Von
Sabine Kramer, Universität Passau, und Anna Marie Chlantová, Universität Prag | Nov 29, 2017
Erfahrungsbericht zum 5. Deutsch-Tschechischen Rechtsfestival
Bereits zum fünften Mal fand das Deutsch-Tschechische Rechtsfestival vom 18. bis zum 24. September zwischen den beiden Städten Passau und Prag statt. Dabei diente es insbesondere als Plattform der Kommunikation und des Austauschs für Studierende, Referendare und wissenschaftlicher Mitarbeiter beider Länder. Ermöglicht durch zahlreiche Sponsoren wie beispielsweise die Bayerisch-tschechische Hochschulagentur, den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, bpv Braun Partners, das BOHEMICUM Regensburg-Passau und Giese & Partner fand der erste Teil der einwöchigen Tagung an der Universität in Passau, der zweite Teil an der Karls-Universität in Prag statt.
Die Universität Passau ist mit ihren gerade einmal 40 Jahren eine der jüngsten und modernsten Universitäten Deutschlands, wohingegen die Karls-Universität mit ihren über 600 Jahren als älteste Universität Mitteleuropas gilt. Bereits dieser Altersunterschied verdeutlicht die breitgefächerte Vielzahl an Möglichkeiten, Unterschiedliches voneinander lernen zu können.
Den thematischen Einstieg übernahm Prof. JUDr. Milan Damohorský, DrSc., mit einem Vortrag über den Klimaschutz und dessen Entwicklungen. Vergleiche zwischen den Ansichten und Problemen beider Länder kamen bei dieser Thematik nicht zu kurz. Die Tendenz in Deutschland zur Photovoltaikanlage auf jedem Eigenheim stand der Problematik in Tschechien, welches viel Braunkohle, aber wenige geeignete Flüsse für Wasserkraftwerke besitzt, gegenüber. Zentrales Element des Klimaschutzes sei eine gemeinsame aber unterschiedliche Verantwortung der Staaten. Anschließend stellte Prof. Dr. Hans-Georg Dederer das Pariser Abkommen aufgrund dessen Prinzips zur Selbstverpflichtung quasi als »Klimaschutz à la carte« dar, welches sich seiner Meinung nach als zwar voraussichtlich nicht effektiv genug, aber alternativlos herausstellen wird. Optimismus sei dabei unverzichtbar. Passend zur Bundestagswahl in Deutschland wurden von Prof. Dr. Urs Kramer auch die aktuellen Entwicklungen in der deutschen und von Doc. JUDr. PhDr. Jan Wintr, Ph.D., die der tschechischen Politik angesprochen. Beendet wurde der erste Tag durch ein gemeinsames Abendessen und einen geselligen Besuch im Stammlokal der Passauer Studierenden.
Der zweite Vormittag befasste sich zuerst mit der Frage, wie verfestigte Strukturen am besten aufzureißen seien und die Frauenquote in der Gesellschaftsleitung erhöht werden könnte. Denn obwohl in Tschechien mehr als die Hälfte aller Uniabsolventen Frauen sind, beträgt die Frauenquote in Vorständen gerade einmal 9 %. Nach Ansicht der Referentin JUDr. Lucie Josková, Ph.D., LL.M., ist eine feste Minderheitenquote für einen Erfolg in naher Zukunft unumgänglich. Während Prof. Dr. Dennis Solomon, LL.M., und JUDr. BC. Jan Brodec, LL.M., eine sehr anschauliche und unterhaltsame Einführung in das internationale Vertrags- und Insolvenzrecht gaben, wurde der Nachmittag von dem schwerverdaulichen Thema der Nürnberger Prozesse geprägt. Die beiden Vortragenden JUDr. Jiří Šouša, Ph.D., und Prof. Dr. Sebastian Martens zeigten aus der Sicht beider Länder erneut, dass die größten Katastrophen anthropogener Natur sind. Nach dem akademischen Programm wurden die Teilnehmer von Eva-Maria Kaiser-Leucht, Präsidentin des Landgerichts in Passau, durch das Gerichtsgebäude und ihr beeindruckendes Arbeitszimmer geführt. Im Anschluss an das gemeinsame Abendessen folgte eine Stadtführung durch die historische Innenstadt von Passau.
Die letzten Vorträge in Passau befassten sich zum einen mit dem kurzweiligen Vortrag von Doc. JUDr. Vojtěch Stejskal, Ph.D., zum strafrechtlichen Umweltschutz bzw. mit der Aufklärung der Frage, was der Schmuggel des Papageien Ara mit der Rache der Pharaonen gemeinsam hat. Zum anderen mit den von Prof. Dr. Kai von Lewinski vorgestellten Kodifikationsstrategien im Zivilrecht. Dabei wurde unter anderem anhand des Beispiels des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches im Vergleich zur Zivilprozessordnung deutlich, dass die Bezeichnung als Gesetz nur als Indiz fungieren kann.
