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Erfahrungsbericht JA 4/2017

Von Promovend und Assessor iuris Amadeus Peters, Berlin | Mrz 21, 2017

Tagungsbericht: Berlin Legal Tech
(Hackathon & Konferenz)


Die juristische Arbeitsweise wird bisher vornehmlich in digitale Arbeitsabläufe überführt, ohne den Kern der geläufigen Arbeitsabläufe und Geschäftsmodelle zu berühren. Unter dem Begriff »Legal Tech« entstehen derzeit jedoch viele Ideen und Technologien, deren Ziel es ist, die bestehenden juristischen Dienstleistungen wesentlich effektiver, qualitativ besser, allgemein zugänglicher oder gar ganz neu zu gestalten.

Zum Thema Legal Tech fand in Berlin vom 8. bis zum 10.2. zum ersten Mal die Veranstaltung »Berlin Legal Tech« (Hackathon & Konferenz) statt. Veranstalter waren RA und Unternehmer Florian Glatz sowie Prof. Dr. Stephan Breidenbach von der Europa-Universität Viadrina. Die Veranstaltung richtete sich an Juristen und Juristinnen, Legal Engineers (Juristen und Juristinnen mit technischer Expertise), Software-Entwickler und -Entwicklerinnen sowie Software-Designer und -Designerinnen und drehte sich um drei Themenschwerpunkte: die Industrialisierung von Rechtsdienstleistungen sowie juristische Anwendungsmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz und für die Blockchain-Technologie (Blockchain ist eine dezentralisierte Datenbank, die aufgrund des verwendeten Verfahrens als fälschungssicher gilt; das bekannteste Anwendungsbeispiel ist die Kryptowährung Bitcoin). An den ersten beiden Tagen fanden ein Hackathon und mehrere Workshops statt. Am dritten Tag folgte eine Konferenz.

An dem sog. Hackathon – also einem Marathon für technische Kniffe (Hack) – nahmen 100–120 vornehmlich junge Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus zehn Ländern aktiv teil. Am Morgen des ersten Tages konnten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Brainstorming-Räumen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten neue Legal-Tech-Ideen entwickeln. Um die dort entstandenen Ideen formten sich anschließend frei Gruppen, die mit der Ausarbeitung und der Umsetzung der Ideen anfingen. Die Arbeitssprache war in der Regel Englisch, jedoch befassten sich die meisten Gruppen mit dem deutschen Rechtsmarkt. Die Stimmung war sehr locker, kollegial und zugleich produktiv. Dazu trugen sicherlich der Veranstaltungsort, eine 300 m² große Altbauwohnung in Charlottenburg, und die gute Verpflegung bei. Am Abend des zweiten Tages mussten die Gruppen versuchen eine Jury von ihrer Idee in einer englischsprachigen Präsentation vor Publikum zu überzeugen. Die Jury bestand aus Shermin Voshmgir (Blockchain Hub Berlin), Alexander Ruppert (Earlybird VC), Julien Lasala (Dentons/Nextlaw Labs Europe Innovation) und Meng Wong (Entrepreneur, VC, Computer Scientist, Visiting Fellow Harvard Law School, Berkman Klein Center for Internet & Society). Unter den von den Teams vorgestellten Ideen waren unter anderem Compliance-Lösungen für die neue Datenschutzgrundverordnung oder die Arbeitnehmerüberlassung, automatische AGB-Prüfungen für Online-Shops oder für Schönheitsreparaturklauseln in Mietverträgen, Chatbots zur Wahrnehmung von Verbraucherrechten und ein Online-Arbitration-Model für Smart Contracts. Den meisten Gruppen gelang es bereits Prototypen vorzuführen. Die Jury kürte anschließend das Team mit dem Projekt »RENO Jane« zum Gewinner des Hackathons. »RENO Jane« ist eine Software, die die Steuerung jedes geläufigen Kanzlei-Management-Systems durch Sprach-Befehle erlaubt und die zu einer Verdoppelung der Benutzungsgeschwindigkeit führen soll.

In den parallel stattfindenden Workshops hatten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Hackathons die Möglichkeit Einführungen in die Technologien Blockchain und Smart Contracts zu erhalten. Auch gaben erfahrene Experten und Expertinnen Hinweise für die Entwicklung von Ideen bis hin zur Gründung von Legal Tech Startups und Gründer berichteten aus erster Hand von ihren Erfahrungen.

