CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
jaheader_neu

Erfahrungsbericht JA 2/2020

Von Christoph Fischer, Fabian Hoffmanns, David Schaeidt und Helene Stahl, Trier | Jan 29, 2020

Hansemoot 2019

I. Der Hansemoot – Moot Court im Verfassungsrecht

Der Hansemoot ist ein bundesweiter Moot Court, der Studierenden bis zum sechsten Semester die Möglichkeit bietet, Verfassungsrecht praktisch anzuwenden. Die Teamgröße ist dabei auf grundsätzlich vier Mitglieder festgelegt. Der Hansemoot fand nach der Premiere im Jahr 2017 im vergangenen Jahr zum zweiten Mal statt. Veranstaltet wird der Moot Court von dem Hamburgischen Verfassungsgericht in Kooperation mit der Bucerius Law School und der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. Insgesamt nahmen dieses Jahr 17 Teams von 15 verschiedenen Universitäten aus ganz Deutschland teil. Wir, das sind Christoph Fischer (2. Semester), Fabian Hoffmanns (2. Semester), David Schaeidt (4. Semester) und Helene Stahl (2. Semester), haben bei dem diesjährigen Wettbewerb unter der Betreuung von Dr. Thomas Spitzlei die Universität Trier vertreten.

Der Wettbewerb erfolgte in zwei Schritten. Zunächst wurde am 8.5.2019 ein Fall veröffentlicht, zu welchem dann ein Schriftsatz auf Antragsteller- und Antragsgegnerseite zu erstellen war. Die beiden Schriftsätze durften jeweils einen Umfang von 8.500 Wörtern nicht überschreiten. Am 20.9.2019 erfolgte dann die Abgabe der Schriftsätze und zugleich der Startschuss für die Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung, welche in Hamburg am 4. und 5.11.2019 stattfinden sollte. Jede mündliche Verhandlung dauerte etwa eine Stunde.

In der Verhandlung trat man zu zweit gegen ein Team einer anderen teilnehmenden Universität an. Jedes Team hielt einen Eingangsvortrag von 25 Minuten und anschließend eine Replik bzw. Duplik, in welcher auf den Vortrag des anderen Teams eingegangen wurde. Im Rechtshaus der juristischen Fakultät der Universität Hamburg wurde die Vorrunde der mündlichen Verhandlung abgehalten. Für die vier Halbfinalisten bot sich anschließend die Möglichkeit, die Verhandlung im Hanseatischen Oberlandesgericht zu führen. Als besonderer Abschluss fanden ein festlicher Empfang und die Preisverleihung im Hamburger Rathaus statt.

II. Der diesjährige Sachverhalt und seine rechtliche Einordnung

Der Sachverhalt unter dem Titel »Rausschmiss aus dem Bundestag« war dem Staatsorganisationsrecht entnommen. Es ging um die Frage, unter welchen Umständen ein Abgeordneter aufgrund seiner Redebeiträge aus dem Deutschen Bundestag verwiesen werden kann.

Der tatsächliche Aufhänger des Falls waren die sich in der jüngeren Vergangenheit häufenden polemischen Redebeiträge von Abgeordneten in verschiedenen Parlamenten auf Bundes- und Länderebene (vgl. vor allem HmbVerfG NordÖR 2018, 198 und VerfG Bbg BeckRS 2018, 23512).

Im Fall titulierte die Abgeordnete Astrid Achterwald (A) die Bundeskanzlerin unter anderem als Ausländerhasserin. Auch sei diese »aus dem Bundeskanzleramt zu jagen«. Aufgrund dieses Redebeitrags entstanden im Parlament tumultartige Szenen, und die Bundestagspräsidentin verwies die A aus dem Saal. Im Hinblick auf die Beeinträchtigung der parlamentarischen Rechte der A aus Art. 38 I GG stellte sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses.