Als krönender Abschluss des ersten Teils und für einen ersten Eindruck von Prag erwartete die Teilnehmer nach der gemeinsamen Busreise ins Nachbarland eine Bootsfahrt auf der Moldau.
Der erste Tag in der goldenen Stadt begann mit zwei Doppelvorträgen über die Themen Sterbehilfe und Schiedsgerichtsbarkeit im Sportbereich. Dr. Oliver Gerson und JUDr. Lucie Široká stellten das moralisch diffizile Thema Sterbehilfe im Kontext der Gesetzeslage des jeweiligen Landes vor. Die folgende kontroverse Diskussion betonte die Komplexität dieser Problematik. Die folgenden Beiträge von JUDr. David Kohout Ph.D. und Prof. Dr. Thomas Riehm brachten die Frage der Schiedsgerichtbarkeit im Sportsrecht auf. Am Fall Claudia Pechstein wurde gezeigt, dass diese Verfahren aufgrund ihrer Schnelligkeit für Sportler notwendig sind und wie sie die deren Karriere beeinflussen können.
Am Nachmittag folgten zwei Vorträge deutscher Rechtsanwälte, die in Tschechien ihre Tätigkeit ausüben. RA Arthur Braun, M. A., berichtete den Teilnehmern von aktuellen Fragen des Energierechts und RA Dr. Ernst Giese stellte in seinem Vortrag »Ein deutscher Rechtsanwalt in der Tschechischen Republik« Leben und Beruf in Prag aus der Sicht eines Deutschen vor. Aufgrund von gesundheitlichen Problem des Vortragenden musste der nächste Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Hromadka, Gründer des Deutsch-Tschechischen Rechtsfestivals, zum Thema Arbeitsrecht leider frühzeitig abgebrochen werden. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde das akademische Programm am Donnerstag mit einem Beitrag zu den aktuellen Entwicklungen im europäischen Zivilverfahrensrecht von Prof. Dr. Wolfgang Hau abgeschlossen. Auch das Rahmenprogramm kam an diesem Abend nicht zu kurz, so wurden den Teilnehmern Einblicke in den tschechischen Senat des Parlaments gewährt.
Der letzte Tag begann mit einer Liveschaltung zu Dr. Michal Bobek und dessen Rolle und Einfluss als Generalanwalt am EuGH. Anschließend erzählte Dr. Petra Škvařilová-Pelzl von der Arbeit in der Verwaltung des EuGH. Mit persönlichen Erzählungen gab sie eine Übersicht über die Besonderheiten des EuGH und die daraus entstehenden einzelnen Herausforderungen. Der folgende Block widmete sich dem Thema der Verfassungsgerichtsbarkeit. Auf den Vortrag EU Law Agenda in the Case Law of the Constitutional Courts vom Kanzler des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik, JUDr. Mgr. Ivo Pospíšil, Ph.D., folgte Prof. Dr. Rainer Wernsmann mit der Europäischen Agenda der Verfassungsgerichtbarkeit. Am Nachmittag berichtete Prof. Dr. Frank Maschmann über die zunehmenden Mitarbeiterkontrollen in der digitalen Arbeitswelt und wie die neue Datenschutzgrundverordnung das BDSG grundlegend verändern wird. Schließlich rundete Doc. Dr. iur. Mag. phil. Harald Christian Scheu, Ph.D., mit einem sehr aktuellen Beitrag zu den Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise im Lichte des Menschenrechtsschutzes die Vortragsreihe des Rechtsfestivals ab.
Zum Abschluss organisierten die tschechischen Studenten noch eine interessante Stadtführung mit einigen der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Prag wie die Karlsbrücke, die Prager Burg und die älteste noch funktionierende astronomische Uhr am Prager Rathaus. Mit Deutsch als Tagungssprache waren die deutschen Studierenden und Vortragenden als Muttersprachler zwar bevorteilt, dennoch tat dies der Kommunikation aufgrund der herausragenden Fremdsprachenkenntnisse der tschechischen Kollegen keinen Abbruch.
So trug das Rechtsfestival mit seinem abwechslungsreichen Themenquerschnitt und einem gelungenen Rahmenprogramm erneut zu einer Vertiefung der Deutsch-Tschechischen Zusammenarbeit und Freundschaft bei.