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Norddeutsches KI-Forum: Künstliche Intelligenz, Datenschutz und Kunst

Prof. Dr. Tim Brockmann ist Professor für Zivilrecht und Prodekan für Forschung an der Kommunalen Hochschule für Niedersachsen (HSVN) und Mitveranstalter des Forums.
MMR-Aktuell 2025, 02026   Am 19. und 20.2.2025 fand das Norddeutsche KI-Forum mit gut 200 Teilnehmenden in Hannover statt. Veranstaltet wurde die Tagung von der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen (HSVN) und dem Beratungsunternehmen Althammer & Kill GmbH & Co. KG.

Prof. Dr. Michael Koop, Präsident der HSVN, und Thomas Althammer, Geschäftsführer von Althammer & Kill freuten sich über ausgebuchte Reihen – sie hatten Vertreter aus der Privatwirtschaft und aus der öffentlichen Verwaltung zu Gast. „Weg vom Inseldenken! Die grundlegenden Fragen zu Rechtmäßigkeit, Usecases und Prozessdesign sind zu ähnlich, um nicht miteinander zu sprechen.“ konstatieren die beiden Veranstalter in ihrer Eröffnung. Das Norddeutsche KI-Forum stand im Zeichen von sektorenübergreifenden Informationen, Einsatzfeldern und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI.

Von fachlicher Seite eröffnete Denis Lehmkemper, der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, mit dem Vortrag „KI-Einsatz aus Sicht der Datenschutzaufsicht“ die erste Session. Lehmkemper ist Datenschützer durch und durch und stellt die Wichtigkeit von Betroffenenrechten heraus; er skizziert auch bedenkliche Entwicklungen in den Vereinigten Staaten und China. Alles zu ermöglichen, was Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit fördert sei wichtiges Ziel der Legislative. Er plädierte dafür, Rechtsgrundalgen für die Nutzung von Trainingsdaten zu schaffen sowie Betroffenenrechte nicht aus dem Blick zu verlieren und gab zu bedenken, dass es bei der Verwendung von KI, insbesondere LLMs, für die weit überwiegende Zahl der Anwendungsfälle ausreichend sei, nicht immer ein vermeintliches Topmodell aus den USA zu bemühen und dass ein datenschutzfreundliches, europäisches Modell ebenso zu brauchbaren Ergebnissen kommen kann. Lehmkemper betont, dass es Aufgabe aller verantwortlichen Stellen sei, ein Klima des Möglichmachens zu schaffen. Insbesondere die DS-GVO und die KI-Verordnung stellten sich als zentrale normative Grundlagen dar, die man nötigenfalls ändern müsse, wenn sich diese als zu umständlich oder praxisfern erwiesen. Dass DS-GVO und KI-Verordnung regulativ nebeneinander treten, führe zu Verunsicherung bei sonst Innovationswilligen (vgl. einführend Kaulartz/Braegelmann, Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning; Radtke, Das Verhältnis von KI-VO und Art. 22 DS-GVO unter besonderer Berücksichtigung der Schutzzwecke, RDi 2024, 353).

Thomas Althammer sprach hiernach zu KI im Kontakt mit eigenen Daten: Microsoft Copilot & Co. im Kontext des Datenschutzes. Bei einer äußerst praxisrelevanten Vorstellung der Konzepte von Agentic AI und Retrieval-augmented Generation (RAG) wurde dargelegt (Vgl. Gao et al., Retrieval-Augmented Generation for Large Language Models: A Survey), wie KI-gestützte Systeme mit personenbezogenen Daten interagieren könnten (Vgl. Wietzke, Retrieval Augmented Generation – eine urheberrechtliche Betrachtung, RDi 2024, 538). Althammer wirbt für Optimismus und Vertrauen in neue Technologien und Pioniergeist: Künstliche Intelligenz könne man mittels Grounding und RAG auf einen halluzinations- und datenschutzrechtlich sicheren Pfad bringen. Davon würden insbesondere Fachanwendungen profitieren, wenn es zB um die Extraktion wesentlicher Fakten aus unstrukturierten Daten geht oder wenn Chatbots aktuelle Informationen aus Datenbanksystemen ausgeben sollen. Konzepte wie „pentalties“ in Prompts wirkten auf den ersten Blick bizarr, funktionieren aber tatsächlich. Althammer erläuterte die Funktionsweise von Diensten wie Microsoft Copilot und machte deutlich, dass ein großes Augenmerk auf das Prompting und die zugrundeliegenden Quelldaten gelegt werden muss, zB durch Datenklassifizierung.