Dreh- und Angelpunkt war die Ermächtigungsgrundlage in § 38 I GO-BT, nach der der Bundestagspräsident einen Abgeordneten bei einer gröblichen Verletzung der Ordnung oder Würde des Bundestags aus dem Saal verweisen kann. Bei der Subsumtion unter § 38 I GO-BT ergaben sich bereits erste Probleme. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der Ordnung und Würde des Parlaments mussten zunächst einmal konkretisiert werden. Dies gestaltete sich im Hinblick auf die lange Historie der Begriffe und ihre Wertungsabhängigkeit als enorm schwierig. Im Ergebnis jedoch schützen die Begriffe die Funktionsfähigkeit des Parlaments, indem sie einen disziplinierten und geregelten Ablauf der Debatten im Parlament gewährleisten sollen. Nachdem man unter Verweis auf die tumultartigen Szenen im Parlament mit gewissem Begründungsaufwand eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit feststellen konnte, galt es, den Blick auf die Rechtsfolgenseite zu richten. Fraglich war nämlich vor allem, ob der Ausschluss verhältnismäßig war.

Bei der Erforderlichkeitsprüfung war zu erörtern, inwieweit etwaige mildere Mittel (zB ein Ordnungsruf oder ein Ordnungsgeld, vgl. §§ 36, 37 GO-BT) als geeignet anzusehen waren. An dieser Stelle ist jedoch der Bundestagspräsidentin ein weiter Ermessensspielraum zuzuschreiben, um die Unabhängigkeit des Parlaments zu gewährleisten. Aus der Parlamentsautonomie ist zudem ein gerichtlich nur eingeschränkt zu überprüfender Beurteilungsspielraum abzuleiten. Im Ergebnis war die Erforderlichkeit daher zu bejahen. Letztlich kam es somit im Rahmen der Angemessenheitsprüfung auf eine Abwägung im Einzelfall an. Einerseits ist eine Störung der Funktions- bzw. Repräsentationsfähigkeit des Bundestages zu berücksichtigen, andererseits kann eine massive Beeinträchtigung der parlamentarischen Rechte der A nicht geleugnet werden.

Zu berücksichtigen war, dass A Kritik an der Regierung übte, was als Ausdruck der Kontrolle der Regierung durch die Opposition anzusehen ist und daher durch das freie Mandat aus Art. 38 I GG gedeckt ist. Jedoch war auch zu betonen, dass das Parlament zwar von regen Debatten lebt, allerdings nicht jede Äußerung gestattet sein kann. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments ist zentraler Bestandteil der repräsentativen Demokratie, da ohne diese eine Meinungsbildung innerhalb des Parlaments unmöglich wird und dieses daher seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Die aggressiven Behauptungen der A gefährdeten eine lebhafte, aber sachbezogene Diskussion. Außerdem war zu beachten, dass die parlamentarischen Rechte des einzelnen Abgeordneten dieselbe Stoßrichtung wie die Funktionsfähigkeit des Parlaments haben, da beide eine konstruktive Debatte gewährleisten wollen.

M04_Bild1

III. Der Ablauf in Hamburg

Nachdem wir uns in den Schriftsätzen intensiv mit den soeben skizzierten Rechtsfragen auseinandergesetzt hatten, ging der Moot Court Anfang November in die heiße Phase. Nach dem Ankommen in unserer Unterkunft am Freitagnachmittag, dem 1.11.2019, stand für uns zunächst ein Wochenende der Vorbereitung auf dem Plan: Intensives Training der Vorträge und Anpassung von Details sind zeitraubend, für einen souveränen Vortrag aber notwendig. Dennoch blieb uns auch die Gelegenheit, das schöne Hamburg kennenzulernen und beispielsweise die Speicherstadt und den Hafen zu bestaunen.

Am Montag wurde es dann ernst. Im Businesslook und unter gesunder Anspannung fuhren wir zum Rechtshaus der Universität Hamburg. Dort angekommen meldeten wir uns zur Vorrunde zunächst im dafür vorgesehenen Raum an, in welchem sich auch schon andere Teams befanden – im weiteren Verlauf vielleicht unsere potentiellen Kontrahenten. Wenige Minuten vor unserer ersten Verhandlung, die für 11:30 Uhr gegen das Team der Universität Bochum angesetzt war, wurden wir zu einem Seminarraum gebracht, der für diesen Tag zum Gerichtssaal umgebaut war. Helene Stahl und David Schaeidt fungierten unsererseits als Antragsteller. Nach der Eröffnung erteilte der Vorsitzende Richter dem Antragsteller das Wort und unser Vortrag begann. Von der anfänglichen Anspannung war kurz nach Beginn schon kaum mehr etwas zu spüren. Ist die Konzentration einmal auf den Inhalt gelenkt, steht nur noch dieser im Vordergrund.

