Von
Prof. Dr. Volker Römermann | Feb 11, 2022
Das besondere elektronische Anwaltspostfach trägt seinen Namen zu Recht. Schon seine Einführung war von technischen Problemen gezeichnet. Das viel größere, oft übersehene Problem ist ein rechtliches: Die Zuordnung der Postfächer. Das beA kennt nämlich seit seiner Einführung – und noch bis zum 1.8. 2022 – nur Einzelanwälte. Dem BMJ war bei Schaffung des beA entgangen, dass sich Rechtsanwälte gelegentlich zu Sozietäten vereinigen (seit etwa 150 Jahren).
Im Jahre 2001 wurde die BGB-Gesellschaft als rechts- und parteifähig anerkannt (
BGH DB 2001, 723 mAnm Römermann – „weißes Roß“). Mandate halten seither Sozietäten, nicht die in ihr vereinten Anwälte. Für die anderen Gesellschaftsformen gilt das sowieso: Partnerschaft, GmbH, AG. Die Partnerschaft wird mandatiert, sie ist im Gerichtsverfahren die Prozessbevollmächtigte. Aber ein beA hat sie nicht. Nun wurde die Nutzung eines beA soeben auch noch Pflicht. Dieser Pflicht kann die Partnerschaft nicht nachkommen, aber vielleicht findet sie einen netten Anwalt, der bereit ist – ohne mandatiert zu sein – , die Korrespondenz so zu führen, als wäre er Prozessbevollmächtigter.
In Kanzleien, die ein hohes Mandatsaufkommen und zugleich eine hohe Personalfluktuation aufweisen – das kommt zuweilen zusammen – , löst das Fehlen von Sozietäts- Postfächern praktische Probleme aus, die nicht zu unterschätzen sind. Die Gerichte korrespondieren weiter mit Rechtsanwalt Max, der aus der eigentlich mandatierten Sozietät längst ausgeschieden ist und persönlich im Grunde mit der Sache auch nie etwas zu tun hatte – außer, dass er irgendwie in der Akte in Erscheinung getreten ist. Ist das dann eine Frage der Schweigepflicht? Aber wie könnte sich die Sozietät gegen Vorwürfe schützen? Müsste sie bei Trennung von einem Rechtsanwalt ein Rundschreiben an alle Gerichte verfassen und auffordern, in den laufenden Sachen mit jemand anderem zu korrespondieren (der genauso wenig mandatiert ist)?
Gerne ordnen Kammern die beAs Anwaltsgesellschaften zu. Im Verzeichnis steht dann also nicht – wie es dem (mangelhaften) Gesetz entspräche – Rechtsanwalt Max, sondern: Rechtsanwalt Max in der NN GmbH. Ist Max bei mehreren Anwaltsgesellschaften tätig, ist Chaos vorprogrammiert. Ich habe selbst schon erlebt, dass Korrespondenz, die ein Mandat der N1 Sozietät betraf, Rechtsanwalt Max (der nie selbst mandatiert war) unter seinem weiteren beA zugestellt werden sollte, das für seine Tätigkeit bei der N2 Sozietät eingerichtet ist. Ist das dann eine wirksame Zustellung?
Im Zuge der BRAO-Reform hat sich der Gesetzgeber endlich darauf besonnen, das beA der Realität des anwaltlichen Sozietätsrechts anzupassen. Ab August können Gesellschaften ein beA bekommen. Der gesellschaftsrechtliche Status quo wird dann im Recht der Kommunikationskanäle nachvollzogen. Willkommen im 21. Jahrhundert, liebes beA!