In der anschließenden Podiumsdiskussion „Lebenslanges Lernen oder lebenslanges Anpassen? Wie KI Bildung verändert“ diskutierten Michael Sternberg, Geschäftsführer der Landesinitiative n-21, Benedikt Hüppe (Unternehmerverbände Niedersachsen e. V.) und Prof. Dr. Peter Daiser (HSVN) über die Auswirkungen von KI auf das deutsche Bildungssystem und die Arbeitswelt. Formale Abschlüsse verlören gegenüber Qualifikationen aus Fort- und Weiterbildungsprogrammen aus der Wirtschaft an Bedeutung, so Hüppe. Dies sei zwar kein KI-spezifisches Phänomen, KI zeige aber deutlich, dass Grundfähigkeiten und Grundkompetenzen in die schulische Allgemeinbildung gehörten, Spezialwissen erst in den späteren Bildungsweg. Schule müsse darauf achten, konkurrenzfähig zu bleiben.

Sternberg konzentrierte sich auf die Rolle von moderner Schule. Digitale und progressive Schule funktioniere nur mit gut ausgebildeten, progressiven Lehrern. Man müsse dringend verhindern, dass nur noch KI mit sich selbst arbeitet, also dass Schüler KI-generierte Inhalte einreichen, die dann von KI korrigiert würden.

Daiser stellt heraus, dass man sich derzeit in einer Art gesellschaftlichem Innovationsdilemma befände. Das Verbannen oder Überregulieren von KI sei nicht denkbar und es sei deswegen an der Zeit, an einige, anachronistische Bildungsansätze „die Axt anzusetzen“. Weiter in den Vordergrund unserer Bildung müssten Belastbarkeit, Engagement, Fleiß, Frustrationstoleranz und die Fähigkeit zu kritischem Denken rücken (Vgl. einführend Otto, Kritisches Denken als Leitziel der Lehre. Auswege aus der Verschulungsmisere, Die Hochschule: Journal für Wissenschaft und Bildung 19 (2010), 77).

Weder europäisch stark regulierte KI, noch die 4-Tage-Woche, seien unbedingt geeignete Mittel, dem Fachkräftemangel und internationalem Konkurrenzdruck, insbesondere durch andere Wirtschafts- und Industrienationen, sinnvoll zu begegnen, so alle Diskutanten. Wer sich auf bloße Wohlstandsverwaltung einrichte, erlebe bald Wohlstandsverlust.

Nach der Podiumsdiskussion wurden Usecases von KI vorgestellt: In gleichzeitigen Sessions kam im verwaltungsorientierten Teil Justus Engelland, Vertreter der Stabsstelle Digitalisierung & Smart City der Stadt Braunschweig zu KI-Pilotprojekten in der Stadtverwaltung Braunschweig zu Wort. Es konnte gezeigt werden, wie KI im Ratsinformationssystem, im Protokollerstellungsbereich und im Textproduktions- und Recherchebereich gewinnbringend eingesetzt wird. Christian Bredlow von der Digital Mindset GmbH trug gleichzeitig zu Building Amy – oder: wie ich mich 40 Stunden effizienter pro Monat bekommen habe zum Einsatz KI-basierter Assistenzsysteme im Unternehmenskontext vor.

In weiter parallelen Sessions wurde dann durch Dr. Andreas Kohne und Sabrina Donner (Landkreis Lüchow-Dannenberg) vorgestellt, wie die Integration von KI-Assistenten in den Verwaltungsalltag gelingt. In der Verwaltung sei es gut machbar, zahlreiche manuelle Prozesse durch KI zu automatisieren und so Effizienzsteigerungen zu erreichen. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg stellte im Detail die KI-unterstützte Robotic Process Automation EMMA vor. EMMA prüft Anträge auf Vollständigkeit und fordert fehlende Unterlagen selbstständig nach. Auch Wendi, ein KI-Telefonchatbot, ist in Lüchow-Dannenberg im Einsatz. Wendi telefoniert mit Bürgerinnen und Bürgern und verfasst und verschickt dann automatisch erstellte Telefonvermerke aus den Gesprächen an Mitarbeiter der Verwaltung. Bisher sei man in Lüchow-Dannenberg mit dem Credo, dass KI stets nur entscheidungsunterstützend tätig wird, nie aber entscheidungsersetzend, gut gefahren, so Donner (vgl. hierzu einführend, allerdings ohne Berücksichtigung der KI-VO, Guggenberger, Einsatz künstlicher Intelligenz in der Verwaltung, NVwZ 2019, 844 (848); Lorse, Entscheidungsfindung durch künstliche Intelligenz, Zukunft der öffentlichen Verwaltung, NVwZ 2021, 1657.

