Susanne Dehmel ist Mitglied der Geschäftsleitung Bitkom e.V. in Berlin und im Beirat der Kooperationspartner der MMR.

MMR 2025, 401 Die kommenden vier Jahre sind für Deutschlands Zukunft entscheidend. Die neue Regierung steht vor der Aufgabe, unter Beweis zu stellen, dass sie handlungsfähig ist - dass sie Herausforderungen erkennt, anpackt und nachhaltig löst. Das gilt insbesondere im digitalen Raum. Die digitale Transformation ist längst kein Randthema mehr, sondern eine Querschnittsaufgabe mit enormer Tragweite für alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche. Damit Deutschland in einer zunehmend vernetzten und technologiegetriebenen Welt Schritt halten kann, muss die Digitalpolitik zu einem klaren politischen Schwerpunkt werden.
Es geht um nichts weniger als darum, die Innovationskraft unserer Wirtschaft zu stärken, die digitale Teilhabe aller Menschen zu sichern, die öffentliche Verwaltung fit für das 21. Jahrhundert zu machen und unsere digitale Souveränität auszubauen - also die Fähigkeit, digitale Schlüsseltechnologien selbst zu beherrschen und unabhängig von einzelnen Anbietern zu agieren. Auch die Cybersicherheit als Teil der nationalen Sicherheitspolitik spielt dabei eine zentrale Rolle.
Ein solches Projekt braucht politischen Willen - und klare Zuständigkeiten. Das haben auch Union und SPD erkannt und mit der Schaffung eines eigenständigen Digitalministeriums einen wichtigen Schritt vollzogen. Die Einrichtung des Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) ist ein klares Signal: Digitalisierung ist keine Nebenaufgabe mehr, die irgendwo zwischen Verkehrs-, Innen- und Wirtschaftsministerium mitverhandelt wird, sondern eine zentrale Zukunftsaufgabe, für die es ein eigenes Ressort mit politischer Steuerungskraft, eigenem Haushalt und eigenem Gestaltungsanspruch braucht.
Mit dem BMDS hat Deutschland nun erstmals ein Haus, das die Fäden in der Digitalpolitik zusammenführt. Das neue Ministerium bündelt Kompetenzen, die bislang auf viele Ressorts verteilt waren - darunter den Breitband- und Mobilfunkausbau, die Koordination von KI, die Digitalisierung von Staat und Verwaltung, die Stärkung der digitalen Wirtschaft sowie die Förderung von digitaler Infrastruktur. Der Zuschnitt des Ministeriums zeigt: Hier soll nicht nur koordiniert, sondern gestaltet werden.
Doch gute Strukturen allein reichen nicht. Damit das neue Digitalministerium jetzt Tempo aufnehmen kann, braucht es einen echten Digitalcheck bei einschlägiger Gesetzgebung sowie einen starken Einzelplan im Haushalt mit Investitionsverantwortung. Der im Organisationserlass verankerte Zustimmungsvorbehalt bei allen wesentlichen IT-Ausgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung ist ein erster, wichtiger Schritt. Das BMDS kann zu einem echten Motor für Staatsmodernisierung und digitale Souveränität werden - und damit zu dem, was unser Land jetzt braucht. Was im Detail jetzt wichtig wird:
Modernisierung von Datenrecht und Datenschutz: Deutschland hinkt bei der Datennutzung hinterher. Das neue Ministerium muss für ein „zeitgemäßes Datenrecht“ sorgen, das Innovation ermöglicht und Vertrauen schafft.
- Dazu gehört erstens die Vereinheitlichung der Datenschutzaufsicht: Statt 17 unabhängigen Datenschutzbehörden braucht es schlankere Strukturen - ein einheitlicher Regulierungsrahmen ohne föderalen Flickenteppich.
- Zweitens muss die Bundesregierung ein pragmatischeres Einwilligungsmanagement vorantreiben: Weg von allgegenwärtigen Cookie-Bannern hin zu nutzerfreundlichen, effizienten Lösungen, die Datenschutz mit weniger Bürokratie gewährleisten. Darüber hinaus braucht es klarere und innovationsfreundliche Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung.
- Drittens sollte Deutschland sich in der EU für eine einheitliche Anwendung der DS-GVO starkmachen und für eine innovationsfreundliche Auslegung der Regeln werben. Neue EU-Digitalgesetze (etwa KI-VO, Data Act) müssen dabei kohärent zur DS-GVO gestaltet und umgesetzt werden - nicht nur iSe Anpassung an bestehendes Recht, sondern auch mit Blick auf mögliche Weiterentwicklungen der DS-GVO selbst. Doppelregulierungen gilt es zu vermeiden.
Das neue Digitalministerium steht vor der Herausforderung, die richtige Balance zu wahren: Datenpolitik, die den Schutz der Persönlichkeitsrechte wahrt, aber gleichzeitig den Unternehmen Raum für datengetriebene Innovation lässt.
Abbau analoger Hürden: Wir schlagen die generelle Abschaffung der etwa 2.000 Schriftformerfordernisse im deutschen Recht per Generalklausel vor. Unsere weitgehend analoge Verwaltung zerrt nicht nur an den Nerven der Bürgerinnen und Bürger, sie ist auch ein echter Standortnachteil und Bremsklotz für die Wirtschaft (s.a. Bitkom-Studie, abrufbar unter: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Ohne-Papier-Fax-geht-in-Verwaltung-nichts). Durch die Abschaffung würden digitale Verfahren zum Standard, Medienbrüche bei Verwaltung und Geschäftsverkehr verschwinden. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen könnten durchgängig online agieren - vom Vertragsabschluss bis zum Behördenantrag. Diese gesetzliche Querschnittsreform, die es auch in den Koalitionsvertrag geschafft hat, wäre ein Game Changer und sollte schnellstmöglich umgesetzt werden.
