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Erfahrungsbericht JA 3/2016

Von Ref. jur. Björn Krämer, Bonn | Feb 17, 2016

Schule des Polnischen Rechts – LL.M. »Polnisches Wirtschaftsrecht« an der Jagiellonen Universität Krakau

Begibt man sich auf die Suche nach dem passenden LL.M.-Programm wird man zwangsläufig mit Programmen von Universitäten in Nordamerika oder England konfrontiert. Dafür spricht das weltweite Renommee von Universitäten wie Cambridge, Harvard, Princeton uvm. Warum sollte man sich also für einen LL.M. in Krakau entscheiden, insbesondere wenn man keinen polnischen Background hat?

Zweifel an den genannten Programmen können aufkommen, wenn man bedenkt, wie viele Semester ein Studium über das deutsche Recht in Anspruch nimmt und man dennoch die Materie nicht in vollem Umfange verinnerlichen kann. Wie soll dies über ein fremdes Rechtssystem in einem Jahr möglich sein? Wenn das Ziel weniger der Erwerb der englischen Sprache, sondern die juristische Weiterbildung ist, sollte man sich intensiver mit dem Krakauer LL.M.-Programm beschäftigen.

Vorteile des Programms

Die Ausbildung an der juristischen Fakultät der Jagiellonen-Universität Krakau gilt als die Schwerste aber auch Beste in Polen. Im Zuge der Förderung der deutsch-polnischen Beziehungen ist das dortige Programm ausschließlich auf deutsche Juristen ausgelegt. Daraus entspringt der Vorteil, dass insbesondere die Dozenten im Schuld und Gesellschaftsrecht regelmäßig Vergleiche zum deutschen Recht ziehen. Den Studenten werden die Bereiche aufgezeigt, in denen sich deutsches und polnisches Recht entsprechen. Diese Entsprechung von Rechtsinstituten ist auf die geschichtliche Entstehung des polnischen Zivilgesetzbuches sowie die europäischen Einflüsse zurückzuführen. So galten, als die Kodifizierungskommission ihre Arbeit aufnahm, auf polnischem Staatsgebiet fünf Rechtsordnungen. Dies waren das deutsche BGB, das österreichische ABGB, der französische Code Civil, sowie die damals geltende ungarische und russische Zivilrechtsordnung. Bei der Erschaffung einer neuen polnischen Rechtsordnung wurde somit zwangsläufig auf diese Rechtsordnungen und darüber hinaus auf das schweizerische ZGB zurückgegriffen (wobei das deutsche und das französische Recht den größten Einfluss hatten). Aus dieser Geschichte heraus ist auch erklärbar, dass das Oberste Gericht bei seiner Rechtsfindung teilweise einen Blick auf die BGH-Rechtsprechung wirft, so zB im Gesellschaftsrecht in einem der Holzmüller-Entscheidung ähnelnden Fall. Andererseits wird den Studenten auch deutlich vor Augen geführt, in welchen Bereichen sich die Rechtssysteme unterscheiden, worauf der deutsche Jurist im polnischen Recht also besonders Acht geben muss. Beispielsweise existiert im polnischen Zivilrecht kein Abstraktionsprinzip, stattdessen hat die Kodifikationskommission das Einheits- und Kausalitätsprinzip aus dem Code Civil übernommen. Aus diesen Vergleichen der Dozenten resultiert für die deutschen Studenten der Vorteil, dass sie beim Erlernen des neuen Rechtssystems das bereits bekannte deutsche Recht vertiefen. Vorteilhaft ist zudem, dass die Gesetzestexte und Skripte in deutscher Sprache verfasst sind und somit auch hier den Studenten das Erlernen des polnischen Rechts erleichtert wird.

Insbesondere im Wirtschaftsrecht können Beziehungen zum größten östlichen Nachbarland wichtig sein. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist Deutschland seit zwei Jahrzehnten der mit Abstand größte Handelspartner Polens. Polen wickelt etwa 26 % seiner Exporte und ca. 22 % der Importe mit Deutschland ab. Eine weitere dynamische Entwicklung der polnischen Wirtschaft ist anzunehmen. Mit dem LL.M.-Programm können sich Studenten zum einen abgrenzen, aber auch wichtige Kenntnisse über das Rechtssystem dieses wichtigen Handelspartners in Wirtschaftskanzleien oder Unternehmen einbringen.

Programmablauf

Das Programm ist zweigliedrig aufgeteilt. Im ersten Semester bestreiten die Studenten die Schule des polnischen Rechts. Hier treffen sowohl aktuelle Studenten der Rechtswissenschaft (ab dem dritten Fachsemester) als auch examinierte Juristen aufeinander. Erstere können das Semester an ihrer Heimatuniversität als Urlaubssemester anrechnen lassen, sodass die Chance auf den Freischuss nicht gemindert wird. Der Fächerkanon umfasst das polnische Schuld- und Sachenrecht, Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Arbeitsrecht, Internationales Privatrecht, Öffentliches Recht, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht. Hinzu kommt ein verpflichtender Sprachkurs. Auch beinhaltet das Programm Stadtführungen, Geschichtsvorlesungen und Ausflüge zur Salzmiene Wieliczka, zum Konzentrationslager Auschwitz und das Pieniny-Gebirge. Abgeschlossen wird die Schule des Polnischen Rechts mit einer Abschlussfeier zusammen mit der Schule des Deutschen Rechts im Festsaal der Jagiellonen Universität Krakau. Im Rahmen dieser Feier erhalten die Absolventen beider Rechtsschulen ihre Zeugnisse über die erbrachten Leistungen im vorangegangenen Semester. Das Bestehen der Schule des Polnischen Rechts setzt die erfolgreiche Teilnahme an sechs zweistündigen Rechtsklausuren sowie der schriftlichen und mündlichen Sprachprüfung voraus.

