Prof. Dr. Christian Wolf, Universität Hannover
DiplomjuristIn, LL. B., JuristIn (Universität) oder geprüfte Rechtskandidaten?
Derzeit werden an einer ganzen Reihe von Universitäten integrierte Bachelor-Titel eingeführt. Man will denjenigen einen Abschluss ermöglichen, die die Erste Juristische Prüfung nicht mehr ablegen wollen oder können. Der Anteil an Studierenden, die in der Ersten Juristischen Prüfung endgültig gescheitert sind, ist zum Glück nicht sonderlich groß. In Niedersachsen waren es 2023 lediglich 3,5%. Umso härter ist es aber für die Betroffenen. Der neu zu schaffende LL.B.-Abschluss will denjenigen, die am Ende am staatlichen Teil der Ersten Juristischen Prüfung gescheitert sind, etwas an die Hand geben. Der Titel will, so die Initiatoren, allen Studierenden Sicherheit vermitteln. Man soll die Klausuren im staatlichen Teil der Ersten Juristischen Prüfung in der Sicherheit schreiben können, jedenfalls einen LL.B. erworben zu haben. Nach dem Studium soll man nicht mit leeren Händen dastehen. Der Bachelor of Laws will so den Druck vor dem staatlichen Teil der Ersten Juristischen Prüfung vermindern.
Allerdings wirft der LL.B. einige Probleme auf. Der Etikettenschwindel, der mit dem LL.B. verbunden ist, dürfte am leichtesten verkraftbar sein. »LL« in LL.B. steht für Laws. Nimmt man es wörtlich, so bedeutet dies, einen Bachelor in beiden Rechten zu erhalten, dem staatlichen und dem kirchenrechtlichen. In der Schweiz kürzt man richtig mit »BLaw« ab. Aber wir nehmen es auch sonst mit Singular und Plural nicht so genau. In Deutschland studiert man Jura und nicht wie in Österreich »ius«, obwohl kaum noch Kirchenrecht gelesen und geprüft wird.
Man mag sich mit der Bezeichnung rasch anfreunden, jedoch dürfte die Einführung des LL.B. mit einem Abschied verbunden sein. Demjenigen, der die Zweite Juristische Staatsprüfung erfolgreich abgelegt hat, wird der Titel »Assessor« verliehen. Nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen gab es ursprünglich keinen Titel. Man konnte sich nur als geprüfter Rechtskandidat bezeichnen. Man hat daher an den Universitäten den Titel Diplom-Juristin bzw. Diplom-Jurist eingeführt. Der Titel hat sich durchgesetzt. Regelmäßig können die juristischen Fakultäten ihren Absolventen den Titel in einer Diplomfeier nach dem Bestehen des Ersten Juristischen Staatsexamens (»ersten Prüfung«, § 5 DRiG) verleihen.
Allen? In der Formulierung »ihren Absolventen« liegt das Problem vieler Diplom-Verleihungs-Ordnungen. Zwischen dem Studium an einer Universität und dem Studiums-Abschluss muss sicherlich eine Verbindung bestehen. Aber die universitäre Schwerpunktprüfung und die staatliche Pflichtfachprüfung müssen nicht an der gleichen Universität erfolgen. So fordert zB § 29 I JAG NRW lediglich, dass die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung an einer Universität im Geltungsbereich des Deutschen Richtergesetzes bestanden wurde. Die staatlichen Prüfungsordnungen haben auch eine Regelung gefunden, wer für die Ausstellung des Abschlusszeugnisses zuständig ist: das Prüfungsamt, in dem die staatliche Pflichtfachprüfung absolviert wurde (zB § 17 I 4 BayJAPO). Für die Erteilung des Diploms ist eine solche Lösung bislang oft nicht gefunden worden. Voraussetzung für die Erteilung des Diploms ist, wie es meist heißt, dass der staatliche Teil am selben Universitätsstandort oder zumindest im selben Bundesland geschrieben werden muss wie der Schwerpunkt. Wer den Studienort wechselt, kann sich dann nur noch »geprüfter Rechtskandidat« nennen – eine Bezeichnung, die nirgends gesetzlich definiert ist, aber zB die Verwaltung des Bundestags bei einer Stellenanzeige verwendet.
Sehr lange dürfte dieses Problem aber in der Form nicht mehr bestehen, da wir uns in den meisten Bundesländern von dem Titel Diplom-Jurist wohl verabschieden müssen. Mit der Einführung des integrierten Bachelors kann der Titel Diplom-Jurist wohl nicht mehr verliehen werden. Nach der Musterrechtsverordnung zur Akkreditierung von Studiengängen darf lediglich ein Titel für einen Studiengang verliehen werden. Da der LL.B. ein integrierter Bachelor sein soll, also neben dem Schwerpunkt und den Zulassungsvoraussetzungen zum staatlichen Teil der Ersten Juristischen Prüfung keine weiteren Anforderungen gestellt werden, wäre wohl der Diplom-Jurist ein weiterer Titel im selben Studiengang.
Der Abschied vom Diplom-Juristen zugunsten des LL.B. sollte allerdings nicht allzu schwerfallen. Man wird sich an den Titel genauso gewöhnen wie einst an den Diplom-Juristen. Allerdings sollte bei der Einführung des LL.B. Folgendes beachtet werden: Der LL.B. darf nicht als Einstieg zum Abschied des Staatsexamens dienen. Grundlage für § 5 DRiG und § 4 Nr. 1 BRAO ist, dass sowohl Richter als auch Rechtsanwälte gleich qualifiziert sind. Hieran muss festgehalten werden. Nur so können sich Richter und Rechtsanwälte auf Augenhöhe begegnen. Das Studium ist in seinen wesentlichen Zügen durch das DRiG normiert. Es sollte daher eigentlich leichtfallen, die Anforderungen an den LL.B. bundesweit zu vereinheitlichen. Jedenfalls sollte die Durchlässigkeit zwischen allen im Geltungsbereich des Deutschen Richtergesetzes tätigen juristischen Fakultäten sichergestellt sein.
Die Lösung, welche die BayJAPO vorsieht, ist kreativ, aber nicht wirklich überzeugend. Nach § 17 II BayJAPO dürfen diejenigen, denen von der Universität kein akademischer Grad verliehen wird, die Bezeichnung »Jurist (Univ.)« bzw. »Juristin (Univ.)« führen, wenn sie die Erste Juristische Prüfung bestanden haben. Für alle, die aufgrund eines Studienortwechsels nicht den Titel Diplom-Jurist oder künftig LL.B. verliehen bekommen, besser als Nichts oder »geprüfter Rechtskandidat«. Ein einheitliches System, das auch durchlässig ist, sollte aber dringend auf den Weg gebracht werden.