). Parallel zeigten Thomas Althammer und Wulf Bolte (Althammer & Kill) anhand von Praxisbeispielen, darunter der Einsatz des Social Robots „Navel“ in der Pflege und die Nutzung von ChatBots für die interaktive Möbelplanung in einer kleinen Tischlerei, das Potenzial KI-gestützter Lösungen. Benjamin Danneberg (Deep Content by Heise) sprach zum Einsatz von KI bei der heise-Gruppe und zur Nutzung generativer KI im Verlags- und Medienumfeld.

Der erste Tag der Tagung endete mit einem Vortrag von Joerg Heidrich (Heise Medien) zu KI, Bildern & Urheberrecht, in dem die urheberrechtlichen Herausforderungen im Kontext generativer, insbesondere bildgenerativer, KI veranschaulicht wurden. Der bildgewaltige Vortrag erörterte Grundlagen zum urheberrechtlichen Schöpfungsschutz und zur Menschlichkeit von Schöpfung und Werk im Sinne des Urheberrechts (vgl. Heidrich/Orlowski, Zwischen Code und Klausel, MMR 2024, 537; Hoeren, „Geistiges Eigentum“ ist tot – lang lebe ChatGPT, MMR 2023, 81; Ory/Sorge, Schöpfung durch Künstliche Intelligenz?, NJW 2019, 710).

Der zweite Tag der Tagung wurde inhaltlich von Lajla Fetic (appliedAI Institute for Europe) eröffnet; sie sprach zur europäischen KI-Regulierung. Der AI Act, die Funktionsweise der in Deutschland entsprechend in-Kraft-getretenen KI Verordnung, und die regulatorischen Auswirkungen auf Unternehmen und Behörden im Zeichen der Risikoklassifizierung standen im Mittelpunkt des Vortrags (Vgl. Eulenpesch/Malczyk, Wird die neue KI-Verordnung Ihren Alltag verändern?, GRUR 2025, 40; Guckelberger, Hochrisiko-KI-Systeme in der Verwaltung, DÖV 2025, 45; Gerdemann, Konformitätsbewertung als Kernpflicht der KI-Verordnung, NJW 2024, 2209).

Anschließend sprach Prof. Dr. Tim Brockmann zur rechtlichen Einordnung und Relevanz von Transparenz & Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen Künstlicher Intelligenz. KI sei kein Allheilmittel und eine Gesellschaft müsse sich vergegenwärtigen, dass soziale Interkation, Kommunikation von Entscheidungen und demokratische Legitimation von Eingriffsverwaltung Themen seien, die den Einsatz von intransparenter KI wenigstens erschwerten. Nicht jedes Problem, so Brockmann, könne man mit einer vermeintlichen KI-Lösung versehen, sodann als tatsächlich für immer gelöst betrachten und sich auf die Schulter klopfen. Ob Fachkräftemangel, bestehende Entscheidungstransparenz, gesellschaftliche Verrohungstendenzen und Akzeptanzdefizite durch KI „gelöst“ werden, sieht er kritisch (vgl. Merkle, Transparenz nach der KI-Verordnung – von der Blackbox zum Open-Book?, RDi 2024, 414; Nemitz, Künstliche Intelligenz und Demokratie, MMR 2024, 603; Brockmann, ChatGPT, die Lehre und die Verwaltung – wie verändert KI unsere Institutionen?, Nds. Vbl. 2023, 287).

Mit „Zwischen Spam-Knecht und Skynet – Wohin sich KI künftig (selbst) entwickelt“ trug Danneberg zum Ende der Tagung vor. Danneberg stellte heraus, wie wichtig Selbstverantwortung, Medienkompetenz und kritisches Denken heute und in der Zukunft seien. Hass, Falschinformation und Niedertracht seien zwar keine Erfindungen der Neuzeit, Künstliche Intelligenz sei aber als Werkzeug sehr wohl bei der Verbreitung gesellschaftsschädlicher Inhalte im Einsatz. Sich hiervon bewusst abgrenzen zu können und Inhalte richtig einordnen zu können seien die wichtigsten Kompetenzen der Zukunft.

Althammer und Brockmann sprachen das kurze Schlusswort und kündigten das 2. Norddeutschen KI-Forums für den 25. und 26.2.2026 in Hannover an.

Das Norddeutsche KI-Forum bot eine gelungene Übersicht zu den komplexen Wechselwirkungen zwischen Technologie, Datenschutz und KI-Verordnung. Während in den Keynotes normative und regulatorische Herausforderungen beleuchtet wurden, zeigten die vorgestellten Usecases und Pflegeroboter, die Verwaltungstelefonbots und automatische Antragsüberprüfungsintelligenzen, dass KI bereits in der Verwaltung und der Wirtschaft erfolgreich eingesetzt wird. Mehr Raum für Usecases und Werkstattberichte steht schon jetzt für 2026 auf der Agenda der Veranstalter.

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