Prof. Dr. Christian Wolf, Universität Hannover
Rule of Law oder the Rule of Money?
»My Administration is committed to addressing the significant risks associated with law firms, particularly so-called ›Big Law‹ firms, that engage in conduct detrimental to critical American interests.« Mit diesen Worten beginnen die Executive Orders des US-amerikanischen Präsidenten gegen eine Reihe von amerikanischen Law Firms. Was sind aber die »critical American interests«, die Trump vorgibt zu schützen?
Insbesondere sieht Trump die DEI-Programme, mit denen die Kanzleien Diversity, Equity und Inclusion fördern wollen, im Widerspruch zu den »critical American interests«. Auch sieht er in der Pro-bono-Tätigkeit der betroffenen Kanzleien die critical American interests verletzt. Mit ihren Pro-bono-Mandanten setzten sich die Kanzleien unter anderem für die LGBTQ-Rechte ein oder halfen Flüchtlingen, ein Aufenthaltsrecht in den USA zu erstreiten. Im Rahmen des Homeowner Stability Project setzten sie sich auch für die von Wohnungslosigkeit bedrohten einkommensschwachen Bevölkerungsteile in New York ein, um nur einige Beispiele der Pro-bono-Praxis zu nennen. Schließlich haben die angegriffenen Kanzleien Trumps politische Gegner, wie Hillary Clinton 2016, unterstützt. Oder noch schlimmer: Anwälte in die Partnerschaft aufgenommen, die an gegen Trump gerichteten Untersuchungen mitgewirkt haben, wie ein New Yorker Staatsanwalt wegen der Fälschung von Geschäftsunterlagen.
Ohne den Kanzleien die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (due process), wurden die Kanzleien in den Executive Orders einem massiven wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Soweit Bundesbehörden die in das Fadenkreuz genommenen Kanzleien mandatiert haben, sollten die Mandatsbeziehungen beendet werden. Aber auch alle Unternehmen, die Staatsaufträge erhalten, sollen offenlegen, ob sie sich von einer der angegriffenen Kanzleien vertreten lassen. Das Mandat muss nichts mit den Staatsaufträgen zu tun haben. Die Message ist klar: Wer künftig noch Regierungsaufträge bekommen will, mandatiert nicht eine der von Trump angegriffenen Kanzleien.
Diese Executive Orders stellen einen beispiellosen, in den USA noch nie dagewesenen Angriff auf die Rule of Law dar. Hier ist dieser Superlativ, in dem Trump so gerne schwelgt, angemessen. Zu dem Kern eines Rechtsstaats gehört, dass sich Anwälte furchtlos für die Interessen ihres Mandanten einsetzen können. Die Grundprinzipien eines Rechtsstaats sind in Gefahr, wenn die Anwälte fürchten müssen, staatlichen Sanktionen ausgesetzt zu sein, nur weil sie ihren Job gemacht haben.
Die Bedrohung von Rechtsanwälten ist nicht neu. Immer wieder sind Anwälte wegen ihrer Arbeit das Ziel von Angriffen. Die Absetzung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer von Istanbul durch die türkische Justiz ist so ein Beispiel. Der Angriff von Trump auf das amerikanische Rechtssystem entsetzt so besonders stark, weil in den USA mit ihrem adversary system ein solcher Angriff eigentlich undenkbar schien. Baut das amerikanische Rechtssystem doch gerade darauf auf, dass Anwälte dem Richter die gegensätzlichen Standpunkte frei vortragen, damit dieser den Rechtsstreit entscheiden kann. Oder wie es in einem amicus curiae brief von Law Students im Verfahren der betroffenen Kanzlei Susman Godfrey, die sich gerichtlich gegen die Executive Order von Trump zur Wehr setzt, heißt: »Our society has functioned for centuries on the understanding that lawyers are free and even encouraged to take up disfavored representations, that every person deserves due process and their day in court.«
Neben Susman Godfrey wehren sich auch Wilmer Hale, Jenner & Block und Perkins Coie gegen den beispiellosen Angriff von Trump. Allerdings sind eine ganze Reihe von Big Law Firms einen Ablasshandel mit Trump eingegangen. Sie haben der Trump- Administration unentgeltlich Rechtsdienstleistungen zugesagt, um an dieser Stelle das Wort pro bono zu vermeiden. Wie hoch die Summe dieser vereinbarten Stunden genau ist, ist derzeit nicht ganz klar. Geschätzt wird, dass Trump zwischenzeitlich eine Milliarde Dollar an unentgeltlichen Stunden Rechtsdienstleistung eingesammelt hat.
Warum haben sich insbesondere die großen Kanzleien nicht gewehrt, sondern vor Trump kapituliert? Hierzu Nate Eimer, der ebenfalls einen der amicus curiae formuliert hat, in der New York Times: »The idea of a profession that is sort of dedicated to a certain ethic is maybe less prevalent. Instead, it’s more of a culture of profit-making that drives almost all the big law firms.«
Der Widerstand, der sich in den USA gegen die Executive Orders über alle unterschiedlichen rechtswissenschaftlichen Berufe wie Anwälte, Richter und Universitätsbeschäftigte (Professoren und Studierende) richtet, gibt Hoffnung. Diesen Geist, die Rule of Law aufrechtzuerhalten und für sie einzutreten, müssen wir unseren Studierenden auch in Deutschland vermitteln. Ohne eine unabhängige Rechtsanwaltschaft, die sich furchtlos für ihre Mandanten einsetzen kann, ist der Rechtsstaat nicht denkbar. Es gilt, die Rule of Law aufrecht zu erhalten und sich nicht staatlichem Druck und einer Rule of Money zu beugen.