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„Notariat als digitaler One-Stop-Shop“

Von Prof. Dr. Jens Bormann,
Ende Mai hat der 30. Deutsche Notartag unter dem Motto „Das Notariat der Zukunft – digital und rechtssicher“ stattgefunden. Der Berufsstand sieht sich als „Vorreiter der Digitalisierung“. Hierzu Fragen an den Präsidenten der Bundesnotarkammer (BNotK) Prof. Dr. Jens Bormann.
RDi_7_2021_Interview_Bormann_WEBRDi: Mit aktuellen Vorhaben wird die Digitalisierung in der vorsorgenden Rechtspflege vorangetrieben. Für bestimmte Kapitalgesellschaften wird die vollständige Gründung in einem Online-Verfahren ermöglicht. Wie läuft das ab?

Bormann: Die Online-Gründung einer GmbH wird ab August 2022 flächendeckend von allen Notarinnen und Notaren über das von der BNotK entwickelte Videokommunikationssystem angeboten. Die Beteiligten werden dabei mittels einer eID identifiziert, zudem wird das Lichtbild elektronisch ausgelesen. Beides erfolgt einfach und sicher über das Smartphone mittels einer von der BNotK kostenfrei zur Verfügung gestellten App. Die Beurkundung selbst erfolgt in einer Videokonferenz und läuft im Übrigen wie gewohnt ab, die Notarin oder der Notar verliest also die – rein elektronische – Niederschrift und klärt die Beteiligten über Risiken und Pflichten auf. Zum Abschluss wird die Niederschrift mittels qualifizierter elektronischer Signaturen unterzeichnet, die vom System zur Verfügung gestellt werden.

RDi: Werden Sicherheit und Integrität gewährleistet?

Bormann: Bei unseren hoheitlichen Verfahren stehen Sicherheit und Integrität an erster Stelle. Gerade das zweistufige Identifizierungsverfahren mit eID und Auslesen des Lichtbilds bietet ein im internationalen Vergleich besonders hohes Sicherheitsniveau. In der Infrastruktur setzen wir auf die Verschlüsselung der Daten und Übertragungswege nach den BSI-Empfehlungen, den Betrieb unserer eigenen Server in gesicherten Rechenzentren in Deutschland und den notarseitigen Zugriff allein aus dem sog. Notarnetz – einem VPN – und vieles mehr.

RDi: Wäre ein solches Online-Verfahren auch für Grundstücksgeschäfte denkbar?

Bormann: Der Gesetzgeber hat sich aus guten Gründen dafür entschieden, zunächst ausschließlich die Vorgaben der Digitalisierungsrichtlinie umzusetzen und damit das Online-Verfahren nur für die Gründung einer GmbH und bestimmte Handelsregisteranmeldungen einzuführen. Die praktischen Erfahrungen mit dem neuen Verfahren sollten vor einer Erweiterung abgewartet und evaluiert werden. Unabhängig davon ist bei Grundstückskaufverträgen ein wesentlicher Zweck der Beurkundung der Schutz und die Belehrung von unerfahrenen Vertragsparteien, also letztlich der Verbraucherschutz. In einem Video-Verfahren ist dieser Schutz meiner Meinung nach nicht in gleicher Weise gewährleistet, da hier aufgrund der Kommunikationsform unerfahrene Verbraucher professionellen Beteiligten unterlegen sind. Persönlich hätte ich Bedenken, wenn etwa eine junge Familie alle Ersparnisse in ein Eigenheim investiert und dann nur online einem international agierenden Immobilienunternehmen gegenüberstünde.

RDi: Was ließe sich aus Ihrer Sicht noch digitalisieren? Sie sprachen auf dem Notartag vom Notariat als One-Stop-Shop für Startups.

Bormann: Die BNotK schlägt zur Stärkung des Startup- Standorts Deutschland vor, den Gründungsvorgang zu bündeln. Einmal zur Notarin oder zum Notar – und fertig. Gleich ob es die Eröffnung eines Geschäftskontos oder die Anmeldung zum Gewerberegister ist: die zahlreichen Einzelschritte sollten im Hintergrund für Unternehmen erledigt werden können. Auch bei Immobiliengeschäften setzen wir uns für das Notariat als digitalen One-Stop-Shop ein. Nach der Beurkundung übernehmen die Notarinnen und Notare schon jetzt den gesamten Schriftverkehr für die Beteiligten. Bislang werden hierzu überwiegend Briefe verstand, zukünftig sollte die Kommunikation ausschließlich digital und damit beschleunigt erfolgen.

RDi: Anfang 2022 geht das Elektronische Urkundenarchiv an den Start, das bei der BNotK geführt wird. Was wird sich dadurch verändern?

Bormann: Ab diesem Zeitpunkt werden sämtliche notariellen Urkunden digitalisiert, qualifiziert elektronisch signiert und in einer elektronischen Urkundensammlung für 100 Jahre verwahrt. Dies spart zum einen Ressourcen bei den Notarbüros und den Amtsgerichten ein, die heute für die Verwahrung der Papierurkunden zuständig sind. Zum anderen können die Notarurkunden zukünftig medienbruchfrei elektronisch verwendet werden, etwa zum Nachweis bei Gerichten, Ämtern, Banken und anderen Stellen. So werden auch die Papierarchive dieser Stellen entlastet und Medienbrüche entfallen.

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