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Editorial JA 4/2018

Prof. Dr. Christian Fahl, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Majestätsbeleidigung abgeschafft

 
Die Nachrichten vermelden, dass die Majestätsbeleidigung seit dem 1.1.2018 abgeschafft sei. Ganz abgeschafft? Nein! Die Verunglimpfung (der Majestät) des Bundespräsidenten steht noch immer im Gesetz (§ 90 StGB). Was abgeschafft worden ist, ist allein die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Majestäten (§ 103 StGB). Dabei würde die dafür gegebene Begründung – der Tatbestand sei neben § 185 StGB entbehrlich (BT-Drs. 18/11243, 1) – ebenso auch für § 90 StGB gelten.

Beide Tatbestände sind »tote Tatbestände« in dem Sinne, dass sie praktisch keine Rolle spielen. Ob sie »redundant« (wiederholend; überflüssig) sind, hängt davon ab, ob sich neben dem Ehrschutz, dem die §§ 185 ff. StGB dienen, noch ein anderes Schutzgut benennen lässt, dass eine Sonderbehandlung der laesio majestatis rechtfertigt.

Das ist der Schutz der Beziehungen zu ausländischen Staaten, dem übrigens auch der § 104 StGB (Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten) dient – der zB eingreift, wenn im Zuge des Protestes gegen die Nahostpolitik der USA oder Israels die Flaggen von deren Botschaftsgebäuden verbrannt werden (obwohl auch hier ein »doppelter« Schutz durch §§ 242 und 303 StGB gegeben ist). Es ist bezeichnend für die hektischen Gesetzgebungsaktivitäten im Zuge der »Böhmermann-Affäre«, dass § 104 StGB kaum in den Fokus der Politik geriet.

Ob die Tatbestände »antiquiert« (veraltet) sind, mag angesichts solcher Entwicklungen jeder selbst beurteilen. Von den vier Experten, die im Gesetzgebungsverfahren angehört wurden, waren immerhin zwei gegen die Streichung des § 103 StGB.

Die Probleme der Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung durch die Bundesregierung, mit der sich die alte Bundesregierung im »Fall Erdogan« so schwer tat, weil sie (unrichtigerweise) meinte, dabei auch schon die Kunst- und Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 GG) berücksichtigen – und so anstelle von Staatsanwaltschaft und Gericht bereits über die Strafbarkeit entscheiden – zu müssen, stellen sich übrigens in beiden Fällen gleich (§ 104a StGB).

Berühmt geworden ist der § 103 StGB, dem dieser Nachruf gilt, im Jahre 1967 als »Schah-Paragraph«. Damals besuchte der persische Schah, Mohammad Reza Pahlavi, Deutschland – begleitet von Demonstrationen der Opposition und heftigen Studentenunruhen. Die größte Demonstration gegen das Regime endete damals mit dem gewaltsamen Tod des Studenten Benno Ohnesorg – die Geburtsstunde der RAF.

Abgeschafft worden ist er aber nicht deswegen – die Bundesregierung hat damals wie heute die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt –, sondern wegen eines als »Schmähkritik« titulierten Gedichts des Satirikers Jan Böhmermann in der ZDF-Sendung »Neo Magazin Royale«, dessen Anfang lautet: »Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan der Präsident. / Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner.« usw. usf.

Das war übrigens ganz überflüssig: Nachdem sich erst die Bundesregierung wochenlang Zeit gelassen hatte bei der Frage, ob sie die Ermächtigung erteilen wolle (was eigentlich nur ausscheidet, wenn ein anderer Staat Anstoß an der Strafverfolgung nehmen könnte oder die Äußerungen gar im Auftrag oder mit Willen der Bundesregierung erfolgten), brauchte auch die Staatsanwaltschaft Mainz (Sitz des ZDF, s. »Mainzelmännchen«) anschließend noch Monate, um zu prüfen, ob es sich dabei tatsächlich um »Beleidigungen« handelte. Als sie die Frage nach reiflicher juristischer Überlegung endlich verneint (und das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 I Stopp eingestellt) hatte, war es wegen der – von den Anwälten Erdogans offenbar nicht bedachten – kurzen presserechtlichen Verjährung von 6 Monaten (§ 37 RhPfLMG), die damit gerechtfertigt wird, dass die Vorwürfe angesichts der veröffentlichten und deshalb für jedermann offensichtlich zu Tage liegenden Beweismittel innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit leicht zu klären sind (!), zu spät für eine Klageerzwingung im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nach § 172 II StPO. Die Beschwerde nach § 172 I StPO, die hier erfolgt ist, hat nämlich nicht die Kraft, die Verjährung zu unterbrechen, so wie die Anklageerhebung oder bestimmte Ermittlungsmaßnahmen der StA, zB die Beschuldigtenvernehmung, oder auch nur die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, vgl. § 78c Nr. 1 StGB, die hier jedoch nicht erfolgt sind. – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Auch viele Verfahren gegen die Anti-Schah-Demonstranten von 1967 wegen § 103 StGB sind übrigens damals sang- und klanglos eingestellt worden, aber – richtiger – nach §§ 153, 153a StPO, wo das »Opportunitätsprinzip« regiert und der Verletzte deshalb von vornherein kein Mitspracherecht hat (vgl. § 172 II 3 StPO). Diese scheiden nicht schon deshalb aus, weil der Fall für Aufsehen gesorgt hat oder der Täter prominent ist.

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