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Gesetze in Einsen und Nullen

Von Sabine Gandenberger,
Nach einer aktuellen Studie stagniert die Nutzung von E-Government in Deutschland, die Zufriedenheit mit den Online-Angeboten der Verwaltung sinkt deutlich. Könnte „Law as Code“ Abhilfe schaffen? Und was ist das überhaupt? Fragen an Sabine Gandenberger, Software-Architektin bei mgm technology Partners, die seit vielen Jahren auf diesem Gebiet arbeitet und kürzlich auf einer Sitzung der bayerischen Denkfabrik Legal Tech hierzu referiert hat.
Foto_RDi_11_2021_Interview_Sabine_Gandenberger_WEBRDi: Was versteht man unter „Law as Code“?

Gandenberger: „Law as Code“ steht für die Forderung, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit haben muss, hinreichend präzise Gesetze zu formulieren. Das Ziel dabei ist unter anderem, schneller und besser E-Government-Leistungen entwickeln und aktualisieren zu können. Denn wenn Verwaltungen digitalisiert werden, müssen die abgeleiteten Behördenanwendungen immer auch programmiert werden, etwa die Anträge und Fachverfahren für die Anmeldung von Kindern beim Standesamt, für Bafög, Arbeitslosenhilfe bis hin natürlich für die Finanzverwaltung und die Steuererklärungen. Für diese praktischen Anwendungen müssen Gesetzesregelungen erst in eindeutige, maschinenlesbare Form überführt werden, um sie in Software umsetzen zu können. Diese Übersetzung von Gesetzestext in Programmcode hat somit immer das Risiko einer Abweichung oder Entfernung von der durch den Gesetzgeber geplanten Intention. Die Vermeidung von – aus Sicht der IT – informellen juristischen Texten zugunsten einer eindeutigen, digitaltauglichen Formulierung durch den Gesetzgeber führt zur Klarheit zwischen allen Beteiligten.

RDi: Wie soll das funktionieren?

Gandenberger: Ich sehe die Verwendung von strukturierten Mensch- und Maschinen-verständlichen Sprachen als die beste Lösung. Die Informatik spricht hier von „domänen- spezifischen Sprachen“, DSL genannt. Domänen-spezifisch heißt auch, dass für jedes Sach- und Rechtsgebiet eigene Sprachen eingesetzt werden, die sozusagen maßgeschneidert sind. Nach dem „Law as Code“-Konzept erfolgt die digitale Umsetzung dann nicht erst nachgelagert, sondern bleibt direkt in der Gestaltung und Entscheidung des Gesetzgebers. Dadurch wird am Ende insgesamt auch die Vollzugsfähigkeit der Gesetze verbessert.

RDi: In welche Gesetzgebungsprojekte waren Sie bislang involviert?

Gandenberger: In konkrete Gesetzgebungsverfahren noch gar nicht. So weit sind die verschiedenen Ansätze und Pilotprojekte meines Wissens auch noch nicht. Ich beschäftige mich aber seit einigen Jahren in verschiedenen Umfeldern mit Digitalisierungsprojekten im Public Sector.
Da geht es zwangsläufig viel um Daten von Privatpersonen oder Unternehmen sowie durch Gesetze vorgegebene Validierungen, komplexe Abhängigkeiten und daraus resultierende Berechnungen oder Entscheidungen. Unsere Erkenntnisse bei der Verwendung von domänenspezifischen Sprachen sind in einer Kurzstudie für das Nationale E-Government Kompetenzzentrum eingeflossen. Sie ist im Juni erschienen. Darin stellen wir zusammen mit Autorinnen und Autoren von der RWTH Aachen und dem Bayerischen Landesamt für Steuern Ansätze vor und geben einen Ausblick.

RDi: Wie sind die Rückmeldungen aus der juristischen Welt auf Ihr Projekt?

Gandenberger: Die NEGZ-Kurzstudie ist auf einiges Interesse gestoßen, sowohl in der Verwaltung als auch in der Forschung. Wir hatten die Kurzstudie bereits auf der NEGZ-Herbsttagung im letzten Jahr vorgestellt, sowie bei einem Workshop des Zentrums für Digitalisierung des Steuerrechts der Ludwig-Maximilians-Universität in München, das vom ehemaligen BFH-Präsidenten Prof. Dr. h. c. Rudolf Mellinghoff geleitet wird. Die in der Kurzstudie formulierten Vorschläge diskutieren wir auch aktiv mit den Experten des Instituts für Digitalisierung im Steuerrecht (IDSt). Das Interesse an diesen Themen ist also groß, eine Erprobung in der Praxis steht aber noch aus.

RDi: Wird das technische Potenzial, das Gesetze haben, bislang ausgeschöpft?

Gandenberger: Ich denke nein. Wenn man betrachtet, wie Gesetze formuliert sind, so bestehen weiterhin Probleme hinsichtlich der direkten Digitaltauglichkeit und Automatisierungsfähigkeit des Gesetzesvollzugs. Sowohl für die Gesetzesformulierung als auch für die Beschlussfassung gibt es aber aus der Wissenschaft und Verwaltung eine Vielzahl von unterschiedlichen Anregungen zur Verbesserung. Ich hoffe natürlich, dass in Zukunft Vorschläge aus dem Bereich „Law as Code“ aufgegriffen werden. Vielleicht schon in der kommenden Legislaturperiode.

Die Studie „Digitalisierung der Gesetzgebung zur Steigerung der Digitalen Souveränität des Staates (Berichte des NEGZ Nr. 19)“ ist abrufbar unter www.t1p.de/uv0n8.

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