In den Semesterferien besteht für die Absolventen der Schule despolnischen Rechts die Möglichkeit Praktika in polnischen Kanzleien zu absolvieren, wobei diese zumeist in Warschau ansässig und nicht vergütet werden. Das zweite Semester des LL.M.-Programms setzt sich schließlich aus einem Wochenendseminar in Krakau und der Anfertigung der Masterthesis über ein selbstgewähltes Thema im polnischen oder deutsch-polnischen Recht zusammen.

Bewerbung, Wohnungssuche und Kosten

Nach der Bewerbung (die Bewerbungsfristen divergieren und sind der Homepage http://www.llm.law.uj.edu.pl zu entnehmen) mittels eines digitalen Bewerbungsformulars erhält der Teilnehmer Anfang Februar die Benachrichtigung, ob er ab März in Krakau studiert und kann sich sodann auf Wohnungssuche begeben. Über das Sekretariat der Schule des Polnischen Rechts ist es möglich, einen Platz im Studentenwohnheim zu erwerben. Das Leben im Studentenwohnheim kostet ca. 90–100 EUR im Monat. Ein Wohnabteil setzt sich aus zwei Zimmern mit je drei Schlafplätzen, Küche sowie Bad zusammen. Allerdings wird man in dem Studentenwohnheim weniger auf polnische Mitbewohner stoßen, da diese in einem anderen Haus untergebracht sind. Sucht man den sofortigen Kontakt zu polnischen Studenten, bietet sich die Suche nach einem WG-Zimmer auf einschlägigen Internetportalen (zB gumtree.pl, dlastudenta.pl) an. In einem ca. zwei Kilometer weiten Umkreis vom Zentrum kann man mit 200–300 EUR Miete für das Zimmer rechnen. Eine Einzimmerwohnung kostet in demselben Umkreis etwa 400 EUR zuzüglich Nebenkosten.

Die Studiengebühren für die Schule des Polnischen Rechts betragen 1.500 EUR. Diese erhöhen sich bei Teilnahme am LL.M.-Programm auf 4.500 EUR. In finanzieller Hinsicht bietet sich den Teilnehmern die Möglichkeit der Teilfinanzierung durch ein Stipendium des polnischen Hochschulministeriums für deutsche Studenten und des DAAD für deutsch-polnische Studenten. Die Stipendiaten erhalten monatlich 300 EUR und einmalig 200 EUR Reisekostenzuschuss. Hinzu kommt die Befreiung von Kursgebühren für die Schule des Polnischen Rechts sowie die Verringerung der Studiengebühren von 4.500 EUR auf 3.000 EUR. Hinsichtlich der Lebenshaltungskosten kann man es sich bei separater Mietzahlung von den 300 EUR des Stipendiums durchaus gut gehen lassen, sodass lediglich ein geringer Mehraufwand bestehen wird.

Studentenstadt im Wandel

Ein weiteres Argument für das Programm ist der Charme der Stadt Krakau. Eine Stadt, die sich im stetigen Wandel befindet, und in der Königszeit, Kommunismus und Moderne aufeinander treffen. Die Studentenstadt, immerhin sind ein Viertel der 760.000 Einwohner Studenten, hat auch abseits des Hörsaals einiges zu bieten. Insbesondere wenn Krakau den kalten Winter hinter sich gelassen hat, kommt die Schönheit der Stadt zum Vorschein. Zahlreiche Cafés, die Planten oder das Weichselufer unterhalb des Wawels mit dem ehemaligen Königsschloss laden zum verweilen ein. Der Abend lässt sich schließlich in einer der Bars im In-Viertel Kazimierz, in den Clubs, Jazzbars uvm am Rynek (Hauptmarkt) ausklingen. Ein Highlight stellt im Mai das Studentenfest der Juwenalia dar. In dieser Zeit finden zahlreiche studentische Veranstaltungen im Stadtzentrum statt.

Fazit / Teilnahmeempfehlung

Wer sich für ein Studium an der zweitältesten Universität Mitteleuropas entscheidet, wird eine Stadt mit Charme vorfinden, die schnell zur zweiten Heimat wird. Das Studium des polnischen Wirtschaftsrechts wird einem durch Verknüpfungen mit dem deutschen Recht so eingängig wie möglich vermittelt wird. Auch Studenten ohne polnischen Background sollten den Schritt nach Krakau nicht scheuen. Die Freundlichkeit, die einem im Alltag beim Versuch polnisch zu sprechen, zB beim Bäcker oder Metzger, entgegengebracht wird, ist unglaublich. Während der Zeit in Krakau wird man Kontakte, Erfahrungen und Kenntnisse erhalten können, die gewinnbringend im späteren Beruf oder in der weiteren akademischen Laufbahn sind. Aus dem Abschlussjahrgang 2013 der Schule des Polnischen Rechts ist im August 2015 das Deutsch-Polnische Juristennetzwerk hervorgegangen. Dies zeigt, dass auch zwei Jahre nach dem Programm die Verbindung zur Jagiellonen-Universität, der Stadt Krakau und Polen nicht abreißt.

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