändermodelle in Aussicht stellt. Die Digitalisierung der Justiz soll weiter vorangetrieben werden (S. 106), offensichtlich in Anlehnung an die Vorarbeiten der Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“ (dazu das Editorial von Dickert, RDi 2/2021, III): Verhandlungen sollen online durchführbar sein und Beweisaufnahmen audiovisuell dokumentiert werden; zudem soll ein digitales Verfahren zur einfacheren Durchsetzung von Kleinforderungen geschaffen werden. Die Verfügbarkeit sämtlicher Gerichtsentscheidungen in anonymisierter Form könnte die Entwicklung KI- basierter Vorhersagewerkzeuge beschleunigen. Die Digitalisierung des Gesellschafts- bzw. Unternehmensrechts soll vorangetrieben und insbesondere Beurkundungen per Videokommunikation zugelassen werden. Vor allem sollen Online-Hauptversammlungen dauerhaft erlaubt werden. Die digitale Wirtschaft soll vielfältige Unterstützung erfahren, auch durch ein Hinwirken auf ambitionierte Regelungen des Digital Markets Act.

Alle diese Vorschläge, die der Koalitionsvertrag formuliert, atmen viel fortschrittlichen Geist. Ob aus alledem eine Digitalstrategie aus einem Guss werden kann, muss die kommende Legislatur erst zeigen. Der RDi werden die Themen jedenfalls nicht ausgehen.

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