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Professor Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu, Universität des Saarlandes, und Akad. Rat. a.Z. Dr. Florian Nicolai, Universität Erlangen-Nürnberg | Mrz 15, 2024
Quo Vaditis juristische Aufsatztitel? – Das Floskelverbotsgesetz ante portas im Lichte der Wissenschaftsfreiheit – zugleich ein Ausblick, Überblick sowie der Versuch einer Einordnung und Annäherung … und kein Ende!
Es wäre nicht weniger als ein Paukenschlag. Der von den Strafrechtsexperten Oğlakcıoğlu und Nicolai initiierte Vorstoß, bestimmte Floskeln und wiederkehrende Redewendungen – deren Zahl Legion ist – in juristischen Aufsatztiteln strikt zu verbieten, bedeutete nicht einfach nur einen Paradigmenwechsel in der Rechtswissenschaft, sondern eine Zeitenwende im juristischen Publikationswesen. Zahlreiche Autoren würde damit Steine statt Brot gegeben. Es scheint sich aber um einen Schritt zu handeln, den man bei 350 Treffern in der juristischen Datenbank beck-online für die Wendung »Quo Vadis …« in den letzten fünf Jahren (!) nolens volens beschreiten muss. Dabei liegt auf der Hand, dass man mit dem angepeilten Verbot freilich Neuland betritt, oder sollte man sagen: ein Minenfeld? Klare Vorgaben zum Eingriff in die wissenschaftliche Kunst- und Darstellungsfreiheit an der Schnittstelle von Art. 5 I und III GG bzw. im Spannungsfeld zwischen Meinungsäußerungs- und allgemeiner Handlungsfreiheit fehlen. Da hilft auch ein Blick nach Karlsruhe, in den Maschinenraum der Verfassungsrechtsdogmatik, kaum weiter.
Nach einer Tour d’horizon durch das bisherige Recht der Floskelverbote (im Arbeitszeugnis, in der Sportberichterstattung) sind die Verfasser überzeugt, dass das angepeilte Regelwerk trotz zahlreicher Fallstricke nicht zu einem Papiertiger zu verkommen droht. Warum also am Status quo, mithin an der lex lata festhalten? Ein Vabanque- Spiel: denn es ist klar, dass das Auffinden innovativer und spannender Aufsatztitel zu den großen Gegenwartsfragen des juristischen Publikationswesens zählt. Eine kritische Analyse des Vorstoßes mündet in die Gretchenfrage, ob das Verbot die Publizierenden aus dem Dornröschenschlaf erwecken und zu neuen Überschriften motivieren kann, um als gesetzgeberischer Meilenstein in die Geschichte einzugehen. Ratio legis soll gerade nicht sein, die Rolle rückwärts zu drögen Aufsatztiteln zu schlagen, sondern vielmehr die sprachliche Schlagerparade auf den Prüfstand zu stellen. Der Entwurf, dessen Chancen und Risiken sorgsam abzuwägen sind, ist damit nicht mehr und nicht weniger als ein Plädoyer für mehr Kreativität.
Doch vice versa könnte sich die Einführung eines Floskelverbots de lege ferenda als Irrweg oder zumindest stumpfe Klinge denn als scharfes Schwert erweisen, ist doch zumindest absehbar, dass die neuen Ideen wiederum nach kurzer Zeit verschleißen und ein Floskelverbot 2.0 herausfordern werden. Kreative Abnutzung revisited – schon würde alter Wein in neuen Schläuchen serviert. Das FloskelG ist tot … lang lebe das FloskelG! Einziger Ausweg – Fluch oder Segen? – ein Blankett, über dem freilich das Damoklesschwert einer schallenden Ohrfeige aus Karlsruhe hinge. Zu befürchten steht zudem ein Dammbruch. Ist die Büchse der Pandora erst einmal eröffnet, könnte man womöglich dazu übergehen, weitere unliebsame Gewohnheiten in der Juristerei qua Gesetz zu unterbinden. Handelt es sich bei Floskeln in Aufsatztiteln also tatsächlich um einen Fall für das Strafrecht? Oder macht der Vorschlag viel Lärm um nichts? Einmal mehr gilt wohl: Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Was nun? Ein Pflichtenkanon für Autoren als letzte Rettung oder doch nur Wolkenkuckucksheim? Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob der Gesetzgeber den sorgfältig vorbereiteten und auf dem Silbertablett servierten Entwurf als Danaergeschenk zu decouvrieren versucht, ihm folgt oder sich – zwischen Skylla und Charibdis – für einen unausgegorenen Mittelweg entscheidet. So oder so ist zu prognostizieren, dass mit der Verabschiedung des Gesetzes noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, gilt ja nicht einmal: Karlsruhe locuta – causa finita. Bevor wir gesetzgeberisch Eulen nach Athen tragen: Lieber fünf Euro ins Phrasenschwein.