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Editorial JA 7/2017

Von Prof. Dr. Christian Fahl, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald | Jun 19, 2017

Neues zum Wohnungseinbruchsdiebstahl!


Das Bundeskabinett hat auf seiner Sitzung vom 10.5. 2017 beschlossen, dass ein neuer § 244 IV StGB geschaffen werden soll  (http://www.bmjv.de/sharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_244_Wohnungeinbruchsdiebstahl.pdf?_blob=publicationFile&v=2). Der bisherige Abs. 4 ist durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung am 1.7. 2017 entfallen. Betrifft der »Wohnungseinbruchdiebstahl« nach § 244 I Nr. 3 StGB danach eine »dauerhaft genutzte Privatwohnung« (Qualifikation), so ist die Mindeststrafe ein Jahr (Verbrechenstatbestand).

Der minder schwere Fall in Abs. 3 gilt nicht für den Wohnungseinbruchsdiebstahl nach Abs. 4. Damit stellt der Gesetzgeber dann den Zustand her, den der BGH in seiner Wohnmobil-Entscheidung (NJW 2017, 11) in vorauseilendem Gehorsam – aber fälschlich – angenommen hat (Mitsch NJW 2017, 1188, s. dazu auch Bosch JURA 2017, 604; Hecker JuS 2017, 470; Winkler RÜ 2017, 236). Denn derzeit gilt der – durch das 44. StÄG v. 1.11. 2011 erst eingefügte – § 244 III StGB uneingeschränkt auch für Wohnungseinbrüche. Übrigens wird er nach den Plänen der Bundesregierung auch in Zukunft weiter gelten für den »einfachen« Wohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 I Nr. 3 StGB, nur eben nicht (mehr) für den neu geschaffenen »Privatwohnungseinbruchsdiebstahl« nach § 244 IV StGB. Damit fragt sich, wie beides überhaupt voneinander abgegrenzt werden soll.

Da zur »Wohnung« nach dem Entwurf (S. 6) auch weiterhin sogar Nebenräume wie »Keller, Treppen, Wasch- und Trockenräume« zählen sollen (sog. weiter Wohnungsbegriff, s. Satzger/Schluckebier/Widmaier/Fahl, StGB, 3. Aufl. 2016, StGB § 123 Rn. 2; Fahl/Winkler, Meinungsstreite, Strafrecht BT/2, 3. Aufl. 2015, § 244 Rn. 11), kann der einst von Hillenkamp erdachte Diebstahl einer Rolle Klopapier aus der Flurtoilette (vgl. dazu Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT 2, 39. Aufl. 2016, Rn. 290) oder der Diebstahl auch nur eines Schraubenschlüssels aus dem Werkzeugkeller, der durch das Fenster betreten (Einsteigen) oder mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug geöffnet wurde (zB Taschenmesser), zukünftig nicht mehr als »minder schwerer Fall« (immerhin noch Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten!) eingestuft werden (ähnliches Beispiel bei Thomas Fischer, Zeit-Online v. 11.4. 2017, der sein »Ehrenwort« gibt, dass auch beim  Wohnungseinbruchsdiebstahl in der Praxis minder schwere Fälle vorkommen).

Vielleicht würde der Gesetzgeber – wie es auch seinem Anliegen, die Privatsphäre besser zu schützen, entsprechen würde – besser den Begriff der »Privaträume« (Schlafen, Wohnen – Esszimmer?) statt den der »Privatwohnung« benutzen. Was soll das überhaupt sein? Soll das zu den »Geschäftsräumen« (§ 243 I 2 Nr. 1 StGB) abgegrenzt werden? Oder vielleicht zur »Geschäftswohnung«, zB von Call-Girls? Vielleicht zur »Dienstwohnung«? »Ferienwohnung«? Die Zweitwohnung von Berufspendlern soll immerhin weiterhin erfasst bleiben (s. Entwurf, S. 6).

Das ist schön und gut, aber wie verhält sich das zum Erfordernis der »dauerhaften« Nutzung (Ferienwohnung: 3-mal im Jahr 2 Wochen; Zweitwohnung: im Winter von Montag bis Donnerstag, im Sommer gar nicht)? »Dauernd« bedeutet so viel wie »endgültig oder auf unabsehbare Zeit« (Fahl/Winkler, Definitionen und Schemata, 6. Aufl. 2015, § 226 Rn. 8). Passt das oder muss eine andere Definition her für »dauerhaft«?

Überhaupt: Ist das nicht alles »doppelt gemoppelt« und »Wohnung« nicht ohnehin eine nicht nur vorübergehend (= »dauerhaft«) genutzte Räumlichkeit, die zur Unterkunft von Menschen dient? Nein. Dazu zählen im Prinzip »auch nur vorübergehend« genutzte Räume (vgl. Fahl/Winkler Definitionen, 6. Aufl. 2015, § 226 Rn. 1) wie Hotelzimmer, Wohnmobile (Satzger/Schluckebier/Widmaier/Fahl, 3. Aufl. 2016, StGB § 123 Rn. 2) etc. Darin wird man – negativ – die Abgrenzung zu suchen haben: Sie sollen nicht unter den neuen Begriff fallen (vgl. Entwurf, S. 5)!

Das ist auch richtig so: Es macht einen Unterschied, ob mir auf einer dreiwöchigen Urlaubsreise auf einer Autobahnraststätte das Wohnmobil aufgebrochen wird oder ob zur gleichen Zeit ein Einbrecher in meinem dreihundert Kilometer entfernten Zuhause Nachttisch und Schlafzimmerschrank (»Intimsphäre«) durchwühlt! Im einen Fall werde ich vielleicht in Zukunft andere Urlaubsregionen ansteuern, Autobahnparkplätze meiden oder eben auf Reisen mit dem Wohnmobil verzichten. Aus meinem Haus kann ich aber nicht so ohne Weiteres aus- und in eine »ruhigere Gegend« umziehen (Mitsch NJW 2017, 1188).

Das hätte man freilich auch über eine einengende – restriktive – Auslegung des Begriffs der Wohnung bei § 244 StGB lösen können (Mitsch NJW 2017, 1188), die ja gegenüber dem Begriff des »Gebäudes« (§ 243 I Nr. 1 StGB) oder »anderen umschlossenen Raumes« (jedes von Menschen betretbare, durch künstliche Hindernisse gegen das Betreten durch Unbefugte geschützte Raumgebilde, vgl. Fahl/Winkler Definitionen, 6. Aufl. 2015, § 243 Rn. 1) bereits eine – mit schärferer Strafe versehene – Qualifikation darstellt (Fahl NJW 2001, 1699).

So gilt nun, wenn es dabei bleibt, folgende Stufenfolge: umschlossener Raum (1. Stufe) – Wohnung (2. Stufe) – und als Krönung: »Privatwohnung« (3. und allerhöchste Stufe!). Die exakte Abgrenzung – von der einiges (s. oben) abhängt – wird absehbar Bibliotheken füllen, die Neuregelung aber ebenso absehbar leider keinen einzigen Einbruchsdiebstahl verhindern (weil eine höhere Strafandrohung in der Vergangenheit empirisch belegbar noch nie zum Rückgang von Kriminalität geführt hat) und so die »Intim-« oder »Privatsphäre« besser schützen. Möge wenigstens die dem Gesetzgeber erkennbar am Herzen liegende Funkzellenabfrage (§ 100g III StPO) bei der Aufklärung der Verbrechen helfen!

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