Zwischendurch wurden wir von der Richterbank durch Fragen unterbrochen, die teilweise zum Entstehen eines Rechtsgesprächs führten. Dies stellte eine besondere Herausforderung dar, da wir nun zeigen mussten, wie intensiv wir die Materie durchdrungen hatten. Nach 25 Minuten setzten die Bochumer zur Antragserwiderung an. Pausenzeit war das für uns aber nicht, im Gegenteil: Es galt, aufmerksam zuzuhören, um inhaltliche Punkte für die Replik zu finden. Wo sind die Schwachstellen der gegnerischen Argumentation? Gibt es Widersprüche, auf die wir aufmerksam machen sollten? Welche Teile unseres Vortrags sollten nochmal nachdrücklich betont werden?

Diesen Fragen konnten wir uns erst jetzt widmen, da uns der Schriftsatz unseres Gegenübers vorher nicht bekannt war. Darüber hinaus musste sich unsere Replik im Rahmen von fünf Minuten halten. Unter diesen Bedingungen mussten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Da die Replik allerdings nicht durch Fragen der Richter unterbrochen wurde, konnten wir diese Zeit immerhin voll ausnutzen. Im Anschluss an die Duplik des Bochumer Teams endete unsere erste Verhandlung an diesem Tag.

Die andere Hälfte unseres Teams hatte die Runde gegen Bochum als Zuschauer verfolgt und musste um 15:30 Uhr in die Rolle des Antragsgegners schlüpfen. Für Christoph Fischer und Fabian Hoffmanns als Vertreter des Antragsgegners bestand die Herausforderung darin, dem 25 Minuten langen Vortrag der Antragsteller von der Universität Bonn sehr aufmerksam zu folgen, da nach unserer Antragserwiderung nur fünf Minuten zum Anfertigen der Duplik blieben, in denen wir auch noch die Reaktion auf die Inhalte der Bonner Replik einarbeiten mussten. Andererseits bot sich uns so das Privileg des »letzten Worts«, unsere Duplik sollte also unwidersprochen bleiben.

Wenige Stunden später kam es dann zur Ergebnisverkündung in den Räumlichkeiten der Bucerius Law School. Bei einem vom Hamburgischen Anwaltverein organisierten Empfang fanden sich dort alle Teams ein und erwarteten gespannt die Entscheidung der Jury, wer am Tag danach im Hanseatischen Oberlandesgericht zum Halbfinale antreten darf. Dies orientierte sich an einer Punkteskala, die Schriftsätze und mündliche Leistungen berücksichtigte. Für jeden der beiden Schriftsätze wurden bis zu 100 Punkte vergeben. Für beide Vorträge des Teams kamen nochmal insgesamt maximal 100 Punkte hinzu.

Als dann die Ergebnisse verkündet wurden, war klar: Die nächste Runde steht an. Wir hatten den Einzug in das Halbfinale geschafft. Trotz aller Freude hieß dies für uns auch, dass dieser Abend wohl einer letzten Nachschärfung der Vorträge unter Einfluss der Erfahrungen aus der Vorrunde geopfert werden musste.

Das Halbfinale fand in einem eindrucksvollen Sitzungssaal des Hanseatischen Oberlandesgerichts statt. Diesmal nahmen wir wieder die Position des Antragstellers ein, allerdings gegen das Team aus Bonn, das wir aus Antragsgegnerperspektive aus der Vorrunde kannten. Den Vorsitz führte Michael Eichberger, Richter am Bundesverfassungsgericht a.D. Auch veränderte sich die Anzahl der Richter: Waren es vorher noch zwei, so waren es jetzt drei Richter, die im Rahmen der Verhandlung regen Gebrauch von ihrem Fragerecht machten. Nach eingehender Beratung wurde verkündet, dass Bonn im Finale steht. Dieses fand noch am selben Tag statt und brachte das Team aus Bochum als Sieger des Hansemoot 2019 hervor.

