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„Digitaler Regulierungs- Exportweltmeister“

Von Dr. Arnd Haller | Sep 08, 2021
Aktuelle Rechtsentwicklungen im Bereich der Digitalwirtschaft lassen sich besonders gut daran ablesen, mit welchen Themen die Rechtsabteilungen der großen Internetunternehmen derzeit befasst sind. Fragen hierzu an Dr. Arnd Haller, Legal Director für Nord- und Zentraleuropa von Google.
Foto_RDi_09_2021_Interview_Arnd_Haller_WEBRDi: Der Gesetzgeber hat die großen Digitalkonzerne im Visier. Ist das in Deutschland und der EU besonders ausgeprägt oder ist die Regulierung in anderen Ländern ähnlich intensiv?

Haller: Die Regulierungsdichte im Digitalbereich ist in Deutschland tatsächlich besonders fortgeschritten. Wir dürften auch „digitaler Regulierungs-Exportweltmeister“ sein. Unsere Gesetze haben gerade im Bereich Datenschutz, Verbraucher- und Wettbewerbsschutz einer Regulierung in anderen Ländern Pate gestanden. In manchen Fällen ist das positiv zu sehen; in anderen, wie etwa beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz, war unsere Rolle eher unrühmlich, da der grundrechtlich geforderte Interessenausgleich zwischen der Meinungs- und Informationsfreiheit einerseits und dem Schutz von Rechten wie der Persönlichkeit andererseits zu einseitig gelöst wurde. Letztlich geht es aber nicht so sehr um das „Ob“ einer Regulierung, sondern vor allem um das „Wie“. Regulierung darf nie Selbstzweck werden, sondern muss einen ganz bestimmten Zweck erfüllen. Durch Überregulierung wird in Deutschland der beabsichtigte Zweck aber leider manchmal in sein Gegenteil verkehrt.

RDi: Google klagt aktuell gegen Teile des NetzDG. Worum geht es da?

Haller: Durch die jüngste Reform des NetzDG werden Netzwerke verpflichtet, Daten von solchen Nutzern automatisch, massenhaft und vorratsmäßig an das Bundeskriminalamt auszuleiten, die – nach Einschätzung des jeweiligen Netzwerks – rechtswidrige Inhalte eingestellt haben. Diese Verpflichtung gilt, ohne dass ein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft zuvor überprüft hätte, ob der Inhalt tatsächlich eine Straftat erfüllt. Mit der Vorratsdatenspeicherung haben sich Gerichte viele Jahre intensiv auseinandergesetzt. Die durch das NetzDG geschaffene Verpflichtung ist weitergehender, weil sie der Speicherung beim Netzbetreiber, auch die direkte Weiterleitung an das BKA zum Zwecke der Beweissicherung verlangt. Wir sind es unseren Nutzerinnen und Nutzern schuldig, dass ein so weitreichender Eingriff in Grundrechte zunächst gerichtlich überprüft wird.

RDi: Im Mai hat das Bundeskartellamt zwei Verfahren gegen Google auf Grundlage des neuen § 19a GWB eröffnet. Worum geht es da?

Haller: Das § 19a GWB-Verfahren ermöglicht dem BKartA die Untersagung wettbewerbsgefährdender Praktiken durch Unternehmen, die eine „überragende marktübergreifende Bedeutung“ für den Wettbewerb haben. Hierfür muss das Amt zunächst feststellen, ob ein Unternehmen überhaupt eine solche marktübergreifende Bedeutung hat. Diese Prüfung hat es zunächst für Facebook und Amazon, und nun auch für Google und Apple initiiert. In einem zweiten Verfahren soll überprüft werden, ob die Nutzung der Dienste von einer Zustimmung zur Datenverarbeitung abhängig gemacht wurde und ob dies unzulässig wäre. Beide Verfahren stehen allerdings noch ganz am Anfang.

RDi: Ein großes Thema auch in dieser Zeitschrift sind digitale Rechtsdienstleistungen bzw. Legal Tech. In dem Bereich sind die großen Plattformen zurückhaltend. Ist dieser Markt nicht interessant?

Haller: Der Markt ist äußerst interessant sowohl für Dienstleister als auch für Rechtsanwender. Legal Tech wird den Rechtsmarkt sehr beleben, und in der Rechtsabteilung beobachten wir die Angebote mit Interesse. Und ein Trend lässt sich schon beobachten: Rechtsanwaltskanzleien, die Google Produkte wie Google Workspace verwenden und ihre Daten sicher in der Google Cloud speichern.

RDi: Google forscht und entwickelt sehr intensiv im gesamten Bereich der Digitalisierung. Was wird das nächste große Ding?

Haller: Perspektivisch relevant dürfte das Quantencomputing werden. Durch diese neuartigen, fehler-korrigierten Supercomputer werden wir voraussichtlich in der Lage sein, die Gestalt und das Verhalten von Molekülen und Kristallen zu simulieren und dadurch neue Stoffe und Produkte zu entwickeln, z.B. wirkungsvollere Medikamente, zielgerichtetere Dünger oder leistungsfähigere Batterien. Persönlich finde ich vor allem die Entwicklungen spannend, bei denen Technologie uns helfen wird, die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, z.B. durch die Verbesserung der Vorhersagen von Naturkatastrophen und Extremwetterlagen, durch den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien oder durch eine Dokumentation des Artensterbens und der vom Menschen verursachten Umweltschäden.

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