Präsident des LAG Hessen a.D. Dr. Peter Bader, Frankfurt a. M.
Heft 12/2022
Bis zum 1.8.2022 soll die EU-Richtlinie 2019/1152/EU über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen umgesetzt sein. Der Bundestag hat am 23.6.2022 über den Regierungsentwurf des Umsetzungsgesetzes (BT-Drs. 20/1636) beraten. Es geht dabei einerseits um eine Erweiterung der Nachweispflichten nach § 2 I NachwG, andererseits um zusätzliche Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen. Was die Kündigung von Arbeitsverhältnissen angeht, wird das Umsetzungsgesetz in dieser Form bedauerlicherweise nicht in dem erforderlichen Umfang die wünschenswerte Klarheit und Rechtssicherheit bringen, der Arbeitgeber wird partiell allein gelassen.
Art. 4 II lit. j der Richtlinie gibt vor, dass über das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren zu informieren ist, einschließlich der formellen Anforderungen und der Länge der Kündigungsfristen, oder, falls die Kündigungsfristen zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht angegeben werden können, die Modalitäten der Festsetzung der Kündigungsfristen. Was das konkret bedeuten soll, wird in der Neufassung des § 2 I 2 Nr. 14 (bisher Nr. 9) NachwG, die hinter dem Wortlaut der Richtlinie zurückbleibt, nicht hinreichend deutlich. Als Mindestinformationen dazu werden die Schriftform – offenbar des § 623 BGB, obwohl es auch ansonsten Schriftformerfordernisse gibt – und die Kündigungsfristen angesprochen. Schon die Angabe der Kündigungsfristen oder jedenfalls der Modalitäten der Berechnung wirft jedoch Probleme auf (Rolfs ZFA 2021, 283 (301) und NZA Editorial H. 7/2022, S. III).
Zwar wird grundsätzlich der Hinweis auf § 622 I und II BGB oder die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen ausreichen (§ 2 IV 1 und 2 NachwG nF), doch was ist darüber hinaus etwa mit § 622 III BGB, § 169 SGB IX oder § 113 S. 2 InsO? Hier wären Vorlagen und Modelle für eine rechtssichere Anwendung wünschenswert, wie in Art. 5 II der Richtlinie angesprochen. Umso mehr gilt das, als zu den formellen Anforderungen zum Beispiel auch die Betriebsratsanhörung oder das Verfahren bei Massenentlassungen zählen wird. Dies würde auch dem Erwägungsgrund 48 der Richtlinie entgegenkommen, wonach kleine und mittlere Unternehmen nicht unverhältnismäßig belastet werden sollen.
Streitig war, ob auch über die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu belehren ist. Dies ist nun – in Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 18 der Richtlinie – dankenswerterweise aufgenommen (auch die Änderungskündigung umfassend?). § 7 KSchG soll freilich auch dann gelten, wenn der Hinweis auf die Klagefrist nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt. Schließlich bleibt zu fragen, ob nicht Art. 18 der Richtlinie, der vor Kündigungen (einschließlich deren Vorbereitung) und sonstigen Maßnahmen im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Rechte nach dieser Richtlinie schützen soll, eine Erweiterung oder Ergänzung des § 612a BGB erfordert. Der Anwendungsbereich des § 612a BGB ist enger, und die Beweislast liegt hier bislang beim Arbeitnehmer (BAG 18.11.2021 – 2 AZR 229/21, NZA 2022, 200 Rn. 29), während die Richtlinie diese in den Fällen des Art. 18 beim Arbeitgeber ansiedelt.