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JA Editorial 11/2020

Von Prof. Dr. Guy Beaucamp, HAW Hamburg | Okt 14, 2020

60 Jahre BBauG/BauGB

Ein bundeseinheitliches Bauplanungsrecht gibt es erst seit dem Erlass des Bundesbaugesetzes 1960, welches 1987 den neuen Namen  Baugesetzbuch erhielt. Vorher hatten Aufbaugesetze der Bundesländer die immensen Weltkriegsschäden – ein Viertel des deutschen Wohnungsbestandes der Vorkriegszeit war zerstört – im Wesentlichen bereits beseitigt. Das Bundesbaugesetz wurde fast 10 Jahre lang geplant (BT-Drs. 3/336, 57), was unter anderem am Streit um die Reichweite der Bundeskompetenz für das Bodenrecht aus Art. 74 I Nr. 18 GG lag. Diesen Konflikt hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Baurechtsgutachten 1954 befriedet (BVerfGE 3, 407 [423 ff.]).
Ein wichtiges Ziel des Bundesbaugesetzes 1960 bestand darin, die bisherige Rechtszersplitterung zu beseitigen; weitere Anliegen waren die Anpassung des Baurechts an den neuzeitlichen Städtebau, die Vereinfachung des Baurechts, die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die Abgrenzung von kommunalen und staatlichen Befugnissen sowie die Schaffung der Voraussetzungen für eine gerechte Bodenpreisbildung (BT-Drs. 3/336, 57). Manche dieser Ziele motivierten auch spätere Reformen.

Betrachtet man die Gesetzesfassung von 1960, fällt auf, dass wichtige Grundstrukturen bis heute Bestand haben, wenn auch die Nummerierung der Vorschriften verändert wurde. Dies gilt etwa für die Bauleitplanung mit den Flächennutzungsplänen und den Bebauungsplänen (§ 1 II iVm §§ 5 ff. und 8 ff. BauGB). Auch die Instrumente der Plansicherung in Form der Veränderungssperre und der Zurückstellung von Baugesuchen existieren bis heute (§§ 14 ff. BauGB). Erhalten geblieben ist ebenfalls die für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben relevante
Dreiteilung in beplanten Innenbereich, unbeplanten Innenbereich und Außenbereich der heutigen §§ 29 – 38 BauGB. Weitgehend stabil blieben auch die Vorschriften über die Bodenordnung, die Enteignung und die Erschließung (heute §§ 45 ff. BauGB).

Auf der anderen Seite lassen die zahlreichen Reformen des öffentlichen Baurechts des Bundes wie ein Spiegel die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland erkennen. Um den vorhandenen Bestand entwickeln und sanieren zu können, war 1971 das Städtebauförderungsgesetz erlassen worden, welches 1987 in das jetzt als BauGB bezeichnete Gesamtgesetz integriert wurde (§§ 136 ff. BauGB). Später wurden insbesondere Umweltbelange an verschiedenen Stellen aufgenommen, exemplarisch erwähnt seien nur die §§ 1a, 2 IV und 135a ff. BauGB. Im Umweltbereich hatten zudem verschiedene Richtlinien der Europäischen Union großen Einfluss auf das BauGB, indem sie über die Prüfung der Umweltverträglichkeit hinaus zusätzlich die Regeln über die Bürger- und Behördenbeteiligung (§§ 3 ff. BauGB) veränderten. Die sich seit der Rio-Konferenz 1992 intensivierende Diskussion um »Sustainability« schlug sich in der Formulierung des § 1 V BauGB nieder, der von den Bauleitplänen verlangt, dass sie soziale, wirtschaftliche und umweltschützende Belange auch im Blick auf künftige Generationen in Einklang bringen. 2011 wurde der Klimaschutz ausdrücklich im Gesetz verankert (§§ 1 V, 1a V, 5 II Nr. 2 lit. b und c BauGB). Schließlich schlug sich die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 in den – allerdings bis Ablauf des Jahres 2019 befristeten – Regelungen des § 246 VIII bis XVII BauGB nieder. Um den ständigen Reformbedarf des Bauplanungsrechts im Detail zu illustrieren, sei auf die Energiegewinnung aus Wind, Biomasse und Sonne hingewiesen, die 1960 unbekannt war. Heute sind solche Anlagen nach § 35 I Nr. 5, 6 und 8 BauGB als im Außenbereich privilegiert anerkannt.

Trotz manch schöner Formulierung – s. zB § 1a II BauGB – gelang es in Deutschland faktisch lange nicht, den umweltschädlichen Flächenverbrauch zu begrenzen. Von 1993 – 2003 wurden durchschnittlich rund 120 ha, das sind 1.200.000 m2, täglich überbaut. Erst seit 2005 zeigt sich eine sinkende Tendenz, dennoch werden auch jetzt noch ca. 60 ha landwirtschaftliche Fläche oder Waldfläche pro Tag in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt (alle Zahlen auf https://www.umweltbundesamt.de, Stichwort Flächenverbrauch). Bis zu einer Flächenkreislaufwirtschaft ist es noch ein weiter Weg. Der Dauerkonflikt zwischen Bautätigkeit und Umweltschutz zeigt sich auch an den Stichworten Zersiedlung, ständig wachsende Wohnungsgröße pro Person sowie dem Trend zur nur touristisch genutzten Zweitwohnung.

Abschließend sei noch eine überraschende Wiederauferstehung einer Regelung aus dem BBauG 1960 angesprochen. § 172 BBauG sah eine Baulandsteuer (Grundsteuer C) für baureifes Land vor. Dieses wurde je nach Zeit, in der nicht gebaut wurde, vier bis sechsmal höher besteuert als nicht bebaubare Fläche. So sollte das Zurückhalten von Baugrundstücken verteuert und die Spekulation auf weiter steigende Baulandpreise gebremst werden. Die Norm wurde allerdings nur zwei Jahre angewandt und 1964 wieder abgeschafft.

Ende 2019 nun kam es im Zuge der Grundsteuerreform aus ähnlichen Gründen wie 1960 zum Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (BGBl. I 1875). Beginnend mit dem 1.1. 2025 dürfen Gemeinden einen höheren Hebesatz für baureife, aber nicht bebaute Grundstücke vorsehen. Ob diese Maßnahme das Problem der ständig steigenden Baulandpreise jedoch beeinflussen kann, muss bezweifelt werden. Die Dimensionen der Preisentwicklung für Bauland seien an einem Beispiel aus München aufgezeigt: 1961 entfielen 8 % der Kosten des Wohnungsbaus auf das Grundstück, 92 % auf den Wohnungsbau; 1970 machten die Grundstückskosten bereits 16 % aus; im Jahr 2018 entfielen 79 % der Wohnungsbaukosten auf das Grundstück, die Baukosten machten nur noch 21 % aus (Vogel, Mehr Gerechtigkeit, 2019, 10 f., hier auch interessante Vorschläge für eine neue Bodenordnung).

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