Am dritten Tag fand eine Konferenz zu Legal Tech statt, die überwiegend von einem Fachpublikum besucht wurde. Unternehmer, Unternehmensgründer, Anwälte, Wissenschaftler und eine Anwältin hielten kurze Impulsvorträge zu den drei Themenschwerpunkten, die in einer anschließenden Break- out-session vertieft werden konnten. Zudem präsentierten die Gewinner des Hackathons ihr Projekt, bevor eine Podiumsdiskussion mit Markus Hartung (Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession), Tobias Freudenberg (Chefredakteur NJW) und Sven Bode (Gründer von flightright.de) zu »Wunsch und Wirklichkeit« von Legal Tech die Veranstaltung beendete.

Die Vorteile und Grenzen der Digitalisierung und Automatisierung von juristischem Wissen und juristischen Arbeitsprozessen waren zentrale Fragen des Hackathons und der Konferenz. Diskutiert wurde, ob neben der Kosteneinsparung die Effizienzsteigerung nicht zugleich auch die Qualität der juristischen Arbeit steigert, da einerseits repetitive Tätigkeiten – die eine hohe Fehleranfälligkeit haben – ersetzt und zugleich die Qualität durch Standardisierung, Qualitätssicherungsmechanismen und Risikoauswertungen verbessert würden. Passend hierzu wurden Lösungen aus der Praxis vorgestellt, die unter anderem auf Künstlicher Intelligenz beruhen. Auch wurde ein Forschungsprojekt über eine universelle Computersprache für Verträge vorgestellt.

Die nunmehr mögliche Effizienzsteigerung wurde aber auch im Hinblick auf den Zugang zum Recht – insbesondere die Durchsetzung von Verbraucherrechten – und einer damit verbundenen Erweiterung des Rechtsmarktes diskutiert. Betroffen hiervon würden insbesondere geringe Ansprüche, deren Geltendmachung bisher aus zwei Gründen ausgeblieben sei. Erstens seien der Streitwert zu gering und zugleich der Arbeitsaufwand zu hoch, um aus anwaltlicher Perspektive wirtschaftlich arbeiten zu können. Zweitens hätten bisher der mit der Durchsetzung eines Anspruchs verbundene Aufwand und das Kostenrisiko den Anspruchsinhaber abgeschreckt. Beispielhaft wurde dies an flightright.de diskutiert, einer Online-Plattform, die ohne Kostenrisiko gegen eine Erfolgsbeteiligung die Ansprüche von Fluggästen aus Flug-Verspätungen geltend macht.

Kontrovers wurde schließlich die zukünftige Entwicklung von Legal Tech und der damit verbundenen Änderungen des Rechtsmarktes diskutiert. Einerseits wurden die aktuellen technischen Grenzen aufgezeigt und darauf hingewiesen, dass sich viele Ideen erst noch in der Entwicklung befänden. Andererseits wurde wiederholt auf das Potenzial und die damit möglicherweise verbundenen »disruptiven« – also den status quo vollständig verdrängenden (so wie die DVD die VHS verdrängt hat) – Kräfte hingewiesen. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle jedoch bleiben, dass viele der Redner und Rednerinnen und der Teilnehmer und Teilnehmerinnen selbst erfolgreich im Legal-Tech-Markt sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Besuch der Berlin Legal Tech sich für jeden Juristen und jede Juristin lohnt. Eine bessere und direktere Informationsquelle über die aktuellen Änderungen im Rechtsmarkt und den Ausblick in die Zukunft des Rechtsmarktes lässt sich wohl kaum erhalten. Sei es durch die Vorträge und Workshops oder die Gespräche mit den anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, von denen viele sich in der einen oder anderen Form bereits im Legal-Tech-Markt bewegen. Und schließlich ist ein Legal-Tech-Hackathon eine tolle Erfahrung!

Nachdem die erste Berlin Legal Tech (Hackathon & Konferenz) nicht nur inhaltlich, sondern auch gemessen an den Besucherzahlen (mehr als 100 Personen standen auf der Warteliste) ein voller Erfolg war, darf man sich auf die zweite Auflage im kommenden Jahr freuen.

Videoaufnahmen der Workshops und Vorträge sind teilweise abrufbar unter:
https://www.youtube.com/playlist?list=PL3bvPCw5QCLJukbfwnu3hvtXX89wCDPWW

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