Verwaltung digitalisieren: Eine zukunftsfeste Verwaltung stärkt das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit staatlichen Handelns. Deshalb ist es besorgniserregend, dass Deutschland bei der Verwaltungsdigitalisierung im internationalen Vergleich den Anschluss verloren hat. Dabei stärkt eine leistungsfähige digitale Verwaltung nicht nur das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, sondern ist längst schon zu einem entscheidenden Standortfaktor für Unternehmen geworden. Die Verankerung des Digital-Only-&-Once-Only-Prinzips für Verwaltungsdienstleistungen im Koalitionsvertrag ist daher ein bedeutender Schritt. Damit wird sichergestellt, dass Bürgerinnen und Bürger Daten künftig an einer Stelle hinterlegen können und nicht bei jedem Verwaltungsvorgang erneut angeben müssen. Die angestrebte Registermodernisierung wird ebenso massiv auf die Effizienz der Verwaltung einzahlen wie die beabsichtigte Änderung des Grundgesetzes, damit der Bund digitale Verwaltungsverfahren und Standards regeln kann. Absichtserklärungen für eine effiziente und digitale Verwaltung gab es allerdings in der Vergangenheit reichlich. Deutschland braucht jetzt eine echte und vor allem ambitionierte Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung.
Regulierungsstopp ausrufen: Ob Start-up oder Großkonzern: Unsere Unternehmen brauchen mehr Raum für Innovation und Wachstum. Mit einem grundsätzlichen Stopp jeglichen Goldplatings sollte die neue Bundesregierung die Übererfüllung von EU-Vorgaben beenden. Diese sollten künftig 1:1 auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Kollidiert eine EU-Regelung mit bestehendem nationalem Recht, sollte diese Regelung an EU-Recht angeglichen werden, nicht umgekehrt.
Digitale Infrastruktur beschleunigen: Der Koalitionsvertrag enthält ein TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz, das ein echtes „überragendes öffentliches Interesse“ auch für den Netzausbau vorsieht. Mit der neuen Regelung kann das Glasfasernetz schneller ausgebaut werden, sofern der Netzausbau nicht an anderer Stelle durch neue Belastungen für die Unternehmen erschwert wird. Deutschland hat in den letzten Jahren große Fortschritte beim Ausbau der TK-Netze gemacht. Dieses Tempo sollten wir halten.
Digitale Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Förderung von Schlüsseltechnologien wie KI, Quantentechnologie und Mikroelektronik wird - wenn sie ambitioniert umgesetzt und mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt wird - zur Stärkung von Deutschlands digitaler Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Der explizite Auf- und Ausbau der KI-Recheninfrastruktur in Deutschland ist ebenso eine notwendige Maßnahme.
Wirtschaft und Start-ups voranbringen: Der im Koalitionsvertrag angekündigte „Investitions-Booster“ hat das Potenzial, die Digitalisierung in Deutschlands Unternehmen voranzutreiben, insbesondere auch in KMU. Auch die Signale für Start-ups sind positiv: So sind weniger Hürden für Gründungen und Beteiligungen vorgesehen sowie mehr Kapital für Innovation und Wachstum. Positiv sind auch die angekündigte Verabschiedung eines jährlichen Bürokratieentlastungsgesetzes sowie die vollständige Umsetzung und Ausweitung des „Pakts für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“.
Energie und Nachhaltigkeit mithilfe der Digitalisierung fördern: Hier hätten wir uns mit Blick auf den Koalitionsvertrag und die Ankündigungen der neuen Bundesregierung mehr gewünscht. Die Potenziale der Digitalisierung wurden hier weitestgehend außer Acht gelassen. Dabei ist die Digitalisierung der Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele und es müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht. Mit der Digitalisierung besitzen wir einen starken Hebel, um die CO2-Emissionen deutlich zu senken und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Hier muss die neue Bundesregierung nachbessern.
Verteidigung, innere Sicherheit und Cybersicherheit stärken: Hier nimmt der Koalitionsvertrag wichtige und ambitionierte Weichenstellungen vor. Die Bundeswehr soll digitaler, einsatzfähiger und attraktiver werden. Positiv ist der starke Fokus auf die Förderung und Einführung von Zukunftstechnologien wie KI und Software Defined Defense in die Bundeswehr. Begrüßenswert ist zudem das Ziel, dies mit grundlegenden Reformen und einer raschen Gesetzesänderung zur Planungs- und Beschaffungsbeschleunigung zu unterlegen. Behörden der inneren Sicherheit sollen besser vernetzt und mit neuen Befugnissen ausgestattet werden. Der Ausbau des BSI zur Zentralstelle im Bund-Länder-Verhältnis und ein ressortübergreifendes Gesamtlagebild sind bei konsequenter Umsetzung richtige Schritte. Gleichzeitig bleiben viele weitere Vorhaben - von der Nationalen Cybersicherheitsstrategie bis zur Weltraumsicherheitsstrategie - noch zu vage.
So viel steht fest: Die Einrichtung eines Digitalministeriums ist eine Investition in die Zukunft. Es geht darum, Deutschland wettbewerbsfähig, innovativ und digital handlungsfähig zu machen. Wenn das Digitalministerium jetzt den Spielraum bekommt, den es braucht, dann wäre dies ein klares Signal: Deutschland macht ernst mit der Digitalisierung und nimmt seine digitale Zukunft selbst in die Hand.
Berlin, im Juni 2025