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RDi-Redaktion | Mai 06, 2024
In der Rubrik Tech & Tools werden Anwendungen vorgestellt, die den juristischen Alltag vereinfachen, ergänzen oder in sonstiger Weise verbessern können. Dabei handelt es sich überwiegend, aber nicht ausschließlich, um kommerzielle Angebote. Suitcase ist eine deutsche Plattform zur Streitbeilegung, die das Double-BlindBidding-Verfahren nutzt.
Welches Problem löst Suitcase?
Recht haben, Recht bekommen und Recht durchsetzen
sind drei verschiedene Dinge. An der Uni wirkt das manchmal noch recht einfach, die Frage dort lautet oft: Wie ist
die Rechtslage? Und die Antwort ist, dass ein (zivilrechtlicher) Anspruch besteht oder eben nicht.
In der realen Welt ist dies aber nur der Anfang. Wenn jemand beispielsweise einen Anspruch auf Abfindung nach
einer Kündigung oder auf
Rückzahlung der Mietkaution
hat, steht dieser Anspruch
erst einmal nur auf dem Papier. Wenn die Gegenseite
dies anders sieht, folgt in
der Regel ein Rechtsstreit und
die Rechtsdurchsetzung kann
dann schnell mehr Geld kosten als der Anspruch wert ist.
Man ist vielleicht sogar bereit, auf einen Teil des Anspruchs zu verzichten, wenn
alles nur schnell und unkompliziert gehen würde und die Restsumme zeitnah auf dem
Konto eingeht. Aber das wird man in der Regel nicht offenlegen, um die eigene Argumentation nicht zu schwächen.
Wie genau funktioniert Suitcase?
Suitcase ist eine Online-Plattform zur Streitbeilegung, die
ein digitales Schlichtungsverfahren anbietet, wenn im Ergebnis über eine Geldzahlung gestritten wird.
Im ersten Schritt meldet sich eine Partei bei Suitcase an,
beschreibt den Konflikt und nennt eine Summe, die sie
noch als fairen Kompromiss akzeptieren würde. Suitcase
informiert dann den Konfliktpartner. Wenn dieser ebenfalls bereit ist, eine Streitbeilegung über die Plattform zu
versuchen, gibt auch dieser einen Einigungsvorschlag ab.
Das wichtige ist, dass keine Seite die Summe kennt, die
die andere Partei genannt hat (sog. Double Blind Bidding). Liegen beide Summen zu weit auseinander, fordert Suitcase die Konfliktpartner auf, die jeweiligen Vorschläge
nachzubessern. Wenn eine Einigung erzielt wird, erstellt
Suitcase direkt einen Vertrag. Der Anspruchsteller verzichtet darin auf alle weiteren Ansprüche. Im Gegenzug zahlt
der Anspruchsgegner die vereinbarte Summe sofort aus.
Die Bedenkzeit ist dabei befristet, um zügig eine Einigung
zu erzielen. Die konkrete Dauer hängt vom Streitgegenstand
ab. Das Verfahren dauert im besten Fall aber nur wenige
Tage und selbst bei aufwändigeren Verfahren ist die Abstimmung in der Regel innerhalb eines Monats erledigt.
Wer steht hinter
Suitcase?
Die Suitcase GmbH wurde im
Jahr 2022 von Tim Kniepkamp, Tim Fischer und Philipp
Hertel gegründet und hat
ihren Sitz in München. Die
Gründer haben einen Hintergrund in Jura, BWL, Psychologie und Informatik. Gefördert wurde das Startup unter
anderem durch das GFFU Gründerstipendium.
Was kostet Suitcase?
Beim Eröffnen wird eine Servicegebühr von 29,99 Euro fällig. Im Erfolgsfall nimmt Suitcase zudem 10 Prozent der Einigungssumme, aber maximal 300 Euro. Die Kosten übernimmt der Anspruchsteller. Firmenkunden (Kanzleien und
Rechtsschutzversicherern) wird die Servicegebühr erlassen.
Wer sind die Konkurrenten?
Chevalier aus Berlin unterstützt ebenfalls technologie-basiert unter anderem bei Ansprüchen auf eine arbeitsrechtliche Abfindung und die Europäische Kommission stellt mit
der Europäischen Plattform für Online-Streitbeilegung (OSPlattform) ein eigenes Angebot zur Verfügung, um bei
Streitigkeiten nach einem Online-Einkauf zu vermitteln.
Ansonsten bleibt immer der Gang zu Gericht.