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Editorial JA 4/2023

Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, Regensburg

»So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen« – Widerstand war nicht nur erlaubt, sondern geboten!

»So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen«, so beginnt die vielzitierte letzte Aussage von Sophie Scholl am Tag ihrer Hinrichtung durch die Guillotine vor 80 Jahren am 22. Februar 1943 gegen 17:00 Uhr im Gefängnis München-Stadelheim. Der genaue Wortlaut ist heute nicht mehr überprüfbar. Ihre Schwester Inge Scholl berief sich 1952 hierfür in ihrem Buch »Die Weiße Rose« auf die Aussage der Zellengenossin. Der Scharfrichter Johann Reichhart soll später einmal gesagt haben, dass er noch nie jemanden gesehen habe, der so tapfer gewesen sei wie Sophie Scholl. Was außerdem aus den Vernehmungsprotokollen der Gestapo ersichtlich ist: Sophie Scholl hat bis zuletzt niemanden verraten und die anderen Mitglieder der »Weißen Rose« geschützt, indem sie sich und ihren Bruder Hans als die Hauptakteure der Widerstandsbewegung darstellte. An diesem Tag wird auch ihr Bruder Hans Scholl um 17:02 Uhr hingerichtet. Kurz bevor das Fallbeil fällt, ruft er: »Es lebe die Freiheit!« Um 17:05 Uhr ist Christoph Probst an der Reihe.

Sophie Scholl war am Tag ihrer Hinrichtung noch keine 22 Jahre, Hans Scholl war 24 Jahre alt. Seit dem Untergang des Nationalsozialismus wurde Sophie Scholl zur Ikone in der Geschichte des Widerstands. Ihre Büste steht in der für bedeutende Persönlichkeiten gebauten imposanten Gedenkstätte »Walhalla« hoch über der Donau nahe Regensburg. In der Ludwig-Maximilian-Universität am Geschwister-Scholl-Platz 1 in München ist mit der »DenkStätte Weiße Rose« eine Dauerausstellung eingerichtet.

Im Februar 1943 ist die Gestapo der Weißen Rose bereits auf den Fersen. Gefahndet wird nach der Gruppe, die bereits Flugblätter gegen Hitler (teils per Post versandt oder in München verteilt) und Häuserwände mit »Freiheit« besprüht hatte. Das Verteilen des sechsten Flugblatts im Gebäude der Universität München am 18. Februar 1943 wird Sophie und Hans Scholl zum Verhängnis. Vom zweiten Stock an der linken Seite der marmornen Brüstung, von wo aus die Eingangshalle vor einem liegt, wirft Sophie Scholl eine Handvoll Flugblätter hinunter in den Lichthof. Der Hausschlosser Jakob Schmid bemerkt die Aktion, läuft nach oben. Als er auftaucht, schüttet gerade Hans Scholl die restlichen Flugblätter über die Brüstung. Schmid erklärt: »Ich verhafte Sie!« Hans Scholl erwidert, es sei eine Unverschämtheit. Und Sophie Scholl gibt später zu Protokoll: »Mein Bruder und ich gingen widerspruchslos mit diesem Mann.« Auf Anordnung werden alle Türen der Universität geschlossen und niemand darf das Gebäude verlassen. Noch an diesem Tag werden in der Universität Sophie und Hans Scholl verhaftet, kurze Zeit später auch Christoph Probst. Die anderen Mitglieder der Gruppe gehen den Fahndern erst Wochen später ins Netz.

Es folgt ein Justizmord wegen Hochverrats binnen vier Tagen: Noch am 18. Februar wie auch tags darauf folgen der Verhaftung stundenlange Verhöre. Und schon am 22. Februar kommt es zur Verhandlung. Eigens dafür reist der Präsident des Volksgerichtshofs Roland Freisler nach München und agiert wie er aus den Prozessen gegen die Männer des 20. Juli 1944 bekannt ist; nach den Worten eines Augenzeugen: »tobend, schreiend, bis zum Stimmüberschlag brüllend, immer wieder explosiv aufspringend. « Der pro forma angereiste Ankläger plädiert auf Todesstrafe für die drei Angeklagten. Um 13:30 Uhr zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. Schon kurze Zeit später werden die schon vor Prozessbeginn feststehenden drei Todesurteile verkündet. Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Volksgerichtshofs gibt es nicht, denn Organisation und Gerichtsverfahren waren – unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze – gerade auf kurze Prozesse ausgerichtet.

»Freiheit« schreibt Sophie Scholl in ihrer Zelle mit zitternder Hand auf die Rückseite ihrer Anklageschrift, die sie wenige Stunden vor dem Prozess erhält; eine letzte, erst Jahrzehnte später entdeckte Botschaft an die Nachwelt.

Die »Weiße Rose« steht im kollektiven Gedächtnis für Standfestigkeit, Mut und Widerstand. Ein großes Freiheitsverständnis führte ihre Mitglieder in den Widerstand. Bei Sophie Scholl war es, wie die sehr lesenswerte Biografie von Barbara Beuys offenlegt, auch die Einsicht, sich mitschuldig zu machen, wenn man den Verbrechen der Nazis tatenlos zusieht. Zum besseren Verständnis: Im Winter 1942/1943 opferte Hitler mutwillig seine gesamte deutsche 6. Armee in Stalingrad; zugleich war in Nordafrika die militärische Niederlage der deutschen Truppen absehbar. Die Geschwister Scholl trafen das NS-Regime in einem Moment der Schwäche, dementsprechend wurde auf eine harmlose Flugblattaktion gnadenlos reagiert, die die Studenten in München gar nicht erreichte.

Zum 80. Todestag der Geschwister Scholl und von Christoph Probst gedachte den Widerstandskämpfern Bundespräsident Steinmeier Anfang vergangenen Monats in München. Er rief dazu auf, die deutsche Demokratie gegen neue Bedrohungen von außen und zunehmende Angriffe von innen wehrhaft zu machen. Nötig seien zudem »engagierte Bürgerinnen und Bürger, die in ihrem politischen Urteil moralisch klar und fest sind, die sich einsetzen für unser Land, für die Demokratie«. »Dieses verbrecherische Regime der Nationalsozialisten, dem die Würde des Menschen und ein Menschenleben nichts galten – mehr noch: das Menschen das Menschsein absprach – , dieses Regime hatte keinen Anspruch auf Gehorsam. Es musste bekämpft werden.« Deshalb sei Widerstand nicht nur erlaubt, sondern geboten!


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