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Virtuelle Welten: Zukunft durch Rückkehr zu Grundprinzipien

Von Dr. Joachim Schwerin | Sep 06, 2023
Am 11. Juli 2023 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung zu virtuellen Welten veröffentlicht, um die Diskussion des vertieften digitalen Wandels zu fördern. Virtuelle Welten sind dauerhafte, immersive Umgebungen, die basierend auf digitalen Technologien die reale und virtuelle Welt in ein tief integriertes Ganzes überführen könnten. Diese Umgebungen – zumeist als Metaverse im Plural bezeichnet, denn es gibt unterschiedlichste Ausprägungen – gehören zur nächsten Iteration des Internets. Sie sind weit mehr als eine lineare Weiterführung und basieren auf grundsätzlich anderen Prinzipien. Dies hat substantielle Auswirkungen auch in juristischer Hinsicht.

Das gegenwärtige Internet ist geprägt durch die Marktmacht und faktische Autonomie großer BigTech-Plattformen, die Menschen eher als Lemminge denn als selbstbestimmt handelnde Subjekte betrachten. Von ihrer ursprünglichen Legitimation als effizienzsteigernde Intermediäre längst entfremdet wirken diese Plattformen wie zentralistische megalomane Granitblöcke in einer Welt, die dezentral und granular ist. Während der Großteil der Menschheitsgeschichte von Selbstorganisation, dezentraler Koordination und Abtretung von Rechten nur in wohlbegründeten Fällen geprägt war, erscheint die digitale Welt heute oftmals wie ein Selbstbedienungsladen für Rambos.

Mit den sich seit 2008 rasant fortentwickelten Distributed Ledger-Technologien (kurz „Blockchain“) eröffnet sich die Möglichkeit, die digitale Welt wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Aufgrund ihres gesellschaftlich eindeutig positiven Potentials hat die Europäische Kommission 2016 Blockchain als Innovationspriorität in allen Politikbereichen identifiziert. Blockchain schafft die Basis, die Vorteile von Lokalität (Vertrauensbildung durch Nähe, kurze Abstimmungswege, Gruppendynamik) und weltweiter Vernetzung (samt globaler Wirkung selbst für KMUs und Individuen) zu verbinden. Hiermit wird der traditionelle Engpassfaktor der Selbstorganisation überwunden: Vertrauen und Wertetransfer sicher zu skalieren bei maximaler individueller Kontrolle in kollektiven Räumen, die der Natur des Menschen als sozialem Wesen entsprechen.

Die Erörterung adäquater rechtlicher Grundprinzipien für humanzentrierte dezentrale Welten ist wichtig für Metaverse, die der virtuelle Raum dieser Transformation sein werden. Vieles mag neu erscheinen, aber der Blick auf historische Erfahrungen hilft: So sind DAOs selbstorganisierte Kooperativen, die es seit Jahrhunderten gibt, nur in digitaler Form, und die kollektive Verantwortung ersetzt die individuelle. Freilich explodiert ihre Wirkmächtigkeit durch die Eigenschaften der Blockchain, und DAOs könnten gar wie virtuelle Staaten agieren. Wie könnten Regeln aussehen, die Innovationen fördern, zugleich aber eine organische Genese eines immersiven realen plus virtuellen Raumes gewährleisten, basierend auf gesellschaftlich vereinbarten Prinzipien? Der kurzfristige Tunnelblick hilft hier kaum weiter, der Mut zu historischer Analyse und zur Einbeziehung auch philosophischer, ethischer und anthropologischer Erkenntnisse hingegen sehr.

Dr. Joachim Schwerin ist Principal Economist in der Europäischen Kommission (GD Internal Market, Industry,
Entrepreneurship and SMEs); der Autor gibt in diesem Beitrag seine persönlichen Ansichten wieder, die nicht
notwendigerweise eine offizielleMeinung der Europäischen Kommission darstellen.

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