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NZA Editorial

 

Bundesrat stoppt das Hinweisgeberschutzgesetz

Rechtsanwalt Dr. Boris Dzida, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg

Heft 5/2023

Autor NZA-Editorial Heft 5/2023, Boris Dzida

Wenn das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft tritt, wird es ein Meilenstein für das deutsche Recht sein. Erstmals werden wir in Deutschland einen weitreichenden Schutz von Hinweisgebern haben. Doch nun hat der Bundesrat dem Gesetz in seiner Sitzung am 10.2.2023 die Zustimmung verweigert. Die Gründe hierfür sind gewichtig: Der sachliche Anwendungsbereich sei zu weit, der bürokratische Aufwand sei zu hoch. Die vorgesehene Pflicht zur Einrichtung anonymisierter Meldekanäle berge Missbrauchspotenzial, und zwar auch für die Persönlichkeitsrechte anderer Arbeitnehmer. Die Nutzung interner Meldestellen des Arbeitgebers sollte Vorrang vor der externen Meldestelle beim Bundesamt für Justiz haben.

Ein Meilenstein wie das HinSchG sollte von einem möglichst breiten Konsens getragen sein. Dies gilt insbesondere für den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzentwurfs, der weit über die Vorgaben der EU-Whistleblowing-Richtlinie hinausgeht. Neben den vorgegebenen europarechtlichen Gegenständen sollen überschießend auch Regelungen des nationalen Strafrechts und bestimmte Normen des Ordnungswidrigkeitenrechts einbezogen werden. Die Befürworter des weiten Anwendungsbereichs argumentieren, bei einem engen Anwendungsbereich, der sich auf die europarechtlichen Gegenstände beschränkt, würden sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben: Der Hinweisgeber könnte nicht rechtssicher einschätzen, ob der von ihm gemeldete Verstoß eine Norm mit europarechtlichem Hintergrund betrifft. Dieses Argument überzeugt nicht. Beim Anwendungsbereich eines Gesetzes gibt es immer Abgrenzungsschwierigkeiten, egal wie weit man ihn fasst. Ein Beispiel aus dem vorliegenden Gesetzentwurf illustriert dies: Hiernach wäre ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht nach § 106 II BetrVG vom sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst (Ordnungswidrigkeit nach § 121 BetrVG), ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht nach § 80 II BetrVG dagegen nicht. Auch bei dem aktuell sehr weit gefassten Anwendungsbereich kann also keine Rede davon sein, dass Hinweisgeber ohne weiteres einschätzen können, ob der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet ist.

Ein engerer Anwendungsbereich würde zugleich den bürokratischen Aufwand verringern. Es ist gut, dass der Bundesrat dieses Problem anspricht: Denn Arbeitgeber sind derzeit ohnehin sehr starker Regulierung ausgesetzt. Die Pflicht zur Zeiterfassung ist nicht das einzige Beispiel. So müssen betroffene Unternehmen nach den neuen ESRS-Standards künftig umfassend über personalbezogene Themen berichten. Allein die Liste dieser Themen umfasst 20 Seiten. Ein weiteres Beispiel ist das am 1.1.2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Dieses sieht die Pflicht zur Errichtung interner Meldekanäle vor. Leider hat es die EU versäumt, die Vorgaben für Hinweisgebersysteme bei Lieferketten und nach der Whistleblowing-Richtlinie aufeinander abzustimmen. Der Vorwurf der Bürokratie ist berechtigt, wenn mehr oder weniger zeitgleich zwei Hinweisgebersysteme eingerichtet werden müssen. Es ist bedauerlich, wenn durch schlechte Gesetzgebung wichtige Anliegen diskreditiert werden.

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