M04_Bild2

Die Abschlussveranstaltung mitsamt Preisverleihung fand im festlichen Rahmen abends im Hamburger Rathaus statt. Nach einleitenden Grußworten der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit, und des Präsidenten des Hamburgischen Verfassungsgerichts, Friedrich-Joachim Mehmel, erfolgte der Festvortrag zum Thema der Meinungsfreiheit von Dr. Robert Leicht, dem ehemaligen Chefredakteur der ZEIT. Bei der anschließenden Preisverleihung wurden wir zu unserer Freude nicht nur für den dritten Gesamtplatz ausgezeichnet, sondern erhielten auch den Preis für den besten Schriftsatz des Antragstellers. Erschöpft, aber zufrieden mit unserer Leistung traten wir noch am selben Abend die Heimreise nach Trier an.

IV. Unsere persönlichen Erfahrungen

Aus unserer Arbeit an den Schriftsätzen und der anschließenden Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlungen konnten wir für die Zukunft unserer juristischen Ausbildung jede Menge wertvolle Erfahrungen mitnehmen.

Die Ausarbeitung des Schriftsatzes und die intensive Auseinandersetzung mit dem gestellten Fall haben uns auf einem ganz anderen Niveau als die bisher geschriebenen Hausarbeiten gefordert. Insbesondere, da wir die Rolle von Interessenvertretern einnehmen mussten und somit nicht neutral, sondern zugespitzt und wertend argumentieren und formulieren mussten. Eine besondere Schwierigkeit war das Heraussuchen von Mindermeinungen, die man dann teilweise entgegen der herrschenden Meinung schlüssig argumentiert als bessere Lösung vertreten musste. Hierbei waren vor allem der richtige Umgang mit Quellen und das saubere Zitieren essentiell. Diese Kompetenzen in Bezug auf den Umgang mit Quellen und der Argumentationsarbeit sind Schlüsselqualifikationen, die uns im weiteren Studium immer wieder begegnen werden, und die wir in diesem Wettbewerb deutlich verbessern konnten.

Insbesondere der mündliche Vortrag in Hamburg war eine überaus wertvolle und für uns wichtige Erfahrung. Normalerweise findet man sich in den ersten Semestern des Studiums nicht in einer mündlichen Prüfungssituation wieder. Das ist insofern schade, als gerade eine mündliche Prüfung eine besondere Herausforderung darstellt. So auch in der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Hansemoot. Nicht nur der zwar vorbereitete aber weitgehend frei gehaltene Vortrag, sondern auch der Umgang mit kritischen Rückfragen erforderten ein hohes Maß an Sicherheit in der Materie. Im ganzen Vortrag ergaben sich Zeitprobleme, da wir unsere jeweils sehr umfangreich ausgearbeiteten Positionen, die wir zunächst in knapp 8.500 Wörtern dargelegt hatten, nun in 25 Minuten vorstellen sollten. In der Replik bzw. Duplik mussten wir frei auf den Vortrag des gegnerischen Teams reagieren. Das stellte sich als besonders schwierig heraus, da wir während des Vortrags der anderen Seite, deren Argumente wir zum ersten Mal hörten, unsere Replik bzw. Duplik vorbereiten und sodann frei improvisiert vortragen mussten.

Insgesamt haben wir aus diesem Projekt und insbesondere der mündlichen Verhandlung die Erfahrung mitgenommen, mit Druck und Stress in einer prüfungsähnlichen Situation umzugehen und auch unter Zeitdruck sauber zu arbeiten. Wir können den Hansemoot daher allen am Staatsrecht Interessierten ans Herz legen. Der zeitliche Aufwand von ca. zwei Monaten war während des laufenden Semesters ohne größere Probleme zu bewerkstelligen. Aus unserer Sicht hat sich dieser zeitliche Mehraufwand voll und ganz ausgezahlt.

Bedanken möchten wir uns bei unserem Betreuer, Dr. Thomas Spitzlei, für die Beratung bei dem Anfertigen der Schriftsätze und dem Einüben der Vorträge sowie den finanziellen Förderern unserer Teilnahme am Hansemoot: dem Juristen Alumni Trier e.V., dem Freundeskreis Trierer Universität e.V. und Prof. Dr. Timo Hebeler.

Kommentar abgeben

Bewerbertag Jura 2023

BTJ 2023 Anzeigen

Anzeigen

JA_Banner_animiert_300x130

JA_Premium_bo_Banner_animiert_300x130

BECK Stellenmarkt

Teilen:

Menü