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RDi-Redaktion | Dez 09, 2021
In der Rubrik Tech & Tools werden Anwendungen vorgestellt, die den juristischen Alltag vereinfachen, ergänzen oder in sonstiger Weise verbessern können. In dieser Ausgabe wird der aktuelle Prototyp eines kostenlosen Angebots des Staates vorgestellt: Das neue Justizportal.
Welches Problem löst das neue Justizportal?
Der bestehende Zugang zum Recht ist noch nicht perfekt. Auch wenn die Bürgerinnen und Bürger durch das ausgeklügelte Rechtssystem in Deutschland auf dem Papier gut geschützt sind und ihnen eine Vielzahl von Rechten und Ansprüchen zusteht, gibt es faktisch eine Menge Hindernisse. Eine große Barriere beim Zugang zum Recht ist die Komplexität der deutschen Rechtsordnung. Vielen fehlt selbst für juristisches Alltagswissen oft ein Grundverständnis. Der Gang zum Anwalt ist dann insbesondere für kleinere Probleme aber oft zu aufwendig oder vermeintlich zu teuer. Aber auch online kommt man nicht immer weiter. Die Informationen, die im Internet verfügbar sind, lassen sich oft nicht verifizieren, stammen teilweise aus unseriösen Quellen oder sind schlicht nicht objektiv, sondern interessengeleitet zusammengestellt worden.
Wie genau funktioniert das neue Justizportal?
Der Prototyp des neuen Justizportals soll nun als digitales Serviceangebot der deutschen Justiz die Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte im Alltag informieren. Dadurch soll das Portal im Ergebnis der erste Baustein eines zukünftigen Online-Gerichtsverfahrens sein. Über die Plattform sollen die Ansprüche bereits vor Klageeinreichung gefiltert werden. Die erste Version dieses „Online-Klagetools“ ist nun für jedermann zu Testzwecken im Internet verfügbar unter: dev.tech4germany.org/bmjv-justizportal. Feedback – insbesondere auch von Anwälten – ist ausdrücklich erwünscht.
Die Kernfunktion des Justizportals ist ein Wegweiser. Er soll dabei helfen, Handlungsoptionen für Rechtsprobleme zu finden. Basierend auf den Eingaben des Nutzers zu einem Problem werden automatisch passende Informationen über mögliche Ansprüche zusammengestellt. Im Anschluss können dann Handlungsoptionen verglichen werden.
Aktuell gibt es beispielsweise in der Kategorie „Wohnen“ in der Rubrik „Mängel in der Wohnung“ den Unterpunkt „Schimmel“. Dort muss der Nutzer dann beantworten, wer seiner Meinung nach den Schimmel verursacht hat, ob der Schimmel bereits bei Unterzeichnung des Mietvertrags vorhanden war und ob man ihn dem Vermieter bereits gemeldet hat. Der Wegweiser informiert dann anschließend über den Anspruch auf Beseitigung eines Mangels sowie über den Anspruch auf Mietminderung. Im nächsten Schritt werden Tipps gegeben, wie und warum man einen Mangel dokumentieren sollte und wie man eine Mängelanzeige für den Vermieter erstellt.
Das neue Justizportal soll darüber hinaus insbesondere auch bei der Klageeinreichung helfen. Wer beispielsweise einen vermeintlichen Anspruch auf Entschädigung gegen eine Fluggesellschaft wegen Verspätung des Fluges hat, kann sich die Klageschrift individuell erstellen lassen. Zudem wird der Nutzer auch allgemein über die Kosten und den Ablauf eines Gerichtsverfahrens informiert.
Nicht zu verwechseln ist dieser Prototyp eines neuen Justizportals mit dem „Justizportal des Bundes und der Länder“ unter https://justiz.de.
Wer steht hinter dem neuen Justizportal?
Der Prototyp des neuen Justizportals wurde im Rahmen einer Kooperation des Tech4Germany Fellowships 2021 mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erstellt. Betrieben wird die Webseite von der DigitalService4Germany GmbH, die dem Bundeskanzleramt angegliedert ist.
Wer sind die Wettbewerber des neuen Justizportals?
Es gibt eine Vielzahl kommerzieller Anbieter, die webbasiert interaktive Informationen anbieten und bei Bedarf einen Anspruch durchsetzen. Für die Durchsetzung wird dann aber regelmäßig eine Vergütung in Höhe von bis zu einem Drittel der Summe fällig, die eingefordert werden soll.
Der Beitrag ist erschienen in RDi 12